Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bringt ein Steuerpflichtiger bei Umwandlung seines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft (KG, OHG) das teilweise auch privat genutzte, bisher zu seinem Betriebsvermögen gehörige Grundstück nicht in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft ein und unterläßt er in Verkennung der steuerlichen Beurteilung die Aufnahme des Grundstücks in die Steuer-Eröffnungsbilanz der Gesellschaft, so liegt hierin noch nicht eine Entnahme des nicht betrieblich genutzten Grundstücksteils, soweit nicht andere Umstände für eine solche Entnahme sprechen. In der späteren Berichtigung der Steuer-Eröffnungsbilanz der Gesellschaft durch Aufnahme des ganzen Grundstücks liegt daher keine Rückgängigmachung einer Entnahme.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige betrieb bis zum 31. Dezember 1953 sein Gewerbe als Einzelunternehmen. Mit Wirkung vom 1. Januar 1954 wandelte er das Einzelunternehmen durch Aufnahme seiner Kinder in eine KG um und brachte das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens in die KG ein. Eine Ausnahme bildete nach § 4 des Gesellschaftsvertrages das in den Bilanzen des Einzelunternehmens geführte Grundstück, das eigenbetrieblichen Zwecken und Wohnzwecken des Steuerpflichtigen diente. In der Eröffnungsbilanz der KG zum 1. Januar 1954 war das Grundstück nicht enthalten.

Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1958 vertrat der Prüfer die Auffassung, daß der den betrieblichen Zwecken (zunächst des Einzelunternehmens, später der KG) dienende Teil des Grundstücks, den der Prüfer nach den Einheitswert-Akten mit 2/3 des Wertes ansetzte, als notwendiges Betriebsvermögen zu behandeln und demgemäß bei der KG eine Bilanzberichtigung durchzuführen sei. Hinsichtlich des den Wohnzwecken des Steuerpflichtigen dienenden Teils des Grundstücks (1/3 des Wertes) nahmen der Prüfer und das Finanzamt eine Entnahme durch den Steuerpflichtigen an, die sie mit 14.238 DM ansetzten. Einer "Rückgängigmachung" dieses Vorganges stimmte das Finanzamt - auch in der Einspruchsentscheidung - nicht zu.

Die Berufung des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das Finanzgericht stimmte der Rückgängigmachung der Entnahme zu, weil sie sich steuerlich noch nicht ausgewirkt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Als sich der Steuerpflichtige in § 4 des Gesellschaftsvertrages entschloß, von der Einbringung in die KG den zum Einzelunternehmen gehörenden Grundbesitz auszunehmen und der KG nur die Nutzung an dem Grundbesitz zu überlassen, erkannte er nicht, daß jedes Wirtschaftsgut, das dem Betrieb der Gesellschaft tatsächlich dient, steuerlich als ihr Betriebsvermögen auszuweisen ist, auch wenn es bürgerlich-rechtlich im Alleineigentum nur eines Gesellschafters steht. Wenn das Wirtschaftsgut im Gewerbebetrieb des Einzelunternehmens notwendiges Betriebsvermögen darstellt, so bleibt es notwendiges Betriebsvermögen auch im Betrieb der Gesellschaft (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 473/37 vom 29. September 1937, RStBl 1937 S. 1204, sowie Urteil des Bundesfinanzhofs I 197/59 vom 1. März 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 55, Rechtsspruch 250). Mit Recht vertraten demgemäß die Vorinstanzen den Standpunkt, daß der den betrieblichen Zwecken dienende Teil des Grundstücks als notwendiges Betriebsvermögen zu behandeln und bei der KG eine Bilanzberichtigung durchzuführen war.

Dagegen kann sich der Senat der Auffassung der Vorinstanzen insoweit nicht anschließen, als sie der späteren Erklärung des Steuerpflichtigen, den Wohnzwecken dienenden Teil des Grundstücks nicht entnehmen zu wollen, keine steuerlichen Wirkungen beimaßen.

Es handelt sich hier nicht um die Rückgängigmachung eines bestimmten Betriebsvorfalls, z. B. einer Entnahme, die der Senat im Urteil IV 38/53 U vom 5. November 1953 (BStBl 1954 III S. 4, Slg. Bd. 58 S. 231) nicht anerkannte, sondern darum, ob ein Verhalten der Beteiligten endgültig als Entnahme gewürdigt werden muß. Der Steuerpflichtige machte sich, als er das Grundstück nicht in das Betriebsvermögen der KG einbringen wollte, keine Vorstellungen über die steuerlichen Auswirkungen dieser Maßnahme. Es kann dahingestellt bleiben, ob, wenn das Grundstück auch nicht teilweise betrieblichen Zwecken gedient hätte und deshalb die Entnahme des ganzen Grundstücks in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen möglich gewesen wäre, § 4 des Gesellschaftsvertrages und das Verhalten des Steuerpflichtigen zwingend als eine endgültige Entnahme des Grundstücks hätten gewürdigt werden müssen. Denn hier liegen die Verhältnisse insofern anders, als eine Entnahme des ganzen Grundstücks nicht zulässig war. Der Steuerpflichtige hat objektiv falsch bilanziert. Die Nichtaufnahme des Grundstücks in die Steuer-Eröffnungsbilanz der KG kann unter diesen Umständen nicht als sein positiver Entschluß gewertet werden, er habe den betrieblich nicht genutzten Grundstücksteil entnehmen und diese Entnahme nunmehr rückgängig machen wollen. Hierfür müßten weitere Umstände vorliegen. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, ihm nach Durchführung der Betriebsprüfung die Entscheidung darüber zu geben, ob auch der Wohnzwecken dienende Teil des Grundstücks Betriebsvermögen bleiben soll. Die Beurteilung der Rechtslage beruht auf ähnlichen Gedanken, auf Grund deren die Rechtsprechung dem Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Bilanzänderung gibt, wenn eine Betriebsprüfung zu rechtlich unerwarteten Ergebnissen führt und damit dem früher ausgeübten Recht der Steuerpflichtigen, zwischen mehreren zulässigen Bilanzansätzen zu wählen, die Grundlage entzieht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 103/51 U vom 29. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 57, Slg. Bd. 56 S. 137). Der Bundesfinanzhof hat im übrigen gerade in letzter Zeit das Verbot der steuerlichen Rückwirkung von Entscheidungen und Erklärungen der Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen gelockert (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 65/61 U vom 10. April 1962, BStBl 1962 III S. 255, Slg. Bd. 74 S. 690). Auch dieser Tendenz entspricht die jetzige Entscheidung.

Die eindeutige Erklärung des Steuerpflichtigen, die er nach der Betriebsprüfung abgab, den Wohnzwecken dienenden Teil des Grundstücks nicht entnehmen zu wollen, ist steuerlich anzuerkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410666

BStBl III 1963, 234

BFHE 1963, 640

BFHE 76, 640

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