Leitsatz (amtlich)
Wurde ein landwirtschaftlicher Betrieb von einer Personengesellschaft übernommen, die dadurch entstanden ist, daß der bisherige Betriebsinhaber seinen Sohn an dem sonst unveränderten Betrieb gegen Einbringung seiner Arbeitskraft beteiligte, so ging auch unter der Geltung des § 161 AO die Buchführungspflicht des bisherigen Betriebsinhabers auf die Personengesellschaft über.
Normenkette
AO 1977 § 141; AO § 161
Tatbestand
Für den Veranlagungszeitraum 1968 ist streitig, ob die vom Kläger zu 1 und von dessen Sohn, dem Kläger zu 2 gegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), die eine Land- und Forstwirtschaft betreibt, zur Buchführung verpflichtet war.
Der Kläger zu 1 war als Land- und Forstwirt unstreitig bis zum 30. April 1968 zur Buchführung verpflichtet. Nach dem Vertrag vom 29. April 1968 betreibt er seit dem 1. Mai 1968 den von ihm bis dahin allein bewirtschafteten Hof zusammen mit seinem Sohn, dem Kläger zu 2, in Form einer GdbR. Von da an haben weder der Kläger zu 1 noch der Kläger zu 2 Bücher geführt. Deshalb haben sie in ihrer für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1968 abgegebenen Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft die Besteuerung nach Maßgabe des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL) vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1350, BStBl I 1965, 552) beantragt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ist dem jedoch nicht gefolgt, sondern hat in dem für den genannten Zeitraum ergangenen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid die Einkünfte der Kläger aus Land- und Forstwirtschaft mangels einer ordnungsmäßigen Buchführung aufgrund einer Schätzung ermittelt. Dabei hat es den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1968/69 für die Gesellschaft auf 27 700 DM geschätzt, hiervon 2/3, nämlich 18 466 DM, der Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1968 zugeordnet und von dem zuletzt genannten Betrag - wie im Gesellschaftsvertrag vereinbart - 2/3 = 12 311 DM dem Kläger zu 1 und 1/3 = 6 155 DM dem Kläger zu 2 zugerechnet.
Hiergegen wandten sich nach erfolglosem Einspruch beide Kläger mit ihrer Klage, die sie wie folgt begründeten:
Sie hätten zwar gegen die Höhe der Gewinnschätzung keine Einwendungen. Sie bestritten aber, einen Anlaß zur Schätzung gegeben zu haben. Eine Schätzung wäre nur dann berechtigt gewesen, wenn sie ab 1. Mai 1968 zur Buchführung verpflichtet gewesen wären. Das sei aber nicht der Fall gewesen. Denn gegen die neuen Unternehmer (Vater und Sohn) habe bisher das FA keine der für die Auslösung der Buchführungspflicht nach § 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (RGBl I 1935, 908, RStBl 1935, 955) erforderlichen Feststellungen getroffen. Auch die Voraussetzungen für die Buchführungspflicht nach § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c oder e der Reichsabgabenordnung (AO) hätten für die GdbR nicht vorgelegen. Daß für den Kläger zu 1 bis 30. April 1968 Buchführungspflicht bestanden habe, habe für die folgende Zeit keine Bedeutung. Aus diesem Grunde müßten sie, die Kläger, ab 1. Mai 1968 nach dem GDL veranlagt werden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die Auffassung des FA über den Fortbestand einer einmal begründeten Buchführungspflicht treffe nur dann zu, wenn diese Verpflichtung vom Gesetzgeber nicht zu Lasten bestimmter Personen, sondern zu Lasten bestimmter Unternehmen oder Betriebe festgelegt worden wäre. Das sei jedoch nicht geschehen. Aufgrund der Fassung des § 161 AO, der durch § 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung ergänzt worden sei, sehe sich das FG außerstande, die Buchführungspflicht, die für den Kläger zu 1 bis zum 30. April 1968 bestanden habe, auf die Personengesellschaft zu übertragen. Es verstieße gegen rechtsstaatliche Grundsätze, wenn man die Verpflichtungen zu Lasten eines Gesellschafters aufgrund bestimmter allein in seiner Person verwirklichter Tatbestände ohne weiteres auf den anderen Gesellschafter oder auf die Gesellschaft übertragen würde.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es trägt vor, die Auffassung des FG, daß bei Aufnahme eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen der Land- und Forstwirtschaft die bisher für das Einzelunternehmen bestehende Buchführungspflicht nicht fortbestehen könne, treffe nicht zu. Die Änderung der Rechtsform allein könne nicht als entscheidender Faktor für den Wegfall einer Buchführungspflicht, die bisher bestanden habe, angesehen werden. Wollte man der Auffassung des FG folgen, so müßte bei einer mehr- oder gar vielgliedrigen Personengesellschaft die Aufnahme eines weiteren Gesellschafters stets dazu führen, daß die Buchführungspflicht für alle bisherigen Gesellschafter wegfiele.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie führen u. a. aus, würde man der Revisionsbegründung folgen, so käme man zu dem rechtlich unhaltbaren Ergebnis, daß eine in der Person des A rechtmäßig festgestellte Buchführungspflicht fortbestehe, wenn der Betrieb des A von einer aus B und C bestehenden Gemeinschaft fortgeführt werde. Für die Verpflichtung einer Mehrheit von Personen zur Buchführung könne nur der von dieser Mehrheit erzielte Gewinn bzw. Umsatz maßgebend sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
In § 141 der Abgabenordnung (AO 1977) bestimmt das Gesetz ausdrücklich, daß die für den Beginn der Buchführungspflicht maßgebenden Grenzwerte beim Umsatz, Vermögen und Gewinn für den einzelnen Betrieb gelten und eine bestehende Buchführungspflicht ohne besondere Feststellung oder Mitteilung auf denjenigen übergeht, der den Betrieb im ganzen übernimmt. Danach wäre es nicht zweifelhaft, daß die Buchführungspflicht eines Land- und Forstwirts, der mit seinem Sohn zum gemeinsamen Betrieb seiner Land- und Forstwirtschaft eine GdbR gründet, in die er den gesamten Betrieb einbringt, vorerst auf diese Gesellschaft übergeht.
§ 161 AO enthielt keine derartigen ausdrücklichen Bestimmungen über die Betriebsbezogenheit der Grenzwerte für die Buchführungspflicht. Die Entscheidung, ob trotzdem die Buchführungspflicht des Klägers zu 1, die durch die Höhe seines Gewinns begründet worden war, auf die mit seinem Sohn gegründete GdbR übergegangen ist, ist daher im Wege einer Auslegung zu finden, die vom Sinn und Zweck des § 161 AO ausgehen muß. § 161 AO hatte den Sinn und Zweck, einerseits Unternehmer ab einer bestimmten Betriebsgröße, die nach drei Größenmerkmalen bestimmbar war, zur Buchführung zu verpflichten, andererseits aber zum Schutze des Steuerpflichtigen die Buchführungspflicht erst eintreten zu lassen, wenn das Überschreiten eines solchen Grenzwertes in einem an ihn gerichteten und gegen ihn wirksamen Verwaltungsakt in nachprüfbarer Weise festgestellt worden war, dann aber solange bestehen zu lassen, bis in einem späteren Verwaltungsakt wieder ein Unterschreiten dieser Grenze festgestellt worden war.
Das Wesen der in § 161 AO enthaltenen formellen Voraussetzungen für den Beginn und das Fortbestehen der Buchführungspflicht - unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen der materiellen Voraussetzungen beim Gewinn, Umsatz oder Vermögen - liegt also in ihrer Schutzfunktion für kleinere Land- und Forstwirte und kleinere Gewerbetreibende; sie dient wesentlich der Rechtssicherheit. Aus diesem Grunde hat der erkennende Senat mehrfach ausgesprochen, daß die Feststellung und Bekanntgabe der in § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c oder e AO bezeichneten Voraussetzungen für die Buchführungspflicht in einem Steuer- oder Feststellungsbescheid für den Beginn der Buchführungspflicht der Land- und Forstwirte ein unabdingbares gesetzliches Tatbestandsmerkmal darstellte, das auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben fingiert werden konnte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. März 1977 IV R 116/73, BFHE 121, 461, BStBl II 1978, 76, und vom 31. März 1977 IV R 159/76, BFHE 121, 476, BStBl II 1977, 549). Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist daher bei der Auslegung des § 161 AO die Frage zu entscheiden, ob bei der Übernahme eines Unternehmens oder einer Land- und Forstwirtschaft auf einen anderen Unternehmer bzw. Land- und Forstwirt die bisher bestehende Buchführungspflicht fortbesteht oder die formellen Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht beim Übernehmer erst neu erfüllt werden müssen.
Danach ist beim Übergang eines Betriebs im ganzen von einem Unternehmer auf einen anderen, z. B. im Wege der Betriebsveräußerung, grundsätzlich davon auszugehen, daß mangels einer anderslautenden gesetzlichen Regelung bei dem neuen Unternehmer die Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht nach § 161 AO neu erfüllt werden mußten, wenn die entsprechenden Feststellungen des FA und ihre Bekanntgabe, die zur Buchführungspflicht des bisherigen Unternehmers geführt haben, ihm gegenüber nicht mehr wirksam waren und deshalb ihre oben dargelegte Schutzfunktion nicht mehr erfüllen konnten.
War die Buchführungspflicht des bisherigen Betriebsinhabers auf eine Feststellung und Bekanntgabe seines Betriebsvermögens oder seines land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gestützt, so wirkte diese Feststellung bzw. deren Bekanntgabe nach § 219 Abs. 2 AO unmittelbar auch gegen den Rechtsnachfolger. Daher ging die auf dem Vermögen beruhende Buchführungspflicht auch nach § 161 AO auf den Rechtsnachfolger über, da in seiner Person die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Buchführungspflicht erfüllt waren. Anders war die Rechtslage, wenn die Buchführungspflicht des bisherigen Betriebsinhabers auf den festgestellten Gewinn oder den festgestellten Umsatz gegründet war. Da die betreffenden Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheide nur gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber Rechtswirkungen hatten, konnten daran für den Betriebsübernehmer keine Rechtsfolgen, auch nicht in Form einer weiterbestehenden Buchführungspflicht, geknüpft werden (vgl. auch Paulick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 161 AO Anm. 3 Abs. 3 und Anm. 6 Abs. 8). Dazu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.
Nach diesen Grundsätzen sind auch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen ein Betrieb von einer Personengesellschaft übernommen wurde. Dabei ist von Bedeutung, daß der Begriff des Unternehmers oder des Unternehmens in § 161 Abs. 1 AO und damit auch der Begriff des Land- und Forstwirts in dieser Bestimmung entsprechend § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu verstehen war (vgl. u. a. Paulick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Anm. 3 zu § 161 AO; BFH-Urteil vom 17. Dezember 1959 IV 376/56, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 161, Rechtsspruch 5). D. h., daß auch eine Mehrheit von Personen, die ein Unternehmen gemeinsam betrieb, als Unternehmergemeinschaft Unternehmer i. S. des § 161 AO sein konnte. Das hatte zur Folge, daß auch nach § 161 AO in den Fällen, in denen eine Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen oder eine Land- und Forstwirtschaft betrieb, bei der Frage der Buchführungspflicht auf den Umsatz, das Vermögen oder den Gewinn der Gesellschaft als Unternehmergemeinschaft abzustellen war. Ging der Betrieb im ganzen auf eine Personengesellschaft über, an der der bisherige Betriebsinhaber nicht beteiligt war, so konnte sie nach dem Gewinn und Umsatz erst dann zur Buchführung verpflichtet werden, wenn die Voraussetzungen des § 161 AO - also die entsprechende Feststellung und ihre Bekanntgabe in einem Feststellungsbescheid oder in einem Steuerbescheid mit dem entsprechenden Hinweis - bei ihr selbst erfüllt waren. Eine Buchführungspflicht, die bisher bestand, war also durch die Betriebsübernahme durch eine solche Personengesellschaft erloschen (vgl. BFH-Urteil IV 376/56).
Etwas anderes mußte aber dann gelten, wenn die Personengesellschaft, die den Betrieb übernahm, nur dadurch entstanden war, daß der bisherige Betriebsinhaber seinen Sohn (oder einen anderen nahen Angehörigen) an dem sonst unveränderten Betrieb gegen Einbringung seiner Arbeitskraft beteiligte. Hier waren zwar auch der Vater und der Sohn gemeinsam der Land- und Forstwirt i. S. des § 161 AO, nach dessen Umsatz, Vermögen oder Gewinn in Zukunft die Frage der Buchführungspflicht zu entscheiden war. Darauf kommt es aber für die Streitfrage, ob die Buchführungspflicht des Vaters als des bisherigen Betriebsinhabers durch die Aufnahme des Sohnes als Gesellschafter weggefallen oder auf die Gesellschaft als den nunmehrigen Inhaber ohne Unterbrechung übergegangen ist, nicht an. Entscheidend ist, daß in der Person des Vaters der bisherige Land- und Forstwirt denselben land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Rahmen einer Unternehmergemeinschaft mit seinem Sohn weiterbetrieb und dadurch - zumindest wirtschaftlich betrachtet - kein Unternehmerwechsel eingetreten ist, der die Wirkung der Verwaltungsakte des FA, die bisher die Buchführungspflicht des Vaters nach dem Gewinn unstreitig begründet haben, außer Kraft setzen und daher zum Schutze des neuen Unternehmers die erneute Erfüllung der formellen Voraussetzungen für den Beginn der Buchführungspflicht erfordern würde. Die Buchführungspflicht bestand daher trotz Aufnahme des Sohnes als Gesellschafter auch ab dem 1. Mai 1968 für die Unternehmergemeinschaft "Vater und Sohn" fort, weil eines der Mitglieder der Gemeinschaft der bisherige buchführungspflichtige Unternehmer des Betriebs war.
Dagegen ließe sich einwenden, daß die formellen Voraussetzungen für die Buchführungspflicht nur in der Person des Vaters, aber nicht in der des Sohnes als des zweiten Gesellschafters vorgelegen haben. Der erkennende Senat ist jedoch der Auffassung, daß es in derartigen Fällen ausreichte, wenn die Voraussetzungen der Buchführungspflicht in der Person desjenigen Gesellschafters gegeben waren, der den landwirtschaftlichen Betrieb in die Gesellschaft eingebracht hat. Nur diese Auslegung entspricht sowohl dem Anliegen des § 161 AO, einen Unternehmer zur Buchführung zu verpflichten, wenn und solange er bestimmte Grenzwerte seines Betriebs überschritten hat, als auch seiner oben dargelegten Funktion, den Unternehmer durch das Erfordernis entsprechender vorheriger Feststellungen des FA und ihrer Bekanntgabe vor einem überraschenden Beginn der Buchführungspflicht mit seinen weitreichenden Folgen zu schützen. Die gegenteilige Meinung des FG, die sich allein darauf stützt, daß anstelle des Klägers zu 1 die aus ihm und dem Sohn bestehende Personengesellschaft Unternehmer des Betriebs geworden ist, stellt eine nur formale Auslegung des § 161 AO dar, die nicht berücksichtigt, daß der neue Unternehmer als Gemeinschaft aus zwei Personen bestand, von denen die eine der bisherige Unternehmer war, der den ganzen Betrieb auch weiterhin mit fortführte. Damit hat die Personengesellschaft i. S. des § 161 AO auch die Rechtsstellung des bisherigen Einzelunternehmers übernommen (vgl. dazu auch § 22 Abs. 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes 1969). Mit dem dargelegten Sinn und Zweck des § 161 AO wäre es unvereinbar, wenn jeder buchführungspflichtige Land- und Forstwirt seine Buchführungspflicht dadurch hätte abwenden und zur Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen mit ihren weit niedrigeren Gewinnen hätte übergehen können, daß er - ohne daß bei ihm die sachlichen und formellen Voraussetzungen der Buchführungspflicht nach § 161 AO weggefallen wären - einen im Betrieb mitarbeitenden Angehörigen durch Gesellschaftsvertrag am Betrieb beteiligt hätte.
Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, war aufzuheben. Die Klage war, da weitere Einwände gegen den angefochtenen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid nicht erhoben wurden, als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 72792 |
BStBl II 1978, 477 |
BFHE 1979, 1 |