Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Umlagebeträge, die Interessengemeinschaften zur gemeinsamen Bewirtschaftung von Gemeindewaldungen von den beteiligten Gemeinden nach dem Verhältnis ihres flächenmäßigen Waldbesitzes zur Gesamtfläche des betreuten Waldes erheben, sind (ggf. im Wege der Schätzung) in steuerbare Entgelte für Einzelleistungen und nichtsteuerbare echte Mitgliedsbeiträge für Gemeinschaftsleistungen aufzuteilen.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 2/1, § 5/1/1, § 10/1/1
Tatbestand
Die Bfin. ist eine Interessengemeinschaft zur gemeinsamen Bewirtschaftung der Waldungen mehrerer Gemeinden. Sie bezweckt, "alle im Interesse des Waldes auftretenden Fragen und Aufgaben wirtschaftlicher Art gemeinsam zu regeln, den Wald zu hegen und zu pflegen und die hierdurch entstehenden Kosten anteilsmäßig ... zu tragen" (ß ... des Gemeinschafts-Vertrages). Dieser Zweck sollte im wesentlichen durch die Beschäftigung eines Forstwarts verwirklicht werden. Der Forstwart wurde gemäß § ... des Vertrages im Einvernehmen aller beteiligten Gemeinden unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bei der Gemeinde mit dem größten Waldbesitz (im folgenden: federführende Gemeinde) angestellt. Er unterstand der Dienstaufsicht des Gemeinde-Forstmeisters eines eigens zu dessen Anstellung und Besoldung errichteten Zweckverbandes, dem u. a. auch die Mitgliedsgemeinden der Bfin. angehören. Der Forstwart war an die Weisungen des Gemeinde-Forstmeisters, insbesondere in bezug auf den Dienst und die Pflege des Waldes sowie an die für jede Gemeinde besonders aufgestellten Forstwirtschaftspläne gebunden (ß ... des Vertrages). Die Verwaltungskosten, die im wesentlichen aus den Aufwendungen für den Forstwart (Gehalt, Dienstaufwandsentschädigung, Beiträge zur Ruhegehalts- usw. - Kasse) bestanden, wurden zunächst von der federführenden Gemeinde ausgelegt und alsdann halbjährlich auf die Mitgliedsgemeinden nach dem Verhältnis ihres flächenmäßigen Waldbesitzes zur Gesamtfläche des betreuten Waldes verteilt (ß ... des Vertrages). Die Aufwendungen für die Waldarbeiter wurden von den Gemeinden je nach der Arbeitsleistung in ihrem Waldbezirk unmittelbar bezahlt (ß ... des Vertrages).
Streitig ist, ob und inwieweit die von den Mitgliedsgemeinden anteilsmäßig gezahlten Verwaltungskosten bei der Bfin. als vereinnahmte Entgelte der Umsatzsteuer unterliegen oder als Mitgliederbeiträge von der Umsatzsteuer freizustellen sind.
Das Finanzamt hat im Wege der Schätzung jährlich 2 DM je Hektar (= insgesamt jährlich 300 DM) als Mitgliederbeiträge zur Abgeltung echter Gemeinschaftsleistungen der Bfin. angesehen, den weitaus größten Teil der Verwaltungskosten (1953: 4.000DM, 1954, 4.000 DM, 1955: 5.500 DM, 1956: 6.700 DM) dagegen als Entgelte für Sonderleistungen der Bfin. zur Umsatzsteuer herangezogen. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat aus der Verteilung der Verwaltungskosten nach dem Verhältnis der Größe des Waldbesitzes der einzelnen Gemeinde zur Gesamtfläche des von dem Forstwart betreuten Waldes geschlossen, daß zwischen der Bfin. und den Mitgliedsgemeinden ein echter Leistungsaustausch stattfinde.
Mit der Rb. rügt die Bfin. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie sei nicht als Unternehmer nach außen in Erscheinung getreten. Die gesetzlich genau vorgeschriebene Hege und Pflege des Waldes durch eine Gemeinde oder durch einen Zusammenschluß mehrerer Gemeinden sei Ausübung öffentlicher Gewalt und daher keine gewerbliche Tätigkeit (ß 2 Abs. 3 UStG). Die auf die einzelnen Gemeinden umgelegten Verwaltungskosten seien keine Entgelte für bewirkte Sonderleistungen, sondern in vollem Umfange Mitgliederbeiträge zur Herbeiführung von Gemeinschaftsleistungen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Der Ansicht der Bfin., sie sei nicht als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts tätig geworden, kann nicht gefolgt werden. Im Umsatzsteuerrecht ist auch eine nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigung als Unternehmer zu behandeln, wenn sie durch gewerbliche Leistungen am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Diese Voraussetzung ist bei der Bfin. erfüllt. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den Wald der in ihr zusammengeschlossenen Gemeinden zu hegen und zu pflegen (ß ... des Vertrages). Sie tut das mit Hilfe eines Forstwarts, der alle erforderlichen Maßnahmen durchzuführen, insbesondere die Waldarbeiter einzustellen und einzusetzen hat (ß ... des Vertrages). Die Anstellung des Forstwarts bei der federführenden Gemeinde vermag an der Rechtslage nichts zu ändern. Sie erfolgte nur aus formellen Gründen, nämlich um dem Forstwart die Stellung eines Beamten zu verschaffen, wozu die Bfin. selbst nicht in der Lage war. In tatsächlicher Hinsicht ist der Forstwart nicht allein für die federführende Gemeinde, sondern für die Bfin., der alle ... Gemeinden angehören, tätig. Aber selbst wenn es zuträfe, daß Dritten gegenüber nur die federführende Gemeinde auftritt, würde die der Bfin. die Unternehmereigenschaft nicht nehmen; denn nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist eine gewerbliche Tätigkeit auch dann gegeben, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren eigenen Mitgliedern tätig wird. Die Anstellung des Forstwarts war nicht Selbstzweck, sondern diente der Erfüllung des satzungsgemäßen Zwecks der Bfin., den Wald der Mitgliedsgemeinden zu bewirtschaften.
Unzutreffend ist auch die Ansicht der Bfin., die Hege und Pflege des Waldes durch sie in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise sei eine öffentlich-rechtliche Aufgabe und daher gemäß § 2 Abs. 3 UStG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 UStDB keine gewerbliche ( unternehmerische) Betätigung. Die Bfin. verwechselt hier zwei Dinge: Eine Hoheitsaufgabe liegt vor, wenn der Staat oder eine sonstige Gebietskörperschaft allgemeingültige Vorschriften erläßt, die die Hege und Pflege des Waldes und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung im Interesse seiner Erhaltung zum Gegenstand haben. Wenn aber eine Gemeinde oder eine Vereinigung von Gemeinden diesen Vorschriften entsprechend den Wald bewirtschaftet, so betätigt sie sich ebenso gewerblich wie jeder private Waldbesitzer. § 1 Ziff. 1 Satz 2 UStG bestimmt ausdrücklich, daß die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird.
Bei der Prüfung der Frage, ob die Bfin. den Mitgliedsgemeinden gegenüber nichtsteuerbare Gemeinschaftsleistungen oder steuerbare Einzelleistungen bewirkt hat, ist das Finanzgericht von der Art der Bemessung der von den Mitgliedsgemeinden zur Deckung der Verwaltungskosten erhobenen Umlage ausgegangen. Nach Ansicht des Finanzgerichts ist die Arbeitsleistung des Forstwarts für die einzelne Gemeinde von der Größe ihres Waldbesitzes abhängig. Die Bemessung der Umlage nach der Hektarfläche zeige deutlich, daß durch die Zahlungen Einzelleistungen der Bfin. entsprechend dem geschätzten Umfange ihrer Tätigkeit für die einzelne Gemeinde abgegolten werden sollten.
Der Einwand der Bfin., die Dienste des Forstwarts richteten sich nicht nach der Größe des Waldbesitzes, sondern nach dem jeweiligen Arbeitsanfall auf Grund der höheren Ortes aufgestellten Forstwirtschaftspläne, greift nicht durch. Bei Waldungen muß wegen der langen Wachstumsperioden der Bäume in großen Zeiträumen geplant und gewirtschaftet werden. Andererseits wäre die Berechnung der auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Teile des Gehalts eines beamteten Forstwarts nach der jeweils von ihm geleisteten Arbeit viel zu umständlich und schwierig. Die Umlagebeträge mögen je nach dem Arbeitsanfall im einzelnen zum Teil Vorauszahlungen bzw. Nachzahlungen darstellen. In längeren Zeiträumen gleichen sich die geleisteten Zahlungen den geleisteten Arbeiten schätzungsweise an. Auf lange Sicht sind daher Hektarfläche des Waldbesitzes und vermutliches Arbeitsausmaß des Försters durchaus vergleichbare Größen.
Trotzdem hätte das Finanzgericht seine Entscheidung nicht allein auf die Art der Bemessung des Unkostenersatzes abstellen dürfen. Gerade der Bemessungsmaßstab "Hektarfläche" kann im Einzelfalle eine doppelte Bedeutung haben. Er kann die tatsächliche oder vermutete Inanspruchnahme der Tätigkeit einer Interessengemeinschaft für das einzelne Mitglied zum Ausdruck bringen und daher Sonderleistungen anzeigen, aber auch bloß ein Maßstab für die Leistungsfähigkeit des einzelnen Mitglieds sein und daher auf Gemeinschaftsleistungen hindeuten (vgl. hierzu das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 605/53 vom 10. November 1933, RStBl 1934 S. 688). Bei Mehrdeutigkeit muß der Bemessungsmaßstab als Beweisanzeichen zurücktreten und die Art der Leistung selbst, auf die es entscheidend ankommt, geprüft werden (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 134/59 U vom 12. April 1962, BStBl 1962 III S. 260, Slg. Bd. 74 S. 703).
Waldwirtschaftsgemeinschaften bewirken in der Regel Leistungen, die zum Teil den Einzelbelangen, zum Teil den Gesamtbelangen der Mitglieder dienen. Zu der ersten Gruppe gehören die laufende Pflege und Bewirtschaftung des Waldes, insbesondere die Rodung des Unterholzes, die Durchführung der Einschläge, die Anlage neuer Kulturen und dergleichen. Maßnahmen, die im Gemeinschaftsinteresse aller Mitglieder liegen, sind z. B. die Schädlingsbekämpfung, die Verhütung von Wildschäden (Austritt des Wildes auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, Wildverbiß), die Anlage gemeinschaftlicher Wirtschaftswege. Die zweite Gruppe hat gegenüber der ersten im allgemeinen eine nur geringe Bedeutung. Die Pflege und laufende Bewirtschaftung des Waldanteils des einzelnen Waldbesitzers ist die Hauptaufgabe des Försters. Sie dient der Befriedigung des Einzelinteresses der Waldbesitzer. Bei dem Hinweis, daß nach dem Gemeinschaftsvertrag alle anfallenden forstwirtschaftlichen Aufgaben einschließlich der Hege und Pflege und der Bewirtschaftung des Waldes gemeinsam geregelt und durchgeführt werden sollen, übersieht die Bfin., daß gleichartige Einzelbelange der Mitglieder einer Vereinigung in ihrer Summierung noch keinen Gemeinschaftszweck ergeben.
Bei Waldwirtschaftsgemeinschaften hat daher in der Regel eine Aufteilung der erhobenen Umlagen in Entgelte für Einzelleistungen und Mitgliederbeiträge für Gemeinschaftsleistungen zu erfolgen. Diesen Weg ist das Finanzamt gegangen, indem es jährlich 2 DM je Hektar Waldfläche als Mitgliederbeitrag aus der Besteuerung ausgenommen hat. Die Bfin., die völlige Umsatzsteuerfreiheit begehrt, hat nicht behauptet, daß dieser Betrag zu niedrig geschätzt worden sei. Sie hat in der Rechtsbeschwerdeschrift ausgeführt, es gehöre nicht zu ihren Aufgaben, alle bei einem Walde auftretenden Fragen zu regeln. Ihre Gemeinschaftsleistungen können daher nur ein ganz geringes Ausmaß gehabt haben. Unter diesen Umständen sieht der Senat keinen Anlaß, von der Schätzung des Finanzamts abzuweichen oder die Sache zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411035 |
BStBl III 1964, 147 |
BFHE 1964, 383 |
BFHE 78, 383 |