Leitsatz (amtlich)

  1. Zur HGA-Pflicht in Rückerstattungsfällen, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks sowie der Schuldner und der Gläubiger der an dem Grundstück gesicherten RM-Verbindlichkeit nationalsozialistische Einrichtungen waren, die unter der KRG Nr. 2 und die Kontrollratsdirektive Nr. 50 fallen.
  2. ß 3 Abs. 2 der 15.AbgabenDV-LA ist auch anwendbar, wenn nur eine Vereinbarung über das Erlöschen eines Grundpfandrechts getroffen worden ist.
  3. Die in Tz. 83 des BdF-Erlasses vom 26. Juli 1958 (BGBl I S. 481) für die Verwaltung als maßgeblich bezeichneten Vermutungen reichen im finanzgerichtlichen Verfahren für die Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 der 15. AbgabenDV-LA nicht aus.
 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1; LAG §§ 27, 91, 118, 137, 154; 15-AbgabenDV-LA § 2; 15-AbgabenDV-LA § 3

 

Streitjahr(e)

1948

 

Tatbestand

Die Kläger zu 1. bis 3. waren früher Eigentümer eines Grundstücks in Berlin, für das auf den 1. Januar 1935 als Mietwohngrundstück ein Einheitswert festgestellt worden war. Das Grundstück war den Klägern zu 1. bis 3. durch Beschlagnahme zugunsten des Deutschen Reiches am 5. Februar 1941 entzogen worden. Als Eigentümer wurde am 15. November 1941 die frühere Reichskulturkammer in Berlin im Grundbuch eingetragen. Der Einheitswert des Grundstücks wurde zum 1. Januar 1953 auf 442.000 RM fortgeschrieben. Dabei wurde das Grundstück als Geschäftsgrundstück (Bürogrundstück) bewertet.

Auf dem Grundstück ruhten am Währungsstichtag folgende Belastungen:

  1. eine bereits im Zeitpunkt der Entziehung für die Allianz Versicherungsgesellschaft in Abt. III Nr. 3 eingetragen gewesene und im Jahre 1942 an die frühere Reichskammer für bildende Künste abgetretene Fälligkeitsdarlehnshypothek von 125.000 RM;
  2. eine am 3. Juni 1942 in Abt. III Nr. 10 für die frühere Reichskammer der bildenden Künste eingetragene Darlehnshypothek von 125.000 RM.

Durch Beschluß der Wiedergutmachungskammer vom 12. Mai 1950 wurde das Grundstück an die Kläger zu 1. bis 3. als Rückerstattungsberechtigte zurückerstattet. Die Kläger zu 1. bis 3. wurden am 7. August 1950 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Durch Kaufvertrag vom 17. April 1951 veräußerten die Kläger zu 1. bis 3. das Grundstück an die Klägerin zu 4. Die Klägerin zu 4. wurde am 27. September 1951 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Am 19. April 1951 schlossen die Kläger zu 1. bis 3. vor dem Wiedergutmachungsamt mit der früheren Reichskulturkammer, vertreten durch den Senator für Finanzen, Hauptvermögensverwaltung, einen Vergleich, nach dem die in Abt. III Nr. 3 eingetragene Hypothek von 125.000 RM unter die Belastungsgrenze fallen und damit bestehen bleiben sollte, während die in Abt. III Nr. 10 eingetragene Hypothek von 125.000 RM außerhalb der Belastungsgrenze liegen und infolgedessen nichtig sein und erlöschen sollte. Auf Grund dieses Vergleichs wurde die Post Abt. III Nr. 10 am 10. Mai 1952 im Grundbuch gelöscht. Die Post Abt. III Nr. 3 wurde durch Entscheidung der Berliner Kommission für Ansprüche auf Vermögenswerte laut Kontrollratsdirektive Nr. 50 vom 24. Januar 1953 gemäß Art. II Abs. 2, Art. V Abs. 1 und Art. VII dieser Kontrollratsdirektive auf die Klägerin zu 4. Übertragen.

Durch einen an die Klägerin zu 4. gerichteten vorläufigen HGA-Bescheid vom 29. Dezember 1953 wurde nur der Schuldnergewinn aus der Post Abt. III Nr. 3 erfaßt. Durch den berichtigten endgültigen Bescheid vom 6. Februar 1956, der an alle Kläger gerichtet war, wurden dagegen die Schuldnergewinne aus den beiden Posten Abst. III Nr. 3 und Abt. III Nr. 10 zur HGA herangezogen.

Der Einspruch, mit dem sich die Kläger gegen die Heranziehung der Post Abt. III Nr. 10 zur HGA wandten, blieb ohne Erfolg. Auch die Berufung war erfolglos. Das Verwaltungsgericht (VG) ist der Auffassung, daß die Kläger zu 1. bis 3. als Angehörige der Vereinten Nationen der HGA unterlägen. § 154 LAG, der die Anwendung des § 118 Abs. 1 LAG in Berlin ausschließe, verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Fünfzehnte Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (15. AbgabenDV-LA) bilde im Zusammenhang mit den §§ 91, 137 LAG die notwendige Rechtsgrundlage für die HGA-Feststellung bei Rückerstattungsgrundstücken. Nach § 2 Abs. 2 dieser Verordnung seien die Kläger zu 1. bis 3. am 20. Juni 1948 Eigentümer des Grundstücks und Schuldner der auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten gewesen. Für die Post Abt. III Nr. 10 treffe § 3 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung zu. Allgemein spreche eine Vermutung dafür; daß Realkredite für das belastete Grundstück verwendet worden seien. Diese Vermutung sei von den Klägern nicht widerlegt worden. Eine weitere Vermutung spreche dafür, daß zugunsten des Grundstücks verwendete Realkreditmittel den Wert des Grundstücks erhöht hätten. Diese Vermutung sei durch das eingeholte Gutachten bestätigt und von den Klägern nicht entkräftet worden.

Mit den Rbn. beantragten die Kläger, in Abänderung des angefochtenen Urteils der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen HGA-Bescheides bei der Veranlagung zur HGA die Post Abt. III Nr. 10 außer Ansatz zu lassen. Sie rügen unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts und Verletzung der Grundsätze der Beweislastregelung, die Nichtbeachtung allgemeiner Auslegungs- und Beurteilungsgrundsätze sowie der allgemeinen Lebenserfahrungen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rbn., die nach dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revisionen zu behandeln sind (vgl. § 184 FGO), führen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

  • I. -
    1. Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die HGA-Pflicht der Kläger zu 1. bis 3. nicht deswegen entfällt, weil sie Angehörige der Vereinten Nationen sind. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH III 265/55 U vom 11. Dezember 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 70, S. 287 - BFH 70, 287 -, BStBl III 1960, 107, und III 323/59 U vom 1. März 1963, BFH 76, 824, BStBl III 1963, 300), die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt ist (vgl. BVerfG-Beschluß 2 BvR 227/64 vom 7. April 1965, BStBl I 1965, 186) und von der Schiedskommission geteilt wird (vgl. Urteil der Dritten Kammer der Schiedskommission AC/1/J (59) 11 vom 2. Juni 1959, BStBl I 1963, 140).
    2. Das VG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß § 154 LAG nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Die Vorschrift des § 118 Abs. 1 LAG, deren Anwendung durch § 154 Abs. 1 LAG für Grundstücke in Berlin (West) ausgeschlossen ist, beruht darauf, daß im Bundesgebiet Umstellungsgrundschulen auf Grund eines alliierten Genehmigungsvorbehalts zum Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (HypSichG) an Grundbesitz der Angehörigen der Vereinten Nationen nicht geltend gemacht werden durften. § 118 LAG will deshalb bei der Veräußerung eines solchen Grundstücks in der Zeit zwischen dem Währungsstichtag und dem Inkrafttreten des LAG den Erwerber dadurch schützen, daß er auch keine HGA als öffentliche Last entstehen läßt. Das Landesfinanzamt (LFA) hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es in Berlin (West) eines solchen Schutzes des Erwerbers nicht bedurfte, weil die in Berlin (West) anstelle der Umstellungsgrundschulden auf Grund des § 13 des Gesetzes über die Umstellung von Grundpfandrechten und über Aufbaugrundschulden vom 9. Januar 1951 (Verordnungsblatt für Berlin 1951 - VOBl Berlin - I S. 71) entstandenen Aufbaugrundschulen auch an Grundstücken der Angehörigen der Vereinten Nationen bestanden. Angesichts dieser verschiedenen Rechtslage kann von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG keine Rede sein.
  • II. -
    1. Die Erhebung und Gestaltung der HGA in Fällen der Rückerstattung belasteter Grundstücke richtet sich gemäß § 137 LAG nach der hierzu erlassenen Rechtsverordnung, der 15. AbgabenDV-LA vom 2. Juni 1955 (BGBl I S. 267, BStBl I 1955, 213). Die Grundsätze sind für die Vermögensabgabe in § 27 LAG enthalten. Sie gelten als allgemeine Grundsätze aber auch für die anderen Lastenausgleichsabgaben. Sie bezwecken, die Ergebnisse der Rückerstattung den an den Währungsstichtag gebundenen Abgaben nach dem LAG zu unterwerfen. Dies gilt sowohl für Rückerstattungen durch rechtskräftige Entscheidungen wie auch durch Vergleiche im Rückerstattungsverfahren und auch dann, wenn das Rückerstattungsverfahren erst nach dem 20. Juni 1948 abgeschlossen ist, entsprechend dem in den Rückerstattungsgesetzen aufgestellten Rückwirkungsgedanken (vgl. BFH-Urteil III 98/58 S vom 10. Oktober 1958, BFH 68, 59, BStBl III 1959, 22). Wie der Senat bereits in dem Urteil III 223/58 U vom 28. Februar 1963 (BFH 76, 733, BStBl III 1963, 267) ausgeführt hat, halten sich die Bestimmungen der 15. AbgabenDV-LA im Rahmen dieser Grundsätze.
    2. Die HGA wird nach § 91 Abs. 1 Nr. 1 LAG erhoben auf Schuldnergewinne aus der Umstellung von Reichsmarkverbindlichkeiten, die am 20. Juni 1948 durch Grundpfandrecht an einem im Geltungsbereich des GG belegenen Grundstücks des Schuldners gesichert waren. Die danach erforderliche Eigentümerstellung am Währungsstichtag wird in Rückerstattungsfällen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 15. AbgabenDV-LA durch die Eigentumsfeststellung auf Grund eines Rückerstattungsverfahrens bestimmt. Im Streitfall waren danach die Kläger zu 1. bis 3. am 20. Juni 1948 Eigentümer des belasteten Grundstücks. Für die Schuldnerstellung am Währungsstichtag sind nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der 15. AbgabenDV-LA die in der Entscheidung oder Vereinbarung über die Rückerstattung positiv getroffenen Bestimmungen über den Schuldübergang maßgebend. Es wird insoweit ebenfalls eine Rückwirkung der Entscheidung oder Vereinbarung angeordnet. Das ergibt sich klar aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 2 der 15. AbgabenDV-LA, nach dem als Schuldner der RM-Verbindlichkeit am 20. Juni 1948 derjenige angesehen wird, der auf Grund der Entscheidung oder Vereinbarung zur Erfüllung der Verbindlichkeit am 20. Juni 1948 verpflichtet gewesen wäre, wenn die Entscheidung oder Vereinbarung zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden hätte. Im Streitfall ist in dem vor dem Wiedergutmachungsamt abgeschlossenen Vergleich vom 19. April 1951 zwischen den Rückerstattungsberechtigten und dem Rückerstattungsverpflichteten, vertreten durch den Senator für Finanzen, Hauptvermögensverwaltung, vereinbart worden, daß die Hypothek Abt. III Nr. 10 außerhalb der Belastungsgrenze liegt und infolgedessen nichtig ist und erlischt. Es ist also in der Vereinbarung keine Bestimmung darüber getroffen worden, wer zur Erfüllung der Verbindlichkeit am 20. Juni 1948 verpflichtet gewesen wäre, so daß sich die Schuldnereigenschaft der Kläger zu 1. bis 3. am 20. Juni 1948 nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 der 15. AbgabenDV-LA herleiten läßt. Die Kläger zu 1. bis 3. gelten jedoch nach § 2 Abs. 2 Satz 3 der 15. AbgabenDV-LA als Schuldner der Verbindlichkeit am 20. Juni 1948.

Es handelt sich bei der streitigen Verbindlichkeit um eine RM-Verbindlichkeit der früheren Reichskulturkammer gegenüber der früheren Reichskammer der bildenden Künste aus Darlehen auf Grund der Urkunde vom 3. Juni 1942 in Höhe von 125.000 RM. Mit ihrem Einwand, es handle sich bei der Gläubigerin und Schuldnerin um ein und dieselbe Rechtspersönlichkeit, können die Kläger nicht durchdringen. Die Reichskammer der bildenden Künste wurde auf Grund des § 2 des Reichskulturkammergesetzes vom 22. September 1933 (RGBl I S. 661) als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Sie wurde zusammen mit den gleichzeitig errichteten fünf weiteren Kammern und mit der nach dem Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer vom 14. Juli 1933 (RGBl I S. 483) schon vorher errichteten vorläufigen Filmkammer die den Namen Reichsfilmkammer erhielt, nach § 5 des Reichskulturkammergesetzes zu einer Reichskulturkammer vereinigt. Wie sich aus § 2 der 1. Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1. November 1933 (RGBl I S. 797) ergibt, wurde die Reichskulturkammer als Gesamtkörperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Die in ihr vereinigten Einzelkammern behielten jedoch ihre Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das geht aus den übrigen Bestimmungen der 1. Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz klar hervor, insbesondere aus § 23 (Aufstellung von Einzelhaushaltsplänen) und § 24 (Recht der Einzelkammern zur Beitragserhebung).

Die Kläger können auch mit ihrem weiteren Einwand nicht durchdringen, es sei kein Schuldnergewinn entstanden, weil die RM-Verbindlichkeit nicht im Verhältnis 10 RM zu 1 DM umgestellt worden sei. Es ist zwar richtig, daß sowohl die Gläubigerin als auch die Schuldnerin nationalsozialistische Einrichtungen waren, die unter das Kontrollratsgesetz (KRG) Nr. 2 fallen und nach Art. I Abs. 2 dieses Gesetzes ausdrücklich aufgelöst sind. Das gilt nicht nur für die im Anhang zum KRG Nr. 2 namentlich aufgeführte Reichskulturkammer, sondern auch für die dieser Gesamtkörperschaft angehörenden Einzelkammern. Eine Umstellung ihrer RM-Verbindlichkeiten fand deshalb nach § 14 Nr. 2 des Umstellungsgesetzes (bzw. Art. 12 Nr. 2 der Berliner Umstellungsverordnung) zunächst nicht statt. Das Vermögen dieser Einrichtungen war nach Art. II KRG Nr. 2 beschlagnahmt. Über dieses Vermögen war nach den Vorschriften der Kontrollratsdirektive Nr. 50 zu verfügen. Diese Verfügung oblag in Berlin zunächst der "Berliner Kommission für Ansprüche auf Vermögenswerte laut Kontrollratsdirektive Nr. 50" (vgl. Ziff. 4 der Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin (BK/O (49) 18 vom 3. Februar 1949, VOBl für Groß-Berlin 1949 I S. 77, geändert durch die Anordnung BK/O (49) 129 vom 22. Juni 1949, VOBl für Groß-Berlin 1949 I S. 196). Diese Kommission wurde durch die Anordnung der Alliierten Kommandantur Berlin BK/O (56) 3 vom 28. Januar 1956 (GVBl Berlin 1956 S. 139) in der Fassung der Anordnung BK/O (57) 3 vom 26. Januar 1957 (GVBl Berlin 1957 S. 178) mit Wirkung vom 15. Februar 1956 an aufgelöst. Da die Kommission über den hier strittigen Anspruch der früheren Reichskammer der bildenden Künste bis zu diesem Tage noch nicht verfügt hatte, ging dieser Anspruch nach dieser Anordnung auf das Land Berlin über.

Der Anspruch, der sich gegen die frühere Reichskulturkammer richtet, fällt unter das Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen vom 17. März 1965 - NSAbwG - (BGBl 1965 I S. 79). Das ergibt sich aus § 1 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5. November 1957 (BGBl 1967 I S. 1747). Der Anspruch gehört nicht zu den nach § 3 NSAbwG diesem Gesetz nicht unterliegenden Ansprüchen. Er gilt nach § 4 Satz 2 NSAbwG, da er hypothekarisch gesichert ist, für die Hypothek als fortbestehend. Nach § 14 Satz 2 NSAbwG ist § 14 des Umstellungsgesetzes für solche Ansprüche außer Kraft getreten. Der Anspruch und die entsprechende RM-Verbindlichkeit ist deshalb nach § 16 des Umstellungsgesetzes im Verhältnis 10 RM zu 1 DM umgestellt, so daß ein Schuldnergewinn entstanden ist.

Für die HGA gilt nach § 25 NSAbwG die frühere Reichskulturkammer als am 20. Juni 1948 noch bestehend. Damit wird klargestellt, daß diese Einrichtung für die HGA an diesem Stichtag noch als persönliche Schuldnerin und als Grundstückseigentümerin zu betrachten ist. Das gilt bis zum Zeitpunkt der Rückerstattung des Grundstücks. Es sind also damit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 3, 2. Alternative, der 15. AbgabenDV-LA erfüllt.

  1. Weitere Voraussetzung für die Entstehung einer HGA ist, daß unter Berücksichtigung des § 3 der 15. AbgabenDV-LA die dingliche Sicherung noch fortbesteht. Die Vorentscheidungen sind dabei zutreffend davon ausgegangen, daß im Streitfall § 3 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA nicht angewendet werden kann, weil das Erlöschen der Hypothek nicht in einer rechtskräftigen Entscheidung des Wiedergutmachungsamtes bestimmt ist, sondern in einem vor dieser Behörde abgeschlossenen Vergleich vereinbart worden ist. Die Beteiligten hatten zwar nachträglich übereinstimmend beantragt, die Belastungsgrenze für den Fortfall der Hypothek durch förmlichen Beschluß gemäß Art. 30 der Rückerstattungsanordnung BK/O (49) 180 vom 26. Juli 1949 (VOBl für Groß-Berlin 1949 I S. 221) festzustellen. Das Wiedergutmachungsamt hat aber einen solchen Beschluß nicht erlassen. Die Post wurde im Grundbuch "aufgrund des vor dem Wiedergutmachungsamt abgeschlossenen Vergleichs" gelöscht.

Die Vorinstanzen haben jedoch mit Recht geprüft, ob sich eine Abgabenpflicht aus § 3 Abs. 2 der 15. AbgabenDV-LA ergibt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese Bestimmung auch in den Fällen anwendbar, in denen das Nichtbestehenbleiben eines Grundpfandrechts vereinbart worden ist. Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 der 15. AbgabenDV-LA steht dem nicht entgegen. Aus ihm ist zu entnehmen, daß sich im Gegensatz zu den Rückerstattungsentscheidungen im Sinne des § 3 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA die Abgabepflicht ohne Rücksicht auf eine von den Beteiligten getroffene Vereinbarung immer nur auf die in § 3 Abs. 2 Nrn. 1 - 4 der 15. AbgabenDV-LA genannten Verbindlichkeiten "beschränkt". Das Wort "beschränkt" kann in diesem Zusammenhang sowohl ein Weniger gegenüber dem vereinbarten Fortbestehen als auch ein Mehr gegenüber dem vereinbarten Nichtbestehenbleiben bedeuten. Nur diese Auslegung wird im Sinn und Zweck des § 3 der 15. AbgabenDV-LA gerecht. Allein eine Rückerstattungsentscheidung soll, auch wenn sie nicht den Rückerstattungsgesetzen entspricht für die Abgabepflicht eine Bindungswirkung haben. Einer Vereinbarung der Beteiligten kann eine solche Bindungswirkung nicht zukommen.

Eine Abgabepflicht kann sich im Streitfall nach der Bestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 der 15. AbgabenDV-LA ergeben. Danach besteht die Abgabepflicht für eine Verbindlichkeit, die an dem Rückerstattungsgrundstück nach dessen Entziehung gesichert ist, insoweit, als ihr Gegenwert auf das Rückerstattungsgrundstück verwendet und dessen Wert dadurch entsprechend erhöht worden ist. Das VG ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmungen seien im Streitfall erfüllt. Es hat zu der Frage, ob und in welcher Höhe der der Hypothek Abt. III Nr. 10 zugrunde liegende Darlehnsbetrag für das belastete Grundstück verwendet worden ist, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sondern sich nur darauf gestützt, es bestehe eine allgemeine Vermutung dafür, daß Realkredite für das belastete Grundstück verwendet würden. Diese widerlegbare Vermutung entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung. Im Zweifelsfall habe der Abgabenschuldner die Verwendung zu grundstücksfremden Zwecken nachzuweisen. Das sei im Streitfall nicht geschehen. Abgesehen davon, daß es sehr bedenklich erscheint, wenn das VG seine Entscheidung allein auf diese Vermutungen stützt, die der Bundesminister der Finanzen in Tz. 83 seines Erlasses vom 26. Juli 1958 (BStBl I 1958, 481) nur deswegen heranzieht, weil die Verwaltung nicht über alle Mittel gerichtlicher Nachprüfung verfügt, hat das VG nicht beachtet, daß nach dem Inhalt der von ihm herbeigezogenen Akten erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß entgegen der von ihm angenommenen Vermutung im Streitfall das Darlehnskapital nicht oder zumindest nicht in voller Höhe für das belastete Grundstück verwendet wurde. In der bei den Rückerstattungsakten befindlichen eidesstattlichen Versicherung des früheren Präsidenten der Reichstheaterkammer wird behauptet, die Reichstheaterkammer habe aus ihrem Vermögen auf höhere Weisung der Reichskulturkammer ... RM zahlen müssen und dieser Betrag sei zum Erwerb und der baulichen Umgestaltung des belasteten Grundstücks und für die Einrichtung der Geschäftsstelle der früheren Reichskulturkammer in dem belasteten Grundstück verwendet worden. Der Senator für Finanzen hat in seinem Schriftsatz vom 19. Februar 1951 im Rückerstattungsverfahren angegeben, daß die Gesamtumbaukosten des Grundstücks nach den Originalrechnungsbelegen .. RM betragen hätten, wovon ... RM auf Büromöbel entfallen seien. Unterstellt man die Richtigkeit dieser Behauptungen, so bestehen Bedenken dagegen, daß das Darlehnskapital der früheren Reichskammer der bildenden Künste in voller Höhe für das belastete Grundstück verwendet worden ist. Die Kläger rügen mit Recht, daß das VG insoweit seine amtliche Ermittlungspflicht, die ihm nach § 243 Abs. 1 AO a. F. (jetzt nach § 76 Abs. 1 FGO) obliegt, verletzt hat. Die Vorentscheidung unterliegt aus diesem Grunde der Aufhebung.

Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das Finanzgericht (FG) zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das FG wird nunmehr durch Vernehmung des früheren Präsidenten der Reichstheaterkammer oder auf andere ihm zweckmäßig erscheinende Weise, etwa durch Einsichtnahme in die Originalrechnungsbelege über die Gesamtumbaukosten des Grundstücks zu prüfen haben, ob und inwieweit die oben wiedergegebenen Behauptungen zutreffen. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung wird es zu entscheiden haben, ob das Darlehnskapital der früheren Reichskammer der bildenden Künste für das belastete Grundstück ganz oder teilweise verwendet wurde. Sollte sich ergeben, daß mindestens ein Teil dieses Kapitals für diesen Zweck verwendet worden ist, so wird das FG noch einmal zu prüfen haben, ob durch diese Verwendung eine entsprechende Werterhöhung des belasteten Grundstücks eingetreten ist. Dabei wird es auch die Einwendungen der Kläger, insbesondere gegen das Gutachten des Architekten zu berücksichtigen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 425823

BFHE 1967, 142

BFHE 88, 142

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