Leitsatz (amtlich)
Das Diskriminierungsverbot des Art.95 EWGV vermittelt Dritten keinen Rechtsanspruch auf Zahlung von Vergütungen, die eine Verwaltungsrichtlinie anderen Unternehmen unter Verstoß gegen Art.95 EWGV zugesteht.
Orientierungssatz
1. Unterhält der Kläger ein sog. Tanklager, in dem sich Rohbrand befindet, für den Abgaben noch nicht festgesetzt sind, und beantragt der Kläger unter Hinweis auf eine Entlastungsregelung des BMF, ihm auf die am Stichtag in seinem Tanklager vorhandene Ware eine "Erstattung" zu gewähren, so scheidet § 227 AO 1977 als Rechtsgrundlage aus, weil der Kläger nicht die Erstattung von ihm entrichteter Steuerbeträge beantragt hat. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht.
2. Art. 95 EWGV enthält ein Diskriminierungsverbot, das eine eindeutige und uneingeschränkte Verpflichtung umfaßt, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit einer Maßnahme der Organe der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten bedarf. Dieses Verbot erzeugt unmittelbare Wirkungen und begründet individuelle Rechte der einzelnen, die die innerstaatlichen Gerichte zu schützen haben. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sich an die Beschränkung zu halten und von der Anwendung aller gegebenenfalls entgegenstehenden Bestimmungen oder Maßnahmen ihres innerstaatlichen Rechts abzusehen (vgl. EuGH-Urteil vom 5.5.1982 Rs. 15/81). Aus Art. 95 EWGV kann sich ergeben, daß eine in Verletzung des Diskriminierungsverbots dieser Vorschrift erhobene Steuer in Anwendung nationaler Vorschriften zu erstatten ist (Lit.).
Normenkette
EWGVtr Art. 95; AO 1977 § 227
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 10.08.1982; Aktenzeichen IV 81/78 N) |
EuGH (Entscheidung vom 29.04.1982; Aktenzeichen 17/81) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Weinbrennerei. Sie unterhält ein Branntweineigenlager und ein sog. Tanklager, das unter Zollaufsicht steht. Am 22.Februar 1976 befanden sich im Tanklager 13 278 Hektoliter Weingeist (hl W) enthaltender sog. Rohbrand, ein Erzeugnis, das die letzte Stufe zum Weinbrand darstellt. Der Rohbrand stammte aus Frankreich, Italien und Griechenland. Bei der Einlagerung hatte die Klägerin auf den Rohbrand die Monopolausgleichsspitze in Höhe von 16,05 DM/hl W entrichtet. Diese Steuer wurde der Klägerin später erstattet.
Am 22.Oktober 1976 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die Entlastungsregelung in den Erlassen des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 23.März, 15.April und 1.Juli 1976 (im folgenden: Erlaßregelung), ihr auf die am Ende des 22.Februar 1976 in ihrem Tanklager vorhandenen Bestände an Rohbrand aus Wein eine "Erstattung" in Höhe von 80 DM/hl W zu gewähren. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) lehnte dieses Ansuchen mit Schreiben vom 12.September und 13.Dezember 1977 ab. Nach erfolgloser Beschwerde erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, unter Aufhebung der genannten Bescheide in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 18.April 1978 das HZA zu verpflichten, "im Billigkeitswege eine Steuer von 80 DM/hl W auf 13 278 hl W, zusammen 1 062 240 DM, für den Rohbrand aus dem Tanklager nach dem Stichtag vom 22.Februar 1976 zur Erstattung festzusetzen", hilfsweise, unter Aufhebung der genannten Bescheide das HZA zu verpflichten, erneut ermessensfehlerfrei über ihren Erstattungsantrag zu entscheiden. Auf Ersuchen des Finanzgerichts (FG) erließ der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Vorabentscheidung vom 29.April 1982 Rs.17/81 (EuGHE 1982, 1331). Das FG gab daraufhin der Klage statt (Urteil vom 10.August 1982 IV 81/78 N, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 136).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht zu.
1. Die Klägerin beantragt, das HZA zu verpflichten, "im Billigkeitswege eine Steuer von 80 DM/hl W ... zur Erstattung festzusetzen". Dieser Antrag hat nicht die Erstattung von der Klägerin tatsächlich bezahlter Branntweinabgaben zum Ziel. Denn der im Tanklager der Klägerin zu dem im Antrag genannten Stichtag lagernde Rohbrand war bei seiner Einlagerung lediglich einer Monopolausgleichsspitze in Höhe von 16,05 DM/hl W unterworfen worden, die nach den Feststellungen des FG das HZA später der Klägerin erstattet hat. Sonstige Abgaben waren für den Rohbrand am Stichtag noch nicht festgesetzt gewesen.
Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin auch nicht die teilweise Erstattung jener Abgaben, die bei der Überführung des Rohbrands in den freien Verkehr noch zu zahlen sind oder gezahlt wurden. Sie beantragt vielmehr, die "Erstattung" für den Rohbrand "aus dem Tanklager nach dem Stichtag vom 22.02.1976". Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin auch keinen Einspruch gegen die im Zeitpunkt der Auslagerung ergangenen Steuerfestsetzungen eingelegt; diese sind bestandskräftig geworden.
Die von der Klägerin begehrte "Erstattung" zielt also nicht darauf ab, die Verwaltung zum Erlaß eines Bescheides zu verpflichten, in dem diese die Erstattung zuvor gezahlter Steuern vorsieht. Die Klägerin behauptet nicht, Abgaben bezahlt zu haben, die in dieser Weise erstattungsfähig sind. Sie begehrt vielmehr, wie auch ihre Klagebegründung belegt, daß das HZA ihr für ihre Lagerware die "Vergütung" gewährt, die aufgrund der Erlaßregelung Inhabern von Branntweineigenlagern für am Stichtag auf dem Lager befindlichen Monopolsprit zusteht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die so zu wertende Klage eine Klage ist, durch die die Verwaltung zum Erlaß eines bestimmten Verwaltungsaktes verpflichtet werden soll (Verpflichtungsklage), oder ob es sich nicht vielmehr --da möglicherweise das HZA nicht befugt ist, die von der Klägerin begehrte "Vergütung" durch Verwaltungsakt festzusetzen-- um eine sonstige Leistungsklage im Sinne des § 40 Abs.1 FGO handelt. Jedenfalls kann eine Verpflichtungs- oder Leistungsklage des begehrten Inhalts nicht zum Erfolg führen, da weder das innerstaatliche noch das Gemeinschaftsrecht eine Rechtsnorm enthält, aus der sich der behauptete Rechtsanspruch ableiten ließe.
2. Als einschlägige Rechtsnorm des nationalen Rechts kommt in erster Linie § 227 Abs.1 der Abgabenordnung (AO 1977) in Frage. Danach können Beträge, die aufgrund von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis entrichtet worden sind, erstattet werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Diese Voraussetzungen liegen nach der unter Nr.1 geschilderten Rechtsnatur des Klagebegehrens nicht vor. Die Klägerin beantragt nicht die Erstattung von ihr entrichteter Steuerbeträge. Für den in ihrem Tanklager am Stichtag gelagerten Rohbrand waren von ihr Steuerbeträge noch nicht gefordert und daher auch noch nicht entrichtet worden (wenn man von der --ihr bereits erstatteten-- Monopolausgleichsspitze absieht). § 227 Abs.1 AO 1977 scheidet daher als Rechtsgrundlage aus. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in Betracht; dafür fehlen alle Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen einer ausfüllungsbedürftigen Gesetzeslücke.
Andere Rechtsnormen des nationalen Rechts, aus denen sich der von der Klägerin geltend gemachte Rechtsanspruch entnehmen ließe, sind nicht ersichtlich. Das gilt auch dann, wenn die Erlaßregelung als eine Subventionsgewährung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.November 1980 VII R 17/78, BFHE 132, 159, BStBl II 1981, 204) oder als eine Zusage der Verwaltung (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., Vor § 204 AO 1977 Anm.6 ff.) zu werten wäre. Als Anspruchsgrundlagen kämen die sich aus Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) ergebende Selbstbindung der Verwaltung oder der Grundsatz von Treu und Glauben in Betracht. Eine Selbstbindung der Verwaltung ist aber hier nicht eingetreten und die von der Klägerin behauptete Zusage ist nicht erteilt worden. Die Erlaßregelung sah nämlich für den Fall der Klägerin eine Vergütung gerade nicht vor. Die Erlaßregelung gewährte Vergütungen nur für Branntweinbestände in Branntweineigenlägern und Zollagern. Das Tanklager der Klägerin ist dagegen, wie sich den Feststellungen des FG entnehmen läßt, ein auf einem BMF-Erlaß beruhendes Lager eigener Art, das nicht die spezifischen Eigenschaften eines Branntweineigenlagers (vgl. § 91 des Gesetzes über das Branntweinmonopol --BranntwMonG--, §§ 40 ff. der Branntweinverwertungsordnung --VwO--) oder eines Zollagers (§§ 42 ff. des Zollgesetzes --ZG--) besitzt. Einen Rechtsanspruch aber auf Gewährung einer in der Erlaßregelung nicht vorgesehenen Vergütung in entsprechender Anwendung dieser Regelung vermitteln weder Art.3 Abs.1 GG noch der Grundsatz von Treu und Glauben.
3. Auch im Gemeinschaftsrecht findet sich keine Rechtsnorm, aus der sich der von der Klägerin geltend gemachte Rechtsanspruch entnehmen ließe. In Frage kommt allein Art.95 EWGV. Aus dieser Vorschrift ergibt sich jedoch keine Rechtspflicht des HZA, der Klägerin die beanspruchte "Vergütung" zu zahlen bzw. einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen.
a) Art.95 EWGV enthält nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein Diskriminierungsverbot, das eine eindeutige und uneingeschränkte Verpflichtung umfaßt, die weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit einer Maßnahme der Organe der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten bedarf. Dieses Verbot erzeugt daher unmittelbare Wirkungen und begründet individuelle Rechte der einzelnen, die die innerstaatlichen Gerichte zu schützen haben. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, sich an die Beschränkung zu halten und von der Anwendung aller gegebenenfalls entgegenstehenden Bestimmungen oder Maßnahmen ihres innerstaatlichen Rechts abzusehen (EuGH- Urteil vom 5.Mai 1982 Rs.15/81, EuGHE 1982, 1409, 1435).
Aus dem so zu verstehenden Art.95 EWGV im Zusammenspiel mit dem einschlägigen nationalen Recht lassen sich für bestimmte Fälle Rechtsnormen gewinnen, aus denen sich ergibt, daß nicht der im nationalen Recht ausdrücklich vorgesehene, sondern ein niedrigerer Steuersatz oder gar eine Steuerfreiheit Rechtens ist (ständige Rechtsprechung des EuGH und des erkennenden Senats; vgl. z.B. zuerst im Urteil des Senats vom 11.Juli 1968 VII 156/65, BFHE 92, 405). Auch kann sich aus Art.95 EWGV ergeben, daß eine in Verletzung des Diskriminierungsverbots dieser Vorschrift erhobene Steuer in Anwendung nationaler Vorschriften zu erstatten ist (vgl. v.d.Groeben/v.Boeckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3.Aufl., Art.95 Anm.19; Grabitz, Kommentar zum EWG-Vertrag, Art.95 Anm.74). Schließlich folgt aus Art.95 in Verbindung mit dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Unanwendbarkeit einer seinem Diskriminierungsverbot entgegenstehenden nationalen Regelung.
Ansprüche der von der Klägerin geltend gemachten Art vermag Art.95 EWGV dagegen nicht zu vermitteln. Die Vorschrift statuiert ein steuerliches Diskriminierungsverbot, nicht aber eine Schadensersatzpflicht eines Mitgliedstaates gegenüber einer Person, die durch eine gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende Maßnahme benachteiligt worden ist. Sie sieht auch keinen Folgenbeseitigungsanspruch vor, wonach etwa demjenigen, der Waren aus Mitgliedstaaten einführt, bei seinen Steuerzahlungen Vorteile gutgebracht werden müßten, die seinen Konkurrenten aufgrund von gegen das Diskriminierungsverbot verstoßenden Maßnahmen zugute kommen (vgl. z.B. Urteile des erkennenden Senats vom 18.Oktober 1983 VII R 24/82, BFHE 139, 476, 481, und vom 3.April 1984 VII R 63/81, BFHE 141, 86, 88). Art.95 EWGV schafft keine Rechtsgrundlage für eine nach deutschem Recht nicht vorgesehene besondere Art der Konkurrentenklage; der EWGV wollte nicht für Außenstehende, die durch die Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts Nachteile erleiden, zusätzlich zu den Rechtsbehelfen nach nationalem Recht neue Klagemöglichkeiten zur Wahrung des Gemeinschaftsrechts vor den nationalen Gerichten schaffen (EuGH-Urteil vom 7.Juli 1981 Rs.158/80, EuGHE 1981, 1805, 1838). Nach dem insoweit völlig eindeutigen Wortlaut des Art.95 EWGV hat die Klägerin daher keinen Rechtsanspruch darauf, "Vergütungen" zu erhalten, die etwa unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot anderen Personen, nicht aber auch ihr, zugestanden worden sind.
Dieser Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, Art.95 EWGV in dieser Auslegung erweise sich dann als eine lex imperfecta. Daß das nicht zutrifft, belegt die Rechtsprechung des EuGH und des Senats zur Frage der Vereinbarkeit der nationalen Branntweinbesteuerung mit dem Diskriminierungsverbot des Art.95 EWGV. Überdies bleibt der Kommission ihr Recht unbenommen, gegen die etwa gegen das Diskriminierungsverbot des Art.95 EWGV verstoßende Erlaßregelung unter Ausnutzung ihrer Befugnisse nach Art.169 EWGV vorzugehen.
b) Aus der Vorabentscheidung des EuGH im vorliegenden Fall (EuGHE 1982, 1331) ergibt sich nichts anderes.
Nach dem Tenor dieses Urteils kann sich ein Einführer von Branntweinen aus Mitgliedstaaten oder Griechenland "gegenüber der Anwendung nationaler Maßnahmen zur Entlastung von Branntweinabgaben" auf Art.95 EWGV berufen, falls die Maßnahmen diskriminierend sind. Die Klägerin könnte danach also im Falle des Vorliegens einer steuerlichen Diskriminierung in einem Prozeß, in dem es um die Anwendung der Erlaßregelung ginge, deren Rechtswidrigkeit bzw. Unanwendbarkeit geltend machen. Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch nicht um diese Frage. Diese hätte die Klägerin allenfalls im Rahmen einer sog. steuerlichen Konkurrentenklage --über deren Zulässigkeit allein das nationale Recht Aufschluß gibt (vgl. auch Beschluß des Senats vom 18.September 1984 VII R 50-51/82, BFHE 142, 20, BStBl II 1985, 12)-- zum Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens machen können. Im vorliegenden Verfahren geht es dagegen allein um die --vom EuGH in der Vorabentscheidung nicht behandelte-- Frage, ob die Klägerin als Inhaberin eines Tanklagers für ihre am Stichtag darin gelagerten Waren eine "Vergütung" beanspruchen kann, wie sie Inhabern von Branntweineigenlagern für eingelagerten Monopolsprit nach der Erlaßregelung zustand.
Die Richtigkeit dieser Auffassung belegt die Begründung der Vorabentscheidung. Nach ihrem Absatz 17 ist der EuGH davon ausgegangen, daß das FG die Frage gestellt hat, ob die Erlaßregelung am Maßstab des Art.95 EWGV zu messen ist. Nur mit dieser Frage hat sich infolgedessen die Vorabentscheidung auseinandergesetzt. Der EuGH hat entschieden, daß falls "unterschiedliche Steuerbelastungen von eingeführten Branntweinen einerseits und inländischen Monopolbranntweinen andererseits um denselben Betrag verringert" werden, "sich die steuerliche Benachteiligung der eingeführten Branntweine fort(setzt) und die erwähnte Diskriminierung ... bestehen" bleibt (Absatz 21 der Gründe). Daraus ergibt sich zwar, daß nach Auffassung des EuGH die Erlaßregelung unter der Voraussetzung, daß sie als steuerliche Entlastungsregelung anzusehen ist, mit Art.95 EWGV unvereinbar ist. Daß diese Unvereinbarkeit aber nach Gemeinschaftsrecht einen Rechtsanspruch der Klägerin auf Auszahlung der in der Erlaßregelung etwa unter Verstoß gegen Art.95 EWGV für sie nicht vorgesehenen "Vergütung" oder auf entsprechenden Schadensersatz zur Folge habe, hat der EuGH nicht entschieden. Nichts in der Vorabentscheidung läßt darauf schließen, der EuGH habe eine solche Entscheidung treffen und einen solchen Rechtsanspruch bejahen wollen.
c) Einer näheren Prüfung halten auch die Gründe nicht stand, auf die sich das FG in der Vorentscheidung gestützt hat.
Das FG hat ausgeführt (Seite 10 der Vorentscheidung), der EuGH habe in seiner Vorabentscheidung bindend festgestellt, daß nach Gemeinschaftsrecht die Steuerbelastung des eingeführten Branntweins um denselben Betrag verringert werden müsse, um den die Steuerbelastung des inländischen Monopolbranntweins verringert worden sei. Auch wenn man die Richtigkeit dieser Auffassung unterstellt, folgt daraus noch nicht, daß die Klage Erfolg haben muß. Denn bei der Klage geht es --wie unter Nr.1 ausgeführt-- nicht um die Verringerung der (erst bei der Auslagerung entstandenen) Steuerbelastung der Ware im Tanklager der Klägerin, sondern um die Gewährung einer "Vergütung" für die noch nicht versteuerte Lagerware. Falls nach der Vorabentscheidung von einem Rechtsanspruch der Klägerin auf Verminderung der für die streitbefangene Ware bei ihrer Auslagerung zu erhebenden Branntweinsteuer ausgegangen werden müßte, hätte das allenfalls in einer Anfechtungsklage gegen die entsprechenden Steuerbescheide eine Rolle spielen können. Diese sind jedoch bestandskräftig geworden und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Überdies hätte auch einer solchen Klage der Erfolg versagt werden müssen; denn die Branntweinsteuererhebung aufgrund des Änderungsgesetzes vom 2.Mai 1976 verstieß nicht gegen Gemeinschaftsrecht (vgl. BFHE 139, 476, 481) und von der danach rechtens geschuldeten Branntweinsteuer können nicht nach einer Art "Nettoprinzip" Abzüge im Hinblick auf unrechtmäßige Vorteile anderer gemacht werden (vgl. BFHE 139, 476, 481, und BFHE 141, 86, 88).
Das FG führte aus (Seite 10 der Vorentscheidung), die Klägerin könne eine steuerliche Entlastung nach Art einer Billigkeitsmaßnahme beanspruchen, da die Verwaltung die Erlaßregelung nicht im Steuerfestsetzungsverfahren abgewickelt habe, sondern nach Art eines Billigkeitsverfahrens durch Verrechnung mit später zu entrichtenden Steuern. Das FG hat diese Auffassung aber nicht weiter begründet. Sie findet, wie oben ausgeführt, in Art.95 EWGV in der Auslegung der Vorabentscheidung keine Stütze. Nach seinem insoweit klaren Wortlaut und nach seinem Sinn und Zweck in der Auslegung, die Art.95 EWGV in zahlreichen Urteilen des EuGH erfahren hat, vermittelt diese Vorschrift keinen Anspruch auf Zahlungen, die von einer konkreten Steuerfestsetzung unabhängig sind.
4. Da schon aus den genannten Gründen die Klage keinen Erfolg haben kann, bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob die Erlaßregelung deswegen nicht gegen Art.95 EWGV verstößt, weil nach Gemeinschaftsrecht der nationale Gesetzgeber zu den in dieser Regelung getroffenen Differenzierungen berechtigt war (vgl. z.B. Urteile des Senats vom 18.Oktober 1983 VII R 26/77 und VII R 26/78, BFHE 139, 461 und 466, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH). Auch die anderen vom HZA und BMF aufgeworfenen Rechtsfragen bedürfen keiner Entscheidung.
Fundstellen
Haufe-Index 61083 |
BFHE 144, 494 |
BFHE 1986, 494 |
DStR 1986, 131-131 (S) |
HFR 1986, 163-163 (S) |