Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Eingangsabgaben nach Art. 1 Abs. 2, 3. Unterabs. der VO --EWG-- Nr. 3040/83
Leitsatz (amtlich)
Eine ordnungsgemäße Anmeldung i.S. von Art.1 Abs.2, 3.Unterabs. der Verordnung (EWG) Nr.3040/83 der Kommission liegt nur dann vor, wenn auch die Tarifstelle des GZT oder die Codenummer des DGebrZT zutreffend angegeben und das ggf. beigefügte Ursprungszeugnis in der Anmeldung bezeichnet worden ist.
Orientierungssatz
Ein Irrtum der zuständigen Behörde i.S. des Art. 1 Abs. 2, 3. Unterabs. VO (EWG) Nr. 3040/83 kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Ausnahmeregelung zum Schutz des Beteiligten bei unrichtiger Rechtsanwendung durch die Behörden nur vorliegen, wenn die Behörde sich aktiv geirrt hat. Ein Irrtum i.S. der Vorschrift liegt aber nicht vor, wenn die Behörde nur einem solchen unterlegen ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.7.1991 VII R 117/89; Literatur).
Normenkette
AZO § 20 Abs. 1; ZG § 12 Abs. 1; EWGV 3040/83 Art. 1 Abs. 2UAbs. 3; EWGRL 57/82 Art. 2
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 23.05.1989; Aktenzeichen IV 218/86 H) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für im Februar 1985 aus Malaysia eingeführte Ananaskonserven der Unterschiedsbetrag an Zoll zu erstatten ist, der sich daraus ergibt, daß der Abgabenberechnung für die Klägerin der Regelzollsatz von 24 % statt des Kontingentzollsatzes von 15 % zugrunde gelegt wurde.
Die Klägerin führte im Februar 1985 u.a. in mehreren Partien Ananasscheiben in Dosen aus Malaysia ein und ließ die Ware zum freien Verkehr abfertigen.
Die Klägerin nimmt am Sammelzollverfahren teil. Abrechnungszollstelle für das Sammelzollverfahren ist der Beklagte und Revisionsbeklagte --das Hauptzollamt (HZA)-- (§ 20a Abs.2 der Allgemeinen Zollordnung --AZO--). Für die von ihr eingeführten Ananaskonserven gab die Klägerin sowohl in den vereinfachten Zollanmeldungen als auch in der Sammelzollanmeldung für den Einfuhrmonat Februar 1985 jeweils die Codenummer 2006 670 90 des Deutschen Gebrauchszolltarifs (DGebrZT) an und ließ die für Präferenzen vorgesehenen Felder leer. Die Klägerin hatte ihrer Sammelzollanmeldung jedoch zwei von den malaysischen Behörden ausgefertigte Ursprungszeugnisse beigefügt, die zum Zollbeleg genommen worden sind.
Das HZA beließ die Ananaskonserven bei der angemeldeten Codenummer 2006 670 90 und berechnete den Zoll nach dem für Waren aus Drittländern vorgesehenen Regelzollsatz von 24 %. Für Waren der genannten Codenummer aus dem Ursprungsland Malaysia war in den Spalten 9 - 13 DGebrZT kein besonderer Zollsatz vorgesehen. Den auf der Grundlage des Regelzollsatzes von 24 % berechneten Zoll für die betroffenen Sendungen forderte das HZA mit Steuerbescheid vom 13.März 1985 von der Klägerin an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 30.September 1985 ließ die Klägerin dem HZA u.a. mitteilen, daß die betreffenden, in der Sammelzollanmeldung angemeldeten Waren versehentlich mit der Codenummer 2006 670 90 angemeldet worden seien. Die Ware sei aber der Codenummer 2006 670 20 zuzuweisen und auf das bei der Registrierung der Sammelzollanmeldung noch nicht erschöpfte Windhundkontingent anzurechnen. Es müsse statt des Zollsatzes von 24 % der Kontingentzollsatz von 15 % zur Anwendung kommen. Nachdem eine Rückfrage des HZA an die Zentralstelle Zollkontingente ergeben hatte, daß das Zollkontingent für Ananasscheiben am 2.Oktober 1985 (Eingangsdatum des Erstattungsantrages der Klägerin beim HZA) bereits erschöpft war (das Windhundkontingent war am 4.April 1985 erloschen), lehnte das HZA eine nachträgliche Anrechnung der Waren auf das Windhundkontingent sowie eine entsprechende Erstattung ab.
Der Einspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Verwaltungsakt und die Klage gegen den Einspruchsbescheid des HZA blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 30 auszugsweise veröffentlicht.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für eine Erstattung des Unterschiedsbetrages an Zoll, der sich daraus ergibt, daß der Abgabenerhebung bei der Klägerin der Regelzollsatz von 24 % statt des Kontingentzollsatzes von 15 % zugrunde gelegt wurde, liegen nicht vor.
Zwar können nach Art.2 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.1430/79 (VO Nr.1430/79) des Rates vom 2.Juli 1979 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 175/1) die Eingangsabgaben insoweit erstattet werden, als der buchmäßig erfaßte Betrag die gesetzlich zu erhebenden Abgaben aus irgendeinem Grunde übersteigt. Art.1 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.3040/83 (VO Nr.3040/83) der Kommission vom 28.Oktober 1983 zur Durchführung der Art.2 und 14 der Verordnung (EWG) Nr.1430/79 des Rates über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABlEG L 297/13) regelt, was im einzelnen unter dem Begriff "gesetzliche Abgaben" zu verstehen ist. Wenn der Erstattungsantrag aber --wie hier-- erst nach Erschöpfung des Zollkontingents gestellt wird, ist eine Erstattung nur unter den in Art.1 Abs.2, 3.Unterabs. der VO Nr.3040/83 genannten Voraussetzungen möglich. Danach wird für eine Erstattung der Abgaben nach Art.2 Abs.1 der VO Nr.1430/79 nämlich zweierlei verlangt:
a) eine Anmeldung zum Zeitpunkt der Überführung der Ware in den freien Verkehr, in der alle für die Anwendung des ermäßigten Zollsatzes erforderlichen Angaben ordnungsgemäß gemacht und die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden waren und
b) ein Irrtum der zuständigen Behörden, auf Grund dessen der ermäßigte Zollsatz auf die Waren nicht angewandt worden ist.
Das unter a) genannte Tatbestandsmerkmal stellt auf die tatsächlich abgegebene Anmeldung ab. Nur wenn diese den an sie gestellten Anforderungen entspricht, kommt im Fall des Art.1 Abs.2, 3.Unterabs. VO Nr.3040/83 eine Erstattung von Abgaben in Betracht. Dies ist für die Ausnahmesituation, die diese Vorschrift regelt, --nämlich, daß das Kontingent im Zeitpunkt der Stellung des Erstattungsantrages schon erschöpft ist,-- auch zweckgerecht. Eine Voraussetzung für die Erstattung ist danach, daß die Klägerin alles von ihr für die Anwendung des ermäßigten Zollsatzes Geforderte getan hat. Die Klägerin hätte also nicht nur die geforderten Unterlagen bereits im Zeitpunkt der Abfertigung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr vorlegen, sondern auch alle für die Anwendung des ermäßigten Zollsatzes notwendigen Angaben zutreffend machen müssen. Dazu gehört nach § 12 Abs.1 des Zollgesetzes (ZG) i.V.m. § 20 Abs.1 AZO (vgl. auch Art.2 der Richtlinie 82/57/EWG der Kommission vom 17.Dezember 1981, ABlEG 1982 L 28/38) nicht nur die genaue Warenbeschreibung, sondern u.a. auch die Angabe der zutreffenden Tarifstelle des Zolltarifs und der Hinweis auf das beigefügte Ursprungszeugnis auf dem nach § 20 Abs.3 AZO vorgeschriebenen Vordruck. Nach § 20 Abs.1 AZO kann statt der Tarifstelle die Codenummer des DGebrZT angegeben werden. Diesen Anforderungen hat die Klägerin im Hinblick auf die Anwendung des Kontingentzollsatzes nicht genügt, weil sie statt der auf den Kontingentzollsatz zutreffenden Codenummer die für den Regelzollsatz zutreffende Codenummer in die Zollanmeldungen eingetragen hat. Die kommentarlose Beifügung des Ursprungszeugnisses kann die Angabe der zutreffenden Codenummer nicht ersetzen. Das Ursprungszeugnis kann nur dazu dienen, nachzuweisen, daß die Voraussetzungen einer in der Anmeldung gemachten Angabe vorliegen. Da diese Angabe aber zuvor so gemacht worden ist, daß das Ursprungszeugnis ohne Belang ist, braucht es nicht weiter beachtet zu werden, zumal in der Anmeldung darauf kein Bezug genommen wird.
Dies Ergebnis weicht nicht von der Rechtsprechung des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 5.April 1977 VII R 12/74 (BFHE 122, 197, 199) ab. In diesem Urteil war nur zu entscheiden, ob für die Gewährung einer Präferenz ein entsprechender Antrag des Beteiligten erforderlich war, nicht aber, ob die Anmeldung auch die zutreffende Codenummer enthalten muß. Letztere Frage ist nach § 12 Abs.1 ZG i.V.m. § 20 Abs.1 Satz 3 AZO eindeutig zu bejahen (vgl. Lux in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, C II Rdnr.15).
Damit ist schon die erste für die Erstattung nach Art.1 Abs.2, 3.Unterabs. der VO Nr.3040/83 geforderte Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Anmeldung im Zeitpunkt der Abfertigung der zum zollrechtlich freien Verkehr abgefertigten Waren nicht erfüllt.
Wenn im übrigen eine ordnungsgemäße Anmeldung vorläge, müßte berücksichtigt werden, daß die Nichtanwendung des ermäßigten Zollsatzes nicht auf einen Irrtum der zuständigen Behörde zurückzuführen ist. Ein solcher kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Ausnahmeregelung zum Schutz des Beteiligten bei unrichtiger Rechtsanwendung durch die Behörden nur vorliegen, wenn die Behörde sich aktiv geirrt hat. Ein Irrtum im Sinne der Vorschrift liegt aber nicht vor, wenn die Behörde nur einem solchen unterlegen ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15.Juli 1991 VII R 117/89, nicht veröffentlicht; Worms in Bail/Schädel/ Hutter, a.a.O., F IX 4/1-3 Rdnr.2). Im vorliegenden Fall ist das HZA der unrichtigen Tarifierung der Klägerin nur gefolgt, ohne aktiv auf die Entscheidung darüber Einfluß genommen zu haben, ob für die Ware der ermäßigte Zollsatz anwendbar ist oder nicht. Deshalb wäre auch die zweite Voraussetzung des Art.1 Abs.2, 3.Unterabs. der VO Nr.3040/83 für die Erstattung der zuviel entrichteten Abgaben nicht erfüllt.
Der Senat hält es nicht für erforderlich, in dieser Sache eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Art.177 Abs.3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einzuholen, weil sich keine vernünftige Zweifelsfrage hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Gemeinschaftsvorschriften in dem Sinne ergibt, daß mehrere Auslegungsmöglichkeiten denkbar wären (Senatsurteil vom 22. Oktober 1975 VII R 105/73, BFHE 117, 313; EuGH-Urteil vom 6.Oktober 1982 Rs.283/81, EuGHE 1982, 3415, und Senatsurteil vom 23.Oktober 1985 VII R 107/81, BFHE 145, 266).
Fundstellen
Haufe-Index 63723 |
BFH/NV 1992, 18 |
BFHE 166, 199 |
BFHE 1992, 199 |
BB 1992, 265 (L) |
HFR 1992, 256 (LT) |
StE 1992, 68 (K) |