Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Körperschaftsteuer Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gewerbliche Einkünfte, die eine GmbH aus der gewinnbringenden Veräußerung ihrer Schiffe erzielt, führen bei dem inländischen Einzelunternehmer, dem die GmbH nach § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG untergeordnet ist, nicht zu einem von der Gewerbesteuer ausgenommenen Veräußerungsgewinn.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2, § 7; KStG §§ 5-6; EStG § 16; KStDV § 15
Tatbestand
Der am 22. Oktober 1956 verstorbene Reeder S. (Steuerpflichtige), dessen Erben (Bg.) von einem Testamentsvollstrecker vertreten werden, war 1953 Alleininhaber der Gebr. S. Viehimport- und Viehversicherungsunternehmen. Als aus veterinärpolizeilichen Gründen die Vieheinfuhr auf dem Seeweg durchgeführt werden mußte, erwarb die Firma zu diesem Zweck ein deutsches Schiff. Die Umschreibung des Dampfers im Schiffsregister scheiterte daran, daß der Steuerpflichtige nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Aus diesem Grund wurde die Reederei S. GmbH gegründet, deren alleiniger Gesellschafter der Steuerpflichtige ab ... war. Im Jahr 1953 veräußerte die GmbH Schiffe, die praktisch ihren wesentlichen Gewerbebetrieb darstellten, wodurch gegenüber dem Buchwert ein Veräußerungsgewinn entstand.
Der Gesellschaftsvertrag der GmbH bestimmt in § 2, daß Gegenstand des Unternehmens der Betrieb von Reedereigeschäften in Diensten und nach Weisungen der Firma Gebr. S. ist, in deren Auftrag und Rechnung die GmbH im eigenen Namen handle, ohne jedoch eigenen Gewinn erzielen zu können. Das Finanzamt rechnete den Veräußerungsgewinn dem Gewerbeertrag des Steuerpflichtigen zu und veranlagte ihn damit zur Gewerbesteuer. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Steuerausschuß ging von einem Organschaftsverhältnis des Steuerpflichtigen als Organträger zu der GmbH als Organgesellschaft aus. Zwar sei bei der Gewerbesteuer das Organ im Gegensatz zum Körperschaftsteuerrecht nicht persönlich steuerpflichtig, aber auch nicht als Betriebstätte des Organträgers zu behandeln. Da das Organ nicht selbst zur Gewerbesteuer zu veranlagen sei, müsse sein Gewerbeertrag zu dem bei Kapitalgesellschaften auch Veräußerungsgewinne gehören, dem Organträger zugerechnet werden.
Die im wesentlichen auf die bei der Gewerbesteuer anzuwendende Filialtheorie gestützte Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung mit der Regelung des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG, wonach die GmbH nur als Teil des Organträgers, nicht als selbständiger Betrieb anzusehen sei. Der einschränkenden Auslegung dieser Vorschrift durch den Bundesfinanzhof (Urteil I 29/53 U vom 6. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 329, Slg. Bd. 58 S. 101), wonach die Vorschrift nur deshalb in das Gesetz eingefügt worden sei, um die Gemeinden gegen willkürliche Gewinnverlagerung durch Konzernunternehmen zu schützen, könne nicht gefolgt werden. Insofern handle es sich um Beweggründe, die im Gesetz keinen Ausdruck gefunden hätten. Die wörtliche Auslegung des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG führe keinesfalls zu einem völlig sinnwidrigen Ergebnis. Der Veräußerungsgewinn habe demnach als von dem Steuerpflichtigen und nicht von der GmbH erzielt zu gelten, so daß insoweit die Gewerbesteuerpflicht entfalle.
Mit der Rb. wendet sich der Vorsteher des Finanzamts mit folgender Begründung gegen die Vorentscheidung:
Der Bundesfinanzhof habe in ständiger Rechtsprechung auch für die Gewerbesteuer die hier vom Finanzgericht in reiner Form angewandte Filialtheorie abgelehnt. Die Auslegung des Finanzgerichts widerspreche dem Sinn und Zweck, der wirtschaftlichen Bedeutung und insbesondere der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG. Sie stoße auch in sachlicher Hinsicht auf schwerwiegende Bedenken. Die Ermittlung des Gewerbeertrags lehne sich eng an die ertragsteuerlichen Gewinnvorschriften an. Diese beruhten auf der Buchführung der gewerblichen Unternehmungen. Organträger und Organ besäßen keine einheitliche Buchführung. Die getrennte Bilanzierung werde aber von der Rechtsprechung - insbesondere in dem erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs I 29/53 U - als besonders bedeutsam für die gewerbesteuerliche Behandlung der Organschaft angesehen. Auch auf § 5 GewStG lasse sich die Rechtsauffassung des Finanzgerichts nicht stützen. Daß bei der Gewerbesteuer nur der Organträger als Steuerschuldner zu behandeln sei, schließe die subjektive Steuerpflicht des Organs nicht aus.
Nach Auffassung der Bg. entfällt bei der Gewerbesteuer mit der subjektiven auch die objektive Steuerpflicht. Der Gesamtertrag der verbundenen Unternehmen sei Gewerbeertrag des Organträgers. Bei dem Steuerpflichtigen als einer natürlichen Person sei aber der Veräußerungsgewinn nicht gewerbesteuerpflichtig. Die Steuerpflicht entfalle auch bei Bestehen eines Treuhandverhältnisses, dessen Vorliegen hier gegebenenfalls geprüft werden müsse. Die Begründung der Vorentscheidung gehe zu Unrecht nicht auf die flaggenrechtlichen Umstände ein, die den Steuerpflichtigen zur Gründung einer eigenen GmbH gezwungen hätten, um überhaupt in Deutschland arbeiten zu können. Die daraus abgeleitete Steuerpflicht stelle besonders gegenüber dem Staatsangehörigen eines Landes, dem von deutscher Seite die zollrechtliche Meistbegünstigung eingeräumt worden sei, eine unzulässige steuerliche Diskriminierung dar.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Voraussetzungen der Organschaft sind im Körperschaftsteuerrecht und im Gewerbesteuerrecht gleich. Gewerbesteuerrechtlich führt jedoch bereits die Anerkennung der Organschaft ohne Vorliegen einer Ergebnisausschlußvereinbarung zur Organschaftsbesteuerung. Das Organ wird bei der Gewerbesteuer als Betriebstätte des beherrschenden Unternehmens behandelt. Die Gewerbeerträge der beiden Unternehmen werden jedoch getrennt ermittelt, alsdann zusammengerechnet und bei dem Organträger zur Gewerbesteuer veranlagt (Urteile des Bundesfinanzhofs I 29/53 U, a. a. O., I 254/55 U vom 31. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 91, Slg. Bd. 62 S. 246, und I 162/60 U vom 27. September 1960, BStBl 1960 III S. 471, Slg. Bd. 7 S. 594). Auch bei der hier vorliegenden Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag wird die organschaftliche Einheitstheorie nicht durchgeführt (Mersmann, "Die steuerliche Behandlung der Konzerne", Steuerberaterjahrbuch 1963/64 S. 53 ff. (S. 83)). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs soll die dem Wortlaut nach für die Einheitstheorie sprechende Vorschrift des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG im wesentlichen dazu dienen, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Gemeinden hinsichtlich der Gewerbesteuer herbeizuführen.
Es erscheint zweifelhaft, ob diesem, im Gesetz nicht ausdrücklich hervorgehobenen Schutz der gemeindlichen Interessen eine so weitgehende Bedeutung beigemessen werden kann und ob es nicht nach der Fassung des Gesetzes richtiger ist, der gewerbesteuerlichen Behandlung der Organschaft die Filialtheorie uneingeschränkt zugrunde zu legen (so insbesondere Wilser "Zur gewerbesteuerlichen Rechtsfähigkeit von Organgesellschaften" in Der Betriebs-Berater 1960 S. 659). Das würde bedeuten, daß der Gesamtertrag der verbundenen Unternehmen bei dem Organträger nach dessen Besteuerungsmerkmalen zur Gewerbesteuer heranzuziehen wäre.
Dieser auf der Einheitstheorie beruhenden Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen. So uneingeschränkt, wie es das Finanzgericht angenommen hat, gilt die Filialtheorie nicht bei der Gewerbesteuer. Das Organ wird jedenfalls in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs nicht in jeder Hinsicht als bloße Betriebstätte des Organträgers behandelt (vgl. hierzu Mersmann, a. a. O. S. 75). Der vorliegende Fall erfordert keine grundsätzliche Stellungnahme zu dieser Frage, da der hier strittige Gewerbeertrag nicht aus einer Veräußerung eines Betriebs im ganzen oder eines Teilbetriebs entstanden ist. Der Gewerbeertrag entstand aus der Veräußerung von Schiffen der GmbH als Organgesellschaft. Mag auch dieser Schiffspark die wesentliche Grundlage des Betriebs der GmbH gewesen sein, so blieb doch die GmbH weiter bestehen. Sie würde ohne Zweifel mit dem Gewinn aus der Veräußerung der Schiffe der Gewerbesteuer unterliegen, wenn sie als die in Betracht kommende Steuerpflichtige zu behandeln wäre. Andererseits hat der Steuerpflichtige als Organträger auch nicht die Anteile an der GmbH veräußert, deren Gewinn nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 162/60 U zum gewerbesteuerlichen Ertrag des Steuerpflichtigen zu rechnen wäre. In seiner gewerbesteuerlichen Lage hat sich sonach überhaupt nichts geändert.
Der Senat hält es angesichts der tatsächlichen Vorgänge nicht für zulässig, einerseits darüber hinwegzugehen, daß bei der GmbH keine steuerbegünstigte Betriebsveräußerung, sondern ein normal zu besteuernder Veräußerungsvorgang vorliegt, andererseits anzunehmen, daß beim Steuerpflichtigen als einem Einzelunternehmer die Veräußerung der wesentlichen Grundlagen des bisherigen Schiffsbetriebs nicht zu einer Gewerbesteuer führen kann.
Bezüglich des von den Bg. geltend gemachten Treuhandverhältnisses anstelle oder neben der Organschaft und hinsichtlich des Vorwurfs der steuerlichen Diskriminierung wird auf das zur Einkommensteuer 1953 ergangene Urteil I 337/60 U vom gleichen Tag verwiesen (BStBl 1965 III S. 440).
Fundstellen
Haufe-Index 423863 |
BStBl III 1965, 449 |
BFHE 1965, 559 |
BFHE 82, 559 |
BB 1965, 856 |
DB 1965, 1126 |