Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Wenn der gemeine Wert eines Schlosses nach seinem Brandversicherungsanschlag unter Ausscheidung nicht nutzbarer Gebäudeteile (Türme, Wehrgänge usw.) ermittelt worden ist, so rechtfertigt dies allein noch nicht, Kriegsschäden an solchen Gebäudeteilen bei Fortschreibung des Einheitswerts des Schlosses unberücksichtigt zu lassen.
Normenkette
BewG §§ 10, 9, 52, 74, 78; BewDV § 32; BewG § 75; BewDV § 33; BewG § 76; FortschrG §§ 3-4; BewG § 22
Tatbestand
Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat zweckmäßig, zunächst ohne eine solche durch Vorbescheid gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) zu erkennen. Streitig ist die Fortschreibung des Einheitswerts für das dem Beschwerdeführer (Bf.) gehörige Schloß auf den 21. Juni 1948. Das Schloßgebäude hat seine jetzige Gestalt durch Errichtung des Mittelbaus und Umbaus der bestehenden älteren Teile im Jahre 1852 erhalten. Die alten Einheitswertakten sind im Krieg verloren gegangen. Jedoch ist unstreitig, daß der Einheitswert 1935 86.000 RM betragen hat. Hiervon entfielen auf den Gebäudewert 53.500 RM = 45 v. H. des im Jahre 1935 gültigen Brandversicherungsanschlags von 118.000 RM. Die Zugrundelegung dieses Hundertsatzes des Brandversicherungsanschlags für die Einheitsbewertung 1935 ist, soweit ersichtlich, im Hinblick auf die mangelnde Nutzbarkeit gewisser Schloßteile wie Wehrgänge, Türme, Tore zur Anpassung an den gemeinen Wert erfolgt. Die beantragte Wertfortschreibung wurde mit Kriegs- und Kriegsfolgeschäden begründet. Durch die in den letzten Kriegstagen erfolgte Sprengung der Kastanien an der Ortsstraße zwecks Errichtung von Straßensperren wurde nach der Darstellung des Bf. das Schloß in Mitleidenschaft gezogen. Dach, Türme und Schornsteine wurden beschädigt. Besonders der starke Westturm wurde in solchem Umfang erschüttert, daß sich nach Angabe des Bf. gefährliche Risse, hauptsächlich an den statisch stark beanspruchten Ecken zeigten, die zur Vermeidung des gänzlichen Verfalls des Bauteils umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich machten. Im Februar 1946 seien 150 Heimatvertriebene in das Schloß eingewiesen worden. Erst Mitte 1950 seien 80 Personen in anderen Wohnungen untergebracht worden. Noch im März 1952 sei das Schloß von 20 eingewiesenen Personen bewohnt gewesen. Durch diese starke Belegung seien große Schäden am Mauerwerk, den sanitären Einrichtungen, der elektrischen Installation, an Fenstern, Türen, Treppen, Fußböden sowie Wasserschäden an Decken und Wänden entstanden. Ferner seien die Schloßeinfriedung und das schmiedeeiserne Einfahrtstor durch die Sprengung an mehreren Stellen beschädigt und außerdem der Schloßpark durch die eingewiesenen Bewohner verunreinigt worden und verwahrlost. Die Wiederinstandsetzungskosten betragen nach dem Gutachten des Architekten bei einem für 1952 angesetzten Bauindex von 320 v. H. 125.000 DM. Die Vorbehörden haben den Antrag auf Wertfortschreibung abgelehnt. Die angefochtene Entscheidung führt im wesentlichen folgendes aus: Unmittelbare Kriegsschäden seien nur die durch die Sprengung verursachten Schäden, die 1/20 des Einheitswerts des letzten Feststellungszeitpunkts nicht erreichten. Die in dem Schloß durch Einweisung von Vertriebenen entstandenen Schäden seien weder Kriegsschäden noch Kriegsfolgeschäden im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes betr. Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz). Vielmehr handle es sich bei den von der Gemeinde zur Unterbringung der Vertriebenen ergriffenen Maßnahmen um allgemein übliche Eingriffe auf Grund der Wohnungszwangswirtschaft. Es könne daher im Streitfalle eine Wertfortschreibung nur erfolgen, wenn die Wertabweichung von dem alten Einheitswert gemäß § 4 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes mehr als 1/5 betrage. Dies sei nicht der Fall.
Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.). Sie macht geltend, daß die Ablehnung der Wertfortschreibung bei der absoluten Höhe der erforderlichen Instandsetzungskosten sowie im Hinblick auf das Verhältnis derselben zu dem im Einheitswert 1935 enthaltenen Gebäudewert wirtschaftlich untragbar sei. Ferner sei zu berücksichtigen, daß auch Bestandsveränderungen vorlägen. Für die Bemessung der Wertgrenzen käme daher § 4 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes zur Anwendung. Schließlich bestreitet die Rb., daß es sich bei der Belegung des Schlosses um die üblichen Eingriffe auf Grund der Wohnungswirtschaft gehandelt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß die Unterbringung der Vertriebenen durch die Gemeinde keine Kriegsfolgeschäden im Sinne des § 1 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes darstellt. Das Urteil des Senats III 258/51 S vom 28. November 1952 (Slg. Bd. 57 S. 5 Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 6) betrifft einen anderen Sachverhalt und erlaubt keinen Schluß darauf, daß die Belegung des Schlosses mit Vertriebenen durch die Gemeinde ebenfalls als Kriegsfolgeschaden anzusehen sei. Dagegen bestehen Bedenken gegen die vom Finanzgericht vorgenommene Berechnung des auf den Fortschreibungszeitpunkt neu zu ermittelnden Einheitswerts. Das Finanzgericht geht davon aus, daß der Gebäudewert des Schlosses bei der Einheitsbewertung 1935 mit 45 v. H. des Brandversicherungsanschlags 1935 von 118.000 RM angesetzt worden sei. Von dem Brandversicherungsanschlag 1942 von 121.400 RM seien für nicht benutzbare Gebäudeteile (Türme, Treppenbauten) 26.000 RM ab- und für Zubehör (Warmwasserheizung usw.) 19.200 RM zuzusetzen. Als Ausgangswert für die Ermittlung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 ergebe sich daher ein bereinigter Brandversicherungsanschlag von 117.500 RM. Instandsetzungskosten seien für die nicht benutzbaren Gebäudeteile in Höhe von 30.000 DM außer Ansatz zu lassen. Dadurch ermäßigten sich die in dem Gutachten aufgeführten Instandsetzungskosten von 125.000 DM auf 95.000 DM, und bei Umrechnung auf den Bauindex von 100 v. H. (der auch dem Brandversicherungsanschlag zugrunde liege) ergebe sich für die in dem Brandversicherungsanschlag enthaltenen Gebäude ein Schaden von rund 29.700 RM. Der Brandversicherungsanschlag von 117.500 RM verringere sich danach auf 87.800 RM. Setze man gemäß der Verwaltungsanordnung 60 v. H. von 87.000 RM als Gebäudewert für den 21. Juni 1948 an, so ergebe sich ein Betrag von 52.680 RM bzw. DM gegenüber einem im letzten Einheitswert enthaltenen Betrag von 53.500 RM. Der erforderliche Wertunterschied für eine Wertfortschreibung sei somit nicht erreicht. Diese Ermittlung des Gebäudewerts auf den 21. Juni 1948 enthält verschiedene Unstimmigkeiten. Zunächst ist bei der Einheitsbewertung 1935 von der Brandversicherung 1935 ausgegangen, während das Finanzgericht den Brandversicherungsanschlag 1942 zugrunde legt. Maßgebend sind jedoch nach § 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935. Ferner ist der Wert des Schlosses bei der Einheitsbewertung 1935 mit 45 v. H. des Versicherungswerts bemessen, während das Finanzgericht einen Satz von 60 v. H. zugrunde legt. Der Hinweis des Finanzgerichts auf eine Verwaltungsanordnung reicht nicht aus, um die unterschiedliche Bewertung zu begründen, zumal das Finanzamt ausgeführt hat, daß die Anwendung des Satzes von 45 v. H. außer auf das Vorhandensein unrentabler Gebäudeteile mutmaßlich noch durch den schlechten baulichen Zustand des Schlosses am 1. Januar 1935 bedingt gewesen sei. Wenn schließlich bei Verwendung des Versicherungswerts als Schätzungsunterlage für den gemeinen Wert eines umfangreichen Gebäudes gewisse keinen besonderen Nutzen gewährende Teile desselben aus dem Brandversicherungsanschlag ausgeschieden werden, so folgt daraus noch nicht, daß Schäden an solchen Gebäudeteilen bei der Fortschreibung gänzlich unberücksichtigt bleiben müssen. Sofern der gemeine Wert eines Schloßgebäudes auf der Grundlage des Versicherungswerts unter Ausscheidung z. B. von Turmmauern, Zugbrücken, Wehrgängen, Türmen ermittelt worden ist, kann die Zerstörung oder Beschädigung solcher Burg- oder Schloßteile gleichwohl zu einem Minderwert des verbliebenen Gebäudes führen, der allerdings nicht den Instandsetzungskosten für die ausgeschiedenen Gebäudeteile nach Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 gleichzusetzen ist, sondern regelmäßig unter diesen liegen wird. Schließlich liegt, soweit ersichtlich, bei der Berechnung des Finanzgerichts ein Rechenfehler vor, da der berichtigte Brandversicherungsanschlag nicht 117.500 RM, sondern 113.800 RM (94.600 RM + 19.200 RM) beträgt. Wegen dieser Mängel war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zu erneuter Nachprüfung auf Grund der vorangegangenen Ausführungen zurückverwiesen. Es dürfte zweckmäßig sein, einen weiteren Sachverständigen zur Höhe des Schadensgrades des Schloßgebäudes am Währungsstichtag zu hören, falls nicht eine Ergänzung des Gutachtens des Architekten nach dieser Richtung in Frage kommt. Bei der weiteren Prüfung wird das Finanzgericht auch auf die in der Rb. behauptete Bestandsveränderung infolge Abbruchs im Hinblick auf § 4 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes einzugehen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 407916 |
BStBl III 1954, 185 |
BFHE 1954, 715 |
BFHE 58, 715 |