Leitsatz (amtlich)

Die Befreiungsvorschrift des § 48 UStDB ist weder durch die Ermächtigung in § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG noch durch die des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG gedeckt.

 

Normenkette

UStG 1951 § 18 Abs. 1 Nrn. 2-3; UStDB 1951 § 48

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Antragstellerin) führte in den Monaten ... Konserven aus. Sie beantragte Ausfuhrhändlervergütung. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) versagte nach einer Umsatzsteuer-Vergütungsprüfung die beantragte Vergütung mit der Begründung, daß die Antragstellerin die Konserven aus eingelagerten Beständen von der Einfuhr- und Vorratsstelle (EVSt) bzw. deren Außenstellen erworben habe. Solche Lieferungen der EVSt seien nach § 48 UStDB steuerfrei. Die Lieferung an die Antragstellerin sei daher nicht steuerpflichtig gewesen. Es fehle demnach an der Voraussetzung des § 70 Abs. 2 Nr. 1 UStDB, wonach die Lieferungen der ausgeführten Gegenstände an den Ausfuhrhändler steuerpflichtig gewesen sein müssen.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG gab der Berufung (Klage) statt. Es war der Auffassung, daß weder § 18 Abs. 1 Nr. 2 noch Nr. 3 UStG 1951 eine den Erfordernissen des Art. 80 GG entsprechende Ermächtigungsgrundlage für § 48 UStDB darstelle.

In der Rechtsbeschwerde trägt das FA vor, die Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG sei eine gültige Rechtsgrundlage zum Erlaß des § 48 UStDB.

Die Antragstellerin wendet sich gegen diese Auffassung. Die Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG lasse nicht Inhalt, Zweck und Ausmaß erkennen. Sie genüge daher nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG enthalte überhaupt nicht eine Befreiungsermächtigung. Im übrigen sei auch nicht ersichtlich, daß die Einschaltung der EVSt nach dem ihr zugewiesenen Aufgabenbereich zu Ungleichmäßigkeiten oder Unbilligkeiten im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG führe. Die Antragstellerin sieht eine Steütze für ihre Auffassung auch darin, daß § 48 UStDB mit Rücksicht auf die aufgetretenen Zweifel der Rechtsgültigkeit durch das 17. UStÄndG vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 709, BStBl I 1967, 10) in das UStG übernommen worden sei.

Die Antragstellerin rügt ferner, daß das FA im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) für die Ablehnung des Erstattungsantrages nicht zuständig gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde (§ 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist unbegründet.

1. § 48 UStDB ist aufgrund der Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDBÄndVO) vom 29. Juni 1951 (BGBl I 1951, 418, BStBl I 1951, 205) als § 43a in die UStDB eingefügt worden. Die Vorschrift befreit die Lieferungen eingelagerter Gegenstände der EVSt. Die Verordnung bezeichnet als Ermächtigungsgrundlage § 18 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes vom 28. Juni 1951 (BGBl I 1951, 402).

Da § 48 UStDB eine Befreiungsvorschrift darstellt, kommt von den vier Ermächtigungstatbeständen des § 18 Abs. 1 UStG vor allem der der Nr. 2 in Betracht, wonach die Bundesregierung ermächtigt wird, durch Rechtsverordnungen über den Umfang der Befreiungen und Steuerermäßigungen Bestimmungen zu treffen.

Das BVerfG hat diese Ermächtigungsvorschrift verfassungskonform in dem Sinne ausgelegt, daß sie dem Verordnungsgeber nur die Befugnis gibt, Befreiungs- und Ermäßigungsvorschriften, die sich bereits im UStG finden, zu konkretisieren (BVerfG-Beschluß 2 BvL 21/56 vom 11. Februar 1958, BVerfGE 7, 267). Das UStG hat in der Fassung, die dem Streitfall zugrunde zu legen ist, keine Bestimmung über die Befreiung der EVSt enthalten. Demnach war § 48 UStDB durch die Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG unmittelbar nicht gedeckt.

2. Die Gründe des Beschlusses des BVerfG vom 11. Februar 1958, a. a. O., könnten auch in dem Sinne verstanden werden, daß § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG auch dazu ermächtigt, eine umsatzsteuerrechtliche Befreiungsvorschrift, soweit sie überhaupt in einem Gesetz verankert ist, zu konkretisieren. Ein solches Verständnis der Ermächtigung würde nach Auffassung des Senats sich noch im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Ermächtigungsvorschrift halten. Danach könnte die Ermächtigungsvorschrift auch zur Konkretisierung der Befreiungsvorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 4 des Gesetzes über den Verkehr mit Vieh und Fleisch (Vieh- und Fleischgesetz) vom 25. April 1951 (BGBl I 1951, 272) dienen. Diese Vorschrift befreit die Übernahme und die Abgabe von Schlachtvieh, Fleisch oder Fleischerzeugnissen durch die EVSt von der Umsatzsteuer. Die Befreiungsvorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 4 des Vieh- und Fleischgesetzes bezieht sich nur auf die eine Hauptaufgabe der EVSt, nämlich auf die Einfuhrregelung (Urteil des BFH V 98/63 vom 9. März 1967, BFH 88, 434, BStBl III 1967, 503). Die andere der EVSt zugewiesene Aufgabe, die Vorratshaltung (vgl. § 17 Abs. 5 des Vieh- und Fleischgesetzes) wird davon nicht erfaßt. Davon ist offenbar auch der Verordnungsgeber ausgegangen. Denn in dem zur Verordnung vom 29. Juni 1951 ergangenen Erlaß des BdF vom 1. August 1951, IV S 4015-18/51 (BStBl I 1951, 429) ist zu § 43a UStDB - nunmehr § 48 UStDB - ausgeführt, daß die Befreiungen im Getreidegesetz, im Zuckergesetz, im Milch- und Fettgesetz und im Vieh- und Fleischgesetz nicht ausreichen, um auch die anläßlich der Einlagerung der Gegenstände zur Vorratshaltung entstehenden zusätzlichen Umsätze von der Umsatzsteuer freizustellen. Die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 4 des Vieh- und Fleischgesetzes regelt demnach andere Befreiungen als § 48 UStDB. Diese Vorschrift enthält daher keine Konkretisierung des § 17 des Vieh- und Fleischgesetzes, sondern eine Erweiterung der dort enthaltenen Befreiung, zu der der Verordnungsgeber nicht ermächtigt war. § 48 UStDB ist demnach, auch wenn man die Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG auf § 17 Abs. 3 Satz 4 des Vieh- und Fleischgesetzes bezieht, durch eine gesetzliche Ermächtigung nicht gedeckt.

3. Zum Erlaß des § 48 UStDB hat aber auch nicht die allenfalls noch in Betracht kommende Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG eine hinreichende Grundlage geboten. Nach dieser Vorschrift ist die Bundesregierung ermächtigt, zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Beseitigung von Unbilligkeiten in Härtefällen, und zwar insbesondere über die Abgrenzung der Steuerpflicht und die Festsetzung der steuerpflichtigen Umsätze Bestimmungen zu treffen.

Der Senat hat in dem Urteil V 71/61 S vom 29. Juli 1965 (BFH 83, 125, BStBl III 1965, 545) § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG als gültige Ermächtigungsgrundlage für die Einzelvorschriften der Textilzusatzbesteuerung angesehen, soweit sie nachträglich geändert worden sind. Die neu aufgenommenen bzw. geänderten Vorschriften dienten der Vermeidung einer zeitweiligen Doppelbesteuerung (§ 59 Abs. 2 Nr. 2 UStDB), der Wirksamkeit des Besteuerungsausgleichs (§ 60 Abs. 2 UStDB) und der Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wirtschaftlich schwacher Unternehmen (§ 62 Abs. 1 und 2 UStDB) oder der Vermeidung von doppelten Vergünstigungen (§ 62 Abs. 3 UStDB). Ähnliche Verhältnisse haben, wie in dem Urteil V 41/64 vom 16. Februar 1967 (BFH 88, 300, BStBl III 1967, 376) dargestellt ist, dem Erlaß des § 5 Abs. 3 UStDB zugrunde gelegen. Der Senat hat auch für diese Vorschrift die Rechtsgrundlage in der Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG gesehen. Er hat die Vorschrift durch die Ermächtigung für gedeckt gehalten, weil, wie im Urteil näher ausgeführt ist, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Rahmen der Einfuhrgeschäfte in Frage gestellt und eine allgemeine Lage gegeben war, die Härtefälle mit Unbilligkeiten hervorrufen mußte.

In beiden Fällen wurde von der Ermächtigung jeweils in der Weise Gebrauch gemacht, daß entsprechend ihrem Wortlaut die Steuerpflicht in gewissen Fällen abgegrenzt worden ist, z. B. bei Umsätzen innerhalb eines Organkreises (§ 59 Abs. 2 UStDB) oder bei Einfuhren aus dem Ausland (§ 5 Abs. 3 UStDB) oder die erlassene Bestimmung der Feststellung der steuerpflichtigen Umsätze gedient hat, z. B. die Aufnahme neuer Veredelungsvorgänge in § 60 Abs. 2 UStDB im Hinblick auf das Anrechnungsverfahren. Soweit im übrigen Befreiungen gewährt worden sind, z. B. in den Fällen des § 62 Abs. 1 und 2 UStDB von der Zusatzsteuerpflicht, sollte die Befreiung die Wettbewerbsfähigkeit wirtschaftlich schwacher Unternehmen stärken.

Haben in den angeführten Fällen die unter Inanspruchnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG erlassenen Vorschriften tatsächlich zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung unbilliger Härten gedient, so kann dies nicht in gleicher Weise für § 48 UStDB angenommen werden. § 48 UStDB stellt eine reine Befreiungsvorschrift dar. Befreiungsvorschriften stellen im Regelfall nicht eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung her. Sie führen in den meisten Fällen gerade zu Ungleichmäßigkeiten. Im Hinblick auf diese allgemeine Natur der Befreiungsvorschriften ist schon sehr zweifelhaft, ob die Ermächtigungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG ihrem Inhalt nach den Erlaß einer Befreiungsvorschrift zuläßt.

Darüber hinaus hat das BVerfG in dem o. a. Beschluß vom 11. Februar 1958 die gerade für den Erlaß von Befreiungsvorschriften vorgesehene Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG einschränkend dahin ausgelegt, daß aufgrund dieser Ermächtigung nur im Gesetz vorgesehene Befreiungen konkretisiert werden können. Es erscheint unter diesen Umständen ausgeschlossen, daß § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG über die Ermächtigung der Nr. 2 hinaus zu weiteren im Gesetz selbst nicht enthaltenen Befreiungen eine Handhabe bietet.

Unter diesen Umständen ist der Senat der Auffassung, daß § 48 UStDB weder durch die Ermächtigung des § 18 Abs. 1 Nr. 2 UStG noch die des § 18 Abs. 1 Nr. 3 UStG gedeckt ist. Die Vorschrift ist deshalb nichtig.

Im Hinblick auf diese festgestellte Nichtigkeit des § 48 UStDB braucht nicht mehr auf das Vorbringen der Antragstellerin eingegangen zu werden, die Ermächtigung stehe im Widerspruch zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.

4. Die Ablehnung der Ausfuhrhändlervergütung rechtfertigt sich schließlich auch nicht aus den verfassungsrechtlichen Bedenken, die in neuerer Zeit in Literatur und Rechtsprechung insbesondere im Beschluß des II. Senats II 68, 91/64 vom 15. Oktober 1968 gegen die Zuständigkeit der FÄ für die Umsatzsteuerverwaltung erhoben wurden. Der Senat hat zu dieser Frage bereits eingehend in seinem Urteil V R 128/66 vom 27. Juni 1968 (BFH 92, 144, BStBl II 1968, 448) Stellung genommen und die Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 FVG bejaht. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.

5. Ist § 48 UStDB nichtig, so steht der Antragstellerin die beantragte Ausfuhrhändlervergütung zu. Die Frage, ob die Lieferung an den Ausfuhrhändler steuerpflichtig ist (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 UStDB), ist, wie die Vorentscheidung zutreffend ausgeführt hat, allein danach zu entscheiden, ob die Lieferung nach dem Gesetz der Umsatzsteuer unterlegen hat, nicht aber, ob die Umsatzsteuer vom FA tatsächlich festgesetzt und erhoben worden ist oder nicht, gleichgültig aus welchen Gründen dies geschehen ist. Soweit die Lieferungen an die Antragstellerin aus Berlin stammen und deshalb nach dem Berlinhilfegesetz steuerfrei gewesen sind, schadet dies nicht (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr).

Der Antragstellerin steht demnach Ausfuhrhändlervergütung in der vom FG festgesetzten Höhe zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68490

BStBl II 1969, 328

BFHE 1969, 63

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