Leitsatz (amtlich)
Die Partner einer für nichtig erklärten Ehe fallen in entsprechender Anwendung des § 15 Abs.1 (Steuerklasse III Nr.8) ErbStG 1974 in die Steuerklasse III.
Normenkette
ErbStG 1974 § 15 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin war von 1947 bis 1955 mit dem späteren Erblasser verheiratet. Auf Antrag des Oberstaatsanwalts beim Landgericht ist diese Ehe wegen Verstoßes gegen das Verbot der Doppelehe durch Urteil des Landgerichts vom 30.Juni 1955 für nichtig erklärt worden. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich, daß der spätere Erblasser gutgläubig war, als er die zweite Ehe schloß. Er habe davon überzeugt sein dürfen, daß seine erste Ehefrau während des Krieges umgekommen sei. Die Klägerin habe ebenfalls nicht gewußt, daß der Erblasser noch verheiratet gewesen sei.
Der Erblasser ist 1976 verstorben und aufgrund letztwilliger Verfügung von der Klägerin zur Hälfte beerbt worden.
Das beklagte Finanzamt (FA) hat die Erbschaftsteuer für den Erwerb der Klägerin nach Steuerklasse IV zur Erbschaftsteuer herangezogen. Die Klägerin hat die Anwendung der Steuerklasse III begehrt. Die für geschiedene Ehegatten geltende Vorschrift des § 15 Abs.1 (Steuerklasse III Nr.8) des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) sei auf sie entsprechend anwendbar. Der Einspruch führte zu einer geringfügigen Herabsetzung der Erbschaftsteuer.
Die Klage ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe
Die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie weiterhin die Anwendung der Steuerklasse III begehrt, ist begründet.
Nach § 15 Abs.1 (Steuerklasse III Nr.8, seit 1980: Nr.7) ErbStG 1974 fällt der geschiedene Ehegatte als Erwerber in die Steuerklasse III. Die Partner einer für nichtig erklärten Ehe sind nicht erwähnt. Dieser Fall ist aber bei Zugrundelegung des erkennbaren Zwecks der Vorschrift dem geregelten Fall der geschiedenen Ehe rechtsähnlich, so daß die Vorschrift entsprechend anzuwenden ist.
Der Zweck der Vorschrift kann nur darin gesehen werden, den geschiedenen Ehegatten bei einer der Erbschaftsteuer unterliegenden Zuwendung seitens seines früheren Ehegatten deshalb zu begünstigen, weil früher aufgrund der Ehe enge persönliche Beziehungen bestanden haben, die auch eine Scheidung überdauern können. Daß der Gesetzgeber von anderen Vorstellungen ausgegangen sein könnte, läßt sich den Materialien, die keine näheren Hinweise zu dieser Vorschrift enthalten, nicht entnehmen (vgl. BTDrucks VI/3418 S.69 zu § 15).
Der erkennbare Zweck der Vorschrift erfordert ihre Anwendung auf den in dieser Beziehung rechtsähnlichen Fall der für nichtig erklärten Ehe. Denn auch die nichtige (richtiger: vernichtbare) Ehe ist zunächst voll wirksam und kann deshalb ebenso Grundlage für die Entwicklung persönlicher Beziehungen sein, die die Nichtigerklärung der Ehe ebenfalls überdauern können.
Die rechtlichen Unterschiede zwischen der für nichtig erklärten Ehe und der geschiedenen Ehe sind hinsichtlich der erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigung der fortdauernden persönlichen Beziehungen nicht so erheblich, daß eine unterschiedliche Behandlung beider Fälle vertretbar wäre. Zwar wird die nichtige Ehe im Grundsatz mit Rückwirkung vernichtet. In allen wesentlichen Beziehungen aber ergeben sich nur Rechtsfolgen für die Zukunft, so daß gefragt worden ist, ob unter diesen Umständen die Bezeichnung "Nichtigkeit" überhaupt angebracht ist (vgl. Beitzke, Familienrecht, 24.Aufl., S.60).
Die unbestreitbare Tatsache, daß die nichtige Ehe von vornherein mit einem Makel behaftet ist, hält der Senat nicht für so erheblich, daß eine abweichende Behandlung bei der Einstufung in die Steuerklassen gerechtfertigt wäre. Wie der vorliegende Fall zeigt, sind überdies die Fälle nicht selten, in denen die Partner der später für nichtig erklärten Ehe den Nichtigkeitsgrund nicht kennen. Es wäre nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, sie gleichwohl in die Steuerklasse IV einzuordnen.
Aus den Materialien ergeben sich im übrigen keinerlei Hinweise, daß der Gesetzgeber die Frage einer Vergünstigung für die Partner einer für nichtig erklärten Ehe (und einer aufgehobenen Ehe) gesehen und verneint haben könnte. Angesichts der sonstigen Gleichbehandlung der verschiedenen Fälle im Steuerrecht (vgl. z.B. § 10 Nr.2 des Steueranpassungsgesetzes, und jetzt § 15 Abs.1 Nr.2, Abs.2 Nr.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) wäre eine ausdrückliche Begründung für eine beabsichtigte Beschränkung der Regelung auf die Partner einer geschiedenen Ehe zu erwarten gewesen.
Es bleibt nach allem nur der Schluß möglich, daß eine Gesetzeslücke vorliegt, die der Senat durch entsprechende Anwendung der Vorschrift zu schließen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 61203 |
BStBl II 1987, 174 |
BFHE 148, 322 |
BFHE 1987, 322 |
DB 1987, 466-467 (ST) |
DStR 1987, 199-200 (ST) |
HFR 1987, 192-192 (ST) |