Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansatz der Kostenmiete für ein denkmalgeschütztes Gebäude - Zulassung der Revision durch FG für BFH bindend
Leitsatz (amtlich)
Als Rohmietwert der Wohnung in einem eigenen Zweifamilienhaus ist die Kostenmiete anzusetzen, wenn diese Wohnung, in die Teile eines unter Denkmalschutz stehenden historischen Gebäudes einbezogen sind, besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet ist (Anschluß an das BFH-Urteil vom 22.Oktober 1993 IX R 35/92).
Orientierungssatz
Die Zulassung der Revision durch das FG ist für den BFH bindend, es sei denn, sie ist offensichtlich gesetzwidrig.
Normenkette
EStG 1987 § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahre 1985 ein unter Denkmalschutz stehendes Einfamilienhaus auf einem 1 063 qm großen Grundstück. Im Jahre 1986 baute er dieses Haus, einen ursprünglich im 16.Jahrhundert aus Natursteinen errichteten Wehrspeicher, in ein Zweifamilienhaus um (Herstellungskosten: 1 016 968 DM). Die vom Kläger bezogene Hauptwohnung umfaßt eine Wohnfläche von etwa 215 qm. Die Einliegerwohnung (rd. 32 qm Wohnfläche) befindet sich auf dem freistehenden Garagengebäude.
Für 1987 erklärte der Kläger als Einnahmen aus dem Grundstück die Miete für die Einliegerwohnung in Höhe von 4 080 DM sowie einen Mietwert für die selbstgenutzte Wohnung (einschließlich zwei Garagen) von 20 640 DM. Als Werbungskosten machte er einen Betrag von 209 935 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte als Rohmietwert der selbstgenutzten Wohnung 84,11 v.H. von 6 v.H. der Herstellungskosten zuzüglich der Anschaffungskosten des Grund und Bodens (196 944 DM), also 61 261 DM, an und zog hiervon lediglich Werbungskosten von 115 750 DM ab. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA bei der Berechnung der Kostenmiete den Aufwand für baustatisch notwendige Sanierungsarbeiten am Baudenkmal in Höhe von 40 072 DM außer Betracht ließ und Werbungskosten von 131 498 DM berücksichtigte (Werbungskostenüberschuß nunmehr 67 579 DM).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens insoweit statt, als es den Einkommensteuerbescheid für 1987 vom 14.Mai 1991 teilweise aufhob und die Berechnung der Einkommensteuer nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe dem FA übertrug. Es führte aus, die eigengenutzte Wohnung weise zwar einen besonderen Wohnwert auf. Die vom Sachverständigen ermittelte Marktmiete spiegele diesen Wohnwert aber angemessen wider und sei deshalb als Einnahme anzusetzen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 8 Abs.2 und § 21 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die ordnungsgemäße Sachverhaltsermittlung.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abweisen.
Das FA erließ während des Revisionsverfahrens geänderte Einkommensteuerbescheide für 1987 vom 16.März 1992 und 13.November 1992. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Grundstück des Klägers blieben unverändert.
Der Kläger beantragt, diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und die Revision zurückzuweisen. Er führt aus: Die Revision sei schon deshalb unzulässig, weil das FG sie zu Unrecht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen habe. Die Angriffe des FA gegen die Vorentscheidung seien unbegründet. Das FG habe aufgrund des in vollem Umfang verwertbaren Sachverständigengutachtens zu Recht festgestellt, daß für die selbstgenutzte Wohnung eine Marktmiete bestehe und den Wohnwert angemessen widerspiegele.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 13.November 1992 (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO), der auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens geworden ist (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO). Das FG hat den Ansatz der Kostenmiete zu Unrecht beanstandet.
1. Die Revision ist statthaft. Das FG hat sie zugelassen (§ 115 Abs.1, Abs.2 Nr.1 FGO, Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Dies ist für den Senat bindend. Der Ausnahmefall, daß die Zulassung offensichtlich gesetzwidrig ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., Anm.45 zu § 115 m.w.N.), liegt nicht vor.
2. Die Voraussetzungen für den Ansatz der Kostenmiete als Rohmietwert der vom Kläger selbstgenutzten Wohnung i.S. des § 21 Abs.2 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs.21 EStG sind erfüllt.
a) Wie der Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 22.Oktober 1993 IX R 35/92, (BFHE 174, 51) ausgeführt hat, ist als Rohmietwert der eigengenutzten Wohnung i.S. des § 21 Abs.2 EStG regelmäßig die Marktmiete, nur in bestimmten Fällen die Kostenmiete anzusetzen.
Der Rohmietwert ist grundsätzlich anhand der am Wohnungsmarkt für vergleichbare Objekte erzielbaren Miete, der sog. Marktmiete, zu bestimmen. Anzusetzen ist in sinngemäßer Anwendung des § 8 Abs.2 EStG die ortsübliche mittlere Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung.
Die ortsübliche mittlere Miete für vergleichbare Wohnungen kann nicht als Rohmietwert angesetzt werden, wenn es sich um ein besonders aufwendig gestaltetes oder ausgestattetes Haus handelt, das auf die persönlichen Wohnbedürfnisse des Eigentümers zugeschnitten ist. Derartige Objekte werden im allgemeinen nur zur Selbstnutzung, nicht zur Vermietung im ganzen errichtet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf die Gründe des Urteils IX R 35/92.
Wie der Senat in der Entscheidung IX R 35/92 ferner dargelegt hat, ist die Kostenmiete stets dann als Rohmietwert bei der Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus gemäß § 21 Abs.2 EStG anzusetzen, wenn zu dem Wohngrundstück eine Schwimmhalle gehört oder die privat genutzte Wohnfläche der eigengenutzten Wohnung mehr als 250 qm beträgt. Liegen diese beiden Voraussetzungen --wie im Streitfall-- nicht vor, dann kommt es entscheidend darauf an, ob bestimmte weitere im Urteil IX R 35/92 aufgeführte Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale gegeben sind. Wegen der Einzelheiten wird auch insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.
b) Zur Gestaltung und Ausstattung des Hauses des Klägers hat das FG durch Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten festgestellt (§ 118 Abs.2 FGO):
Der aus dem alten Wehrspeicher errichtete Hauptbaukörper umfaßt im Erdgeschoß ein "Studio" mit einem offenen Kamin in althergebrachter Anlage. Das Obergeschoß besteht aus einem Schlafraum mit Anrichte und Badezimmer mit Naturstein und Marmor. Hieran angebaut ist eine Wohnraumanlage mit einem Wohnraum von 27,91 qm Größe zuzüglich einer Kaminecke von 12,91 qm, einem Flur und einer Diele sowie einer Treppenanlage. Dieser Gebäudeteil, auf dem sich eine Dachterrasse befindet, stellt die Verbindung zum Küchenbau mit altem vorhandenen Teilmauerwerk her. Durch den Küchenbau erreicht man das Gartenzimmer mit einer Fläche von 42,24 qm. Auf diesem Gartenzimmer, das aus aus dem Hauptgebäude artgleichem Naturstein mauerwerk errichtet ist, befindet sich ein "Kuppel-Quadratus".
c) Danach war im Streitfall die Kostenmiete anzusetzen.
Die vom FG festgestellten Merkmale ergeben zusammengenommen eine außergewöhnliche, besonders aufwendige Gestaltung und Ausstattung, die sich nur aus den persönlichen Wohnbedürfnissen des Klägers erklären läßt und bei einer von vornherein beabsichtigten Vermietung der Hauptwohnung nicht gewählt werden würde.
Der Senat hat zudem bereits in mehreren Entscheidungen ausgeführt, bei unter Denkmalschutz stehenden historischen Gebäuden sei der Ansatz der Kostenmiete naheliegend (Urteile vom 29.März 1988 IX R 55/83, BFH/NV 1988, 636; vom 15.Januar 1991 IX R 21/89, BFH/NV 1991, 533; vom 19.November 1991 IX R 163/88, BFH/NV 1992, 303).
Entgegen der Ansicht des FG kommt es bei einer derartigen Sachlage nicht mehr darauf an, ob für die Wohnung eine Marktmiete festgestellt werden konnte und diese den Wohnwert angemessen widerspiegelt.
3. Gegen die Berechnung der Kostenmiete als solche erhebt der Kläger keine Einwendungen. Die Berechnung läßt keine Fehler zu seinen Lasten erkennen. Vielmehr würde die Berechnung nach der Zweiten Berechnungsverordnung (vgl. Senatsurteil vom 22.Oktober 1993 IX R 33/91) zu einem noch höheren Nutzungswert führen, der wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots nicht angesetzt werden darf.
4. Da das FG von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Klage abzuweisen.
5. Ob die Verfahrensrüge des FA begründet ist, braucht der Senat danach nicht mehr zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 64889 |
BFH/NV 1994, 62 |
BFHE 174, 216 |
BFHE 1995, 216 |
BB 1994, 1416 |
BB 1994, 1416 (L) |
DB 1994, 1550 (LT) |
DStZ 1994, 628-629 (KT) |
HFR 1994, 593-594 (KT) |
StE 1994, 415 (K) |
FR 1994, 510-511 (KT) |
Information StW 1994, 633-634 (KT) |