Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt die Tilgung des steuerlichen Ausgleichspostens, der als Folge einer geringeren Bewertung von Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens durch das Finanzamt in die Aktivseite der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz eingesetzt wird (steuerliches Minderkapital), eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter dar?

 

Normenkette

KStG § 17; DMBG § 73 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin - Bgin. - (GmbH) wurde am 15. Oktober 1946 mit einem Stammkapital von 20 000 RM gegründet. In ihrer Bilanz vom 20. Juni 1948 wies sie einen Verlust von 13 652,68 RM aus, der sich aus einem Verlustvortrag in Höhe von 14 662,43 RM aus 1946 und 1947 und aus einem Gewinn von 1 009,75 RM aus I/1948 zusammensetzte. In der Handelsbilanz zum 21. Juni 1948 (DM-Eröffnungsbilanz) hat sie ein Stammkapital von 10 000 DM eingesetzt. Das Finanzamt war auf Grund einer Betriebsprüfung der Ansicht, daß der Posten Geschäftsausstattung", der in der Bilanz mit 2 829 DM enthalten ist, zu hoch bewertet sei und erkannte lediglich einen Betrag von 1 263 DM an. Der Betriebsprüfer, der im März 1952 die Prüfung durchführte, bemerkte hierzu folgendes.

Die Firma habe die Bewertung der Geschäftsausstattung in der DM-Eröffnungsbilanz nach der Preisgrundlage der RM-Zeit durchgeführt und im Zeitraum II/1948 und 1949 eine Teilwertabschreibung in Höhe von 1 566 DM auf die in der RM-Zeit zu überhöhten Preisen angeschafften Einrichtungsgegenstände vorgenommen. Dies sei nicht zulässig. Die Werte würden wie folgt berechnet.

Handelsbilanzwert zum 21. Juni 1948 -------------- 2 829 DM, davon ab Teilwertabschreibung wegen überhöhter RM-Aufwendungen ---------------------------- 1 566 DM, Wert laut Prüferbilanz zum 21. Juni 1948 ---- 1 263 DM. Den Betrag von 1 566 DM setzte der Prüfer auf der Aktivseite der DM-Eröffnungsbilanz als steuerliches Minderkapital an. Die Firma erkannte diese Bilanzierung mit Schreiben vom 15. Juli 1952 an. Während die Firma für die vereinigten Geschäftsjahre II/1948 und 1949 einen Verlust von 4 493 DM auswies, kam der Betriebsprüfer, dem das Finanzamt im wesentlichen folgte, zu einem Gewinn von 5 051 DM. In der Bilanz zum 31. Dezember 1949 weist die Firma ein Stammkapital von 35 000 DM aus. Der Zeitpunkt der Erhöhung des Stammkapitals ist aus den Akten nicht klar zu ersehen.

Strittig ist das Jahr 1950. Hier hat die Firma mit Verlust abgeschnitten, den das Finanzamt auf 5 822 DM berechnete. Trotzdem setzte das Finanzamt Körperschaftsteuer in Höhe von 80 DM fest und begründete das damit, daß das steuerliche Minderkapital aus dem im Jahre II/1948 und 1949 erzielten Gewinn getilgt werden müsse, und daß diese Tilgung eine verdeckte Gewinnausschüttung im Jahre 1950 darstelle, die der Mindestbesteuerung unterliege. Hierbei stützte es sich auf Ausführungen in der Finanz-Rundschau 1951 S. 129, 245 und 333.

Die Berufung der Firma war von Erfolg. Das Finanzgericht führte folgendes aus. Man könne das steuerliche Minderkapital als negative Rücklage ansehen, für die die gleichen Grundsätze gelten würden wie für eine echte Rücklage auf der Passivseite der Bilanz. Für eine solche Rücklage bestehe kein Auflösungszwang. Es bestehe vor allen Dingen die Möglichkeit, es über eine Kapitalherabsetzung ohne Vermögensausschüttung zu beseitigen.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers macht geltend, das steuerliche Minderkapital habe weniger den Charakter einer negativen Rücklage als vielmehr den einer Einzahlungsverpflichtung. Der Unterschied bestehe nur darin, daß eine Einzahlungsverpflichtung auch in der Handelsbilanz offen ausgewiesen werde und gesetzlich zugelassen sei. Ein Minderkapital kenne das D-Markbilanzgesetz nur in der Form des Kapitalentwertungskontos (§§ 36, 37 des D-Markbilanzgesetzes - DMBG - ). Die Funktion dieses Kontos sei insofern die gleiche wie die des steuerlichen Minderkapitals, als es die dem haftenden Kapital fehlende Deckung ausweise. Für das Kapitalentwertungskonto habe es aber ausdrücklich der Bestimmung des § 73 Abs. 3 DMBG bedurft, um seine Tilgung aus dem Gewinn von der Einkommensteuer zu befreien. Die Tilgung des steuerlichen Minderkapitals aus Gewinnen sei deshalb notwendigerweise eine verdeckte Gewinnausschüttung. Allein aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsse die Tilgung nach Gewinnjahren verlangt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß ohne Erfolg bleiben.

Im vorliegenden hat das sogenannte steuerliche Minderkapital (steuerlicher Ausgleichsposten) starke wirtschaftliche Berührungspunkte mit dem Kapitalentwertungskonto im Sinne des § 36 Abs. 3 DMBG. Der Posten beruht allerdings nicht auf einem ausdrücklichen Beschluß der Gesellschafter, sondern auf einer Berichtigung des Wertansatzes für das Inventar durch das Finanzamt. Zu dieser Berichtigung war das Finanzamt nach § 74 Abs. 1 DMBG berechtigt, da die handelsrechtliche DM-Eröffnungsbilanz steuerlich nur insoweit bindet, als sie den Vorschriften des D-Markbilanzgesetzes entspricht. Die bürgerlich-rechtliche Wirkung einer überbewertung von Gütern des Anlage- oder Umlaufsvermögens in der DM-Eröffnungsbilanz ist eine Frage, die in der Hauptsache die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Es gelten hier die vom Senat wiederholt ausgesprochenen Grundsätze über die Bedeutung ihrer Rechtsprechung für die Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagung (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 10/52 S vom 8. Februar 1952, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 71).

Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der DM-Eröffnungsbilanz richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Handelsrechts. Von Bedeutung sind hierbei insbesondere die §§ 195 Ziff. 3 und 202 Abs. 1 Ziff. 2 des Aktiengesetzes. Ihre Bestimmungen sind auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung entsprechend anzuwenden. Siehe Anmerkung 6 zu § 47 des Klein-Kommentars zum Gesetz betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung von Scholz, Verlag Dr. O. Schmidt KG, Köln 1950.

Wie in dem Erläuterungsbuch zum Aktiengesetz von Baumbach-Hueck (Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 7. Aufl. § 195 Anmerkung 3 D) ausgeführt wird, ist es praktisch unmöglich, an jede Verletzung von Bilanzierungsvorschriften die Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses zu knüpfen. Das Reichsgericht hat in der Entscheidung II 135/35 vom 29. November 1935 (Juristische Wochenschrift 1936 S. 919) eine unheilbare Nichtigkeit des Bilanzfeststellungsbeschlusses dort angenommen, wo eine willkürliche, kaufmännisch schlechthin nicht zu rechtfertigende überbewertung von Aktiven oder eine ebensolche Unterbewertung oder Nichtaufnahme von Schulden in die Bilanz vorliegt. In der Entscheidung II 181/36 vom 4. Juni 1937 (Juristische Wochenschrift 1937 S. 2272) war es der Auffassung, daß die bloße objektive Unrichtigkeit der auf Schätzung beruhenden Bewertung nicht einmal zur Anfechtung eines Bilanzgenehmigungsbeschlusses der Generalversammlung genüge. Die Unrichtigkeit müsse auf absichtlichem, willkürlichem oder kaufmännisch nicht mehr vertretbarem Verhalten der Versammlungsmehrheit beruhen. Siehe auch Entscheidung des Reichsgerichts II 94/38 vom 25. Januar 1939 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 159 S. 321/336), die die Rechtsprechung im einzelnen mitteilt. Diese Rechtsauffassung deckt sich mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wie sie insbesondere in dem Urteil I A 110/33 S vom 23. Mai 1935 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1935 S. 1467) zum Ausdruck kommt. Hiernach ist eine nichtige Bilanz dann nicht gegeben, wenn der Ansatz noch in den Grenzen einer allenfalls denkbaren Schätzung liegt. Weitere Entscheidungen des Reichsgerichts siehe "Die Wirtschaftsprüfung" 1951 S. 243.

Im vorliegenden Falle weicht die Bilanzsumme der Aktivseite des Prüfers nur um rund 15,5 % von der Bilanzsumme der Handelsbilanz der Firma ab. Auch absolut betrachtet handelt es sich nicht um einen sehr hohen Betrag. Man wird eine derartige Abweichung nur als eine Abweichung im Rahmen der oben dargestellten Grenzen ansehen müssen. Hierzu kommt, daß die Firma berechtigt gewesen wäre, das gleiche Stammkapital im Rahmen des § 36 Abs. 3 DMBG zu beschließen. Unter diesen Verhältnissen wird davon auszugehen sein, daß hinsichtlich des Stammkapitals eine Nichtigkeit des Festsetzungsbeschlusses nach § 195 Ziff. 3 des Aktiengesetzes nicht gegeben ist.

Des weiteren ist der Beschluß auch nicht durch eine Klage nach dem § 58 und § 59 DMBG angefochten worden.

Die Festsetzung des Stammkapitals auf 10 000 DM muß somit als handelsrechtlich wirksam angesehen werden. Die Rechtslage gleicht derjenigen, wo ein entsprechendes Kapitalentwertungskonto errichtet worden ist. Es wird in diesen Fällen nicht erst durch die Beseitigung des Postens mit Hilfe von Gewinnen der Wirtschaftsjahre nach dem 20. Juni 1948 das Kapital erhöht, sondern das Kapital ist bereits in der DM-Eröffnungsbilanz auf den dort ausgewiesenen Betrag wirksam festgesetzt worden. Siehe hierzu auch Finanz-Rundschau 1951 S. 205.

§ 73 Abs. 3 Satz 2 DMBG ordnet an, daß die Verwendung von Gewinnen zur Tilgung von Kapitalentwertungskonten bei den Gesellschaftern keine Steuern vom Einkommen und Ertrag begründen. Er enthält jedoch keine unmittelbare Bestimmung hinsichtlich der Mindestbesteuerung bei der Gesellschaft. Es wird aber seinen Grundsätzen entsprechen, weder bei der Gesellschaft noch bei den Gesellschaftern eine verdeckte Gewinnausschüttung und eine Steuerpflicht hinsichtlich dieses Vorganges anzunehmen.

Im vorliegenden Falle führt die Firma kein offenes, sondern ein stilles Kapitalentwertungskonto durch die überbewertung des Inventars. In der steuerlichen Bilanz wird es offen ausgewiesen und als steuerliches Minderkapital (steuerlicher Ausgleichsposten auf Grund der geringeren Bewertung des Inventars) bezeichnet. Der Rb. des Finanzamtsvorstehers (siehe auch steuerliche Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz - DMBR - Abschn. 61b) ist darin beizupflichten, daß handelsrechtlich der Ausgleichsposten nicht einem Kapitalbewertungskonto gleichzustellen ist. Das Kapitalentwertungskonto muß im Interesse des Gläubigerschutzes in der Handelsbilanz offen ausgewiesen werden. Wirtschaftlich betrachtet entspricht aber der Posten im übrigen einem Kapitalentwertungskonto. Da steuerlich die wirtschaftlichen Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, wird man dort, wo beim Ausgleichsposten die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein Kapitalentwertungskonto im Sinne des § 36 DMBG gegeben sind, die Vorschrift des § 73 Abs. 3 DMBG hinsichtlich der Körperschaftsteuer entsprechend anzuwenden haben. Beachtlich erscheint es auch, daß § 47 Abs. 2 DMBG die Bildung eines Kapitalentwertungskontos auch bei einer nachträglichen Berichtigung der DM-Eröffnungsbilanz ausdrücklich vorsieht. Die Rechtslage kann anders sein, wenn hinsichtlich des steuerlichen Ausgleichspostens die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein gleichartiges Kapitalentwertungskonto nicht erfüllt sind.

Das Finanzamt hat eine Gewinnausschüttung 1950 angenommen. Es hat somit in diesem Jahre den Gewinn 1949 mit dem steuerlichen Minderkapital ausgeglichen. Hierbei ging es davon aus, daß der Ausgleich keinen besonderen Gesellschafterbeschluß erfordert, sondern sich von selbst zu Lasten des steuerlichen Gewinns vollzieht. Folgt man dieser Würdigung, so tritt der Ausgleich dann ein, wenn der Gewinn tatsächlich entstanden ist, also bereits am 31. Dezember 1949, nicht erst im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Genehmigung der Bilanz. Siehe im übrigen auch die Vorschriften des § 28 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung hinsichtlich der Mindestbesteuerung. Die Firma ist im Ergebnis in gleicher Weise vorgegangen. Sie hat in der Bilanz zum 31. Dezember 1949 Abschreibungen auf das Inventar in Höhe von 1 566 DM zu Lasten des Jahresergebnisses vorgenommen. Der Ausgleich würde dann - die Rechtsauffassung des Finanzamts unterstellt - eine Gewinnausschüttung 1949 bedeuten. Für 1949 käme aber eine Mindestbesteuerung nicht in Frage, da die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes nicht gegeben sind.

Die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407629

BStBl III 1953, 141

BFHE 1954, 356

BFHE 57, 356

BB 1953, 464

DB 1953, 458

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