Leitsatz (amtlich)
1. Die unrichtige Auskunft einer unteren Verkehrsbehörde über den Nahzonenbereich hindert nicht die Geltendmachung der Beförderungsteuer (kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben).
2. Zur Berechnung der tkm ist von der tatsächlich durchfahrenen Straßenstrecke auszugehen.
Normenkette
BefStG § 11 Abs. 1 Nr. 2 b; GüKG § 2 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Nachforderung von Beförderungsteuer gegen Treu und Glauben verstößt.
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige –Stpfl.–) ist Transportunternehmer und Baustoffhändler. Standort seiner Fahrzeuge ist D. Eine Genehmigung für den Güterfernverkehr lag nicht vor. Bei einer Beförderungsteuerprüfung im Mai 1960 hat das mit der Revision beklagte Finanzamt (FA) als Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion (OFD) festgestellt, daß der Stpfl. in den Jahren 1955 und 1956 in zahlreichen Fällen Kies und Sand von B nach D gefahren hat. B hat vom 20. April 1953 bis zum 28. Juli 1956 außerhalb des Nahzonenbereiches des Standortes D gelegen. Das FA hat die bis zum 28. Juli 1956 erbrachten Beförderungsleistungen als Werkfernverkehr bzw. als nicht genehmigten Güterfernverkehr angesehen und mit 3 Pf. je tkm zur Beförderungsteuer herangezogen. Zur Berechnung der tkm ist als Tarifbahnhof für die Entladestellen einheitlich angenommen worden. Mit zwei Beförderungsteuerbescheiden vom 10. Juni 1960 hat das FA die Beförderungsteuer für 1955 mit 75,20 DM und für 1956 mit 5 853,30 DM festgesetzt. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung der Berufung trug der Stpfl. vor, daß sein Vater vor Beginn der streitigen Transporte sowohl beim Straßenverkehrsamt in D als auch beim FA persönlich nachgefragt habe, ob B innerhalb der Nahzone von D liege. Von beiden Behörden sei dies zugesichert worden. Er habe die Beförderungsteuer in seinen Angeboten daraufhin nicht einkalkuliert. Die Steuernachforderung nehme ihm den Ertrag seiner Arbeit; sie verstoße deshalb gegen Treu und Glauben.
Das FA trägt vor, vom 20. April 1953 bis 28. Juli 1956 habe B außerhalb der Nahzone von D gelegen. Darüber hätten beim Straßenverkehrsamt und beim FA keine Zweifel bestanden.
Das Finanzgericht (FG) hat nach Beweisaufnahme die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Grundsatz von Treu und Glauben hindere die Geltendmachung der entstandenen Beförderungsteuer-Nachforderung nicht. Eine unrichtige Auskunft der Verkehrsbehörde sei unerheblich; denn die Steuerbehörden seien an die falsche oder ungenaue Bestimmung der Nahzone durch die zuständige Verkehrsbehörde genauso wenig gebunden wie an eine unrichtige Auskunft durch diese Behörde, die im übrigen ohne Beweisaufnahme zugunsten des Stpfl. als erteilt unterstellt wurde. Eine Zusicherung oder eine verbindliche Auskunft des Sachgebietsleiters des FA habe aber der Stpfl. bzw. sein Vater nicht erhalten. Dies halte die Kammer auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme für erwiesen.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Rb. hat der Stpfl. nicht begründet.
Entscheidungsgründe
Die am 15. Januar 1963 eingelegte Rb. ist gemäß § 184 Abs. 1 und Abs. 2 Nrn. 1 und 2 in Verbindung mit § 286 AO a. F. und §§ 115 ff. FGO als Revision zu behandeln. Die Revision ist zulässig und begründet. Die Entscheidung des FG verstößt gegen das geltende Recht.
Das FG hat zu Recht festgestellt, daß wegen Überschreitens der Nahverkehrszone die Beförderungsleistungen von B nach D im Jahre 1955 bis zum 28. Juli 1956 gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG zu versteuern waren.
Die Geltendmachung der Steuerforderung verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Auch wenn der Stpfl. auf Grund der vom FG unterstellten Auskunft der Verkehrsbehörde angenommen hat, daß die streitigen Beförderungen innerhalb der Nahzone erfolgt seien, kann hierauf nicht als rechtserheblich abgestellt werden; das FA ist an diese Auskunft nicht gebunden. Die Festsetzung der im § 2 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) gesetzlich definierten Nahzone durch die Verkehrsbehörde ist kein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, an den die Steuerbehörden gebunden wären (vgl. insoweit u. a. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– II 194/60 vom 17. Januar 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1963 S. 241 Nr. 236; II 144/61 vom 24. Juni 1964, HFR 1964 S. 369 Nr. 333).
Eine verbindliche Auskunft des Sachgebietsleiters der Beförderungsteuerstelle, die in der Absicht abgegeben worden wäre, das FA für die Zukunft zu binden, ist, wie das FG auf Grund der Beweisaufnahme ohne Rechtsirrtum festgestellt hat, nicht erteilt worden.
Die angefochtene Entscheidung muß jedoch aufgehoben und an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, weil die tkm gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG auf der Grundlage der Eisenbahntarifentfernung zwischen B und dem als Entladestelle angenommenen Bahnhof berechnet worden sind. Nach dem Urteil des BFH II 141/60 S vom 11. November 1964 (BFH 81, 171; BStBl III 1965, 62) ist von der tatsächlich durchfahrenen Straßenstrecke auszugehen. Die Steuer wird dementsprechend festzusetzen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 600711 |
BFHE 1966, 380 |