Leitsatz (amtlich)
1. § 7 Abs. 1 EStDV 1958 entspricht den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts. In den dort geregelten Fällen liegt weder eine Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) noch eine Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung (§ 16 EStG) vor.
2. Bei Übertragung eines Betriebs vom Vater auf den Sohn steht der Annahme einer vorweggenommenen Erbregelung und damit einer unentgeltlichen Betriebsübertragung im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV nicht schon der Umstand entgegen, daß der Betrieb ein negatives Betriebsvermögen hat.
Normenkette
EStG 1958 §§ 4, 6, 16; EStDV 1958 § 7 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb für die Einkommensteuerveranlagung 1957 und 1958 jeweils um AfA mindern darf, die auf Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des vom Vater übernommenen Betriebs entfallen.
Der Vater des Steuerpflichtigen betrieb bis zum 31. Dezember 1956 einen Maschinenhandel mit Reparaturwerkstatt in X und ein Fuhrunternehmen in Y. Auf Drängen seiner vier Kinder (des Steuerpflichtigen, eines weiteren Sohnes und zweier Töchter) teilte er zum 1. Januar 1957 einen Großteil seines Vermögens unter die Kinder auf. Hierbei erhielt der Steuerpflichtige den Zweigbetrieb in Y, der andere Sohn wurde mit 50 % in das Geschäft in X aufgenommen, die beiden Töchter erhielten je ein Hausgrundstück mit der Auflage, die darauf ruhenden Hypotheken zu übernehmen. Zur Übertragung des Betriebs in Y liegt als einzige schriftliche Festlegung ein Brief des Vaters an den Steuerpflichtigen vom 21. Februar 1957 vor, in dem er diesem die Übernahme dieses Betriebes vorschlägt, wofür der Steuerpflichtige jedoch 32 000 DM Schulden des Vaters abzutragen habe. Der Steuerpflichtige erklärte sich mit diesem Vorschlag einverstanden und eröffnete per 1. Januar 1957 den Betrieb in Y auf seine Rechnung. In der Schlußbilanz des Vaters wies das Betriebsvermögen Besitzposten von zusammen 24 270,31 DM, Schuldposten in Höhe von 45 855,91 DM aus. Statt der im Brief vom 21. Februar 1957 genannten 32 000 DM übernahm der Steuerpflichtige an Verbindlichkeiten die 45 855,91 DM.
Der Steuerpflichtige setzte in seiner Eröffnungsbilanz die übernommenen Wirtschaftsgüter mit 47 948,45 DM an, wobei er vor allem die Ansätze für die übernommenen Fahrzeuge des Fuhrbetriebs erheblich über die letzten Buchwerte des Vaters erhöhte, von ihnen für die Gewinnermittlungen 1957 und 1958 entsprechende AfA vornahm.
In vorläufigen Veranlagungen der Streitjahre folgte das FA zunächst den Erklärungen des Steuerpflichtigen, berichtigte aber am 25. August 1961 die Veranlagungen nach § 225 AO, nachdem das für den Vater zuständige FA mitgeteilt hatte, daß beim Vater auf dessen Einspruch die Übertragung an den Steuerpflichtigen als unentgeltliche Betriebsübertragung angesehen worden sei, und nach den Ergebnissen einer in der Zeit vom 12. Mai bis 5. Juni 1961 stattgefundenen Betriebsprüfung dergestalt, daß beim Steuerpflichtigen von den letzten Buchwerten des Vaters ausgegangen wurde, wodurch sich die Gewinne der Streitjahre infolge Kürzung der AfA erhöhten.
Einspruch und Berufung - jetzt Klage - des Steuerpflichtigen hiergegen blieben erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus. Der Vater habe dem Steuerpflichtigen den Betrieb unentgeltlich übertragen. Es liege mit Rücksicht auf die Übernahme der Verbindlichkeiten des Vaters eine Schenkung unter Auflage vor. Vor allem im Hinblick auf die Tatsache, daß der Vater gleichzeitig sämtlichen Kindern wesentliche Teile seines Vermögens übertragen habe, sei aus dem Brief vom 21. Februar 1957 an den Steuerpflichtigen nur der Schluß zu ziehen, daß der Vater einseitig einen Teil seines Vermögens zuwenden und den Steuerpflichtigen gleichzeitig verpflichten wollte, aus dem übernommenen Vermögen einen angemessenen Teil seiner Verbindlichkeiten abzudecken. Das Schreiben enthalte kein Angebot eines Leistungsaustausches, wonach der Steuerpflichtige aus seinem Vermögen eine Gegenleistung für den Erhalt des Betriebs in Y habe erbringen sollen. Die Höhe der vom Steuerpflichtigen zu übernehmenden Verbindlichkeiten sei nicht nach dem objektiven Wert der übernommenen Wirtschaftsgüter bemessen, sondern sei ihm unter Berücksichtigung der Verhältnisse aller Familienmitglieder als angemessen erscheinender Teil der Gesamtverbindlichkeiten auferlegt worden. Der Gesamtvorgang lasse auch erkennen, daß dem Steuerpflichtigen trotz Übernahme der Schulden in Höhe von 45 855,91 DM noch eine Bereicherung habe verbleiben sollen. Die Verteilung sei im Rahmen der Vorwegnahme künftiger Erbschaft erfolgt, nur dies sei der vom Vater erklärte und auch allein glaubhafte Beweggrund. In der uneingeschränkten Annahme des väterlichen Angebots liege die Annahme begründet, daß entgegen der Darstellung des Steuerpflichtigen dieser sich aus der Übernahme des Betriebs trotz der damit verbundenen Auflage noch einen wirtschaftlichen Vorteil versprochen habe. Der Steuerpflichtige habe trotz Aufforderung für seine Behauptung, es habe sich um einen Kaufvertrag gehandelt, einen Beweis nicht antreten können.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die hiergegen eingelegte Revision des Steuerpflichtigen ist nicht begründet.
Zu entscheiden ist, ob die Übertragung des Teilbetriebs auf den Steuerpflichtigen ein entgeltlicher oder ein unentgeltlicher Vorgang ist. Nur beim Vorliegen eines entgeltlichen Vorgangs könnte die Revision im Hinblick auf § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG über die Bewertung der Wirtschaftsgüter bei entgeltlichem Erwerb eines Betriebs Erfolg haben. Auf die unentgeltliche Übertragung eines Teilbetriebs würde § 7 Abs. 1 EStDV Anwendung finden. Hiernach sind bei einer unentgeltlichen Teilbetriebsübertragung für die Gewinnermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben; an diese Wertansätze ist der unentgeltliche Erwerber gebunden. Dabei besteht Einigkeit darin, daß mit den "Vorschriften über die Gewinnermittlung" die Vorschriften der laufenden Gewinnermittlung gemeint sind, also die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG.
Das Vorbringen des Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung gibt dem Senat Veranlassung, zur Rechtsgültigkeit des § 7 Abs. 1 EStDV Stellung zu nehmen. Diese könnte in Frage gestellt sein, wenn die unentgeltliche Betriebsübertragung eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG oder eine Betriebsaufgabe - Teilbetriebsaufgabe - im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG darstellte. Denn dann müßten die im übertragenen Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt werden (§§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 16 Abs. 3 Satz 3 EStG), § 7 Abs. 1 EStDV, nach dem eine solche Aufdeckung stiller Reserven des übertragenen Betriebsvermögens nicht in Betracht kommt, stünde mit diesen Vorschriften in Widerspruch.
Schon im Urteil des BFH IV 233/51 U vom 24. Oktober 1951 (BFH 56, 10, BStBl III 1952, 5) wird dargelegt, daß die unentgeltliche Betriebsübertragung keine Entnahme zu betriebsfremden Zwecken sei. Es wird auf § 20 Abs. 1 EStG 1925 bezug genommen, der den Wertfortführungsgedanken bei unentgeltlicher Betriebsübertragung ausgesprochen habe, während § 20 Abs. 2 EStG 1925 dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht gegeben habe. Durch die Übernahme der Vorschrift ohne das Wahlrecht in § 6 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Einkommensteuergesetzes vom 6. Februar 1935 sei, so legt das Urteil weiter dar, der Gedanke des Gesetzes noch stärker in Erscheinung getreten, der darin bestehe, daß das Einkommensteuerrecht den Vorgang nicht unter dem Gesichtspunkt der Beendigung des Gewerbebetriebs des Rechtsvorgängers und der Eröffnung des Gewerbebetriebs durch den Rechtsnachfolger betrachte, sondern steuerlich eine unveränderte Fortführung des Betriebs annehme. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Es besteht kein Anlaß, im Fall des § 7 Abs. 1 EStDV eine gewinnrealisierende Entnahme zu erblicken, die nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG Wirtschaftsgüter umfaßt, die der Steuerpflichtige für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Denn auch bei der einer Gesamtbetriebsübertragung gleichgestellten Teilbetriebsübertragung wird dem Betriebsvermögen, das unverändert auf den Rechtsnachfolger übergeht, kein Wirtschaftsgut zu betriebsfremden Zwecken entnommen. Es handelt sich bei den in § 7 Abs. 1 EStDV geregelten Sachverhalten um andere, die durch den Begriff der Entnahme nicht gedeckt sind. Aber auch eine gewinnrealisierende Betriebsaufgabe kann nicht angenommen werden. Diese liegt nur vor, wenn der Betrieb als einheitlicher Organismus zu bestehen aufhört. Das aber ist bei der unentgeltlichen Betriebs- und Teilbetriebsübertragung, bei der zwar der Inhaber wechselt, der betriebliche Organismus aber unverändert fortbesteht, nicht der Fall.
Schließlich liegt auch eine Betriebsveräußerung im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG nicht vor. § 16 Abs. 2 EStG läßt erkennen, daß das Gesetz unter Betriebsveräußerungen nur entgeltliche Vorgänge verstanden wissen will, bei denen das Entgelt (Veräußerungspreis) Anknüpfungsmerkmal für die Berechnung eines Veräußerungsgewinns ist.
Nach alledem geht der Senat davon aus, daß § 7 Abs. 1 EStDV für die darin geregelten Sachverhalte den Grundsätzen des EStG entspricht. Er trägt daher keine Bedenken, ihn als eine wirtschaftlich vernünftige Regelung anzuwenden.
Der Senat läßt dahingestellt, ob es sich im Streitfall um eine Schenkung unter Auflage handelte. Denn jedenfalls ist die Würdigung der Vorinstanz, es liege eine unentgeltliche Betriebsübertragung durch den Vater des Steuerpflichtigen vor, deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich, was vom Steuerpflichtigen in der Revision nicht mehr in Abrede gestellt wird, um eine Betriebsübertragung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbregelung handelte. Der Vater verteilte auf Drängen seiner Kinder sein Vermögen im wesentlichen offensichtlich nach Gesichtspunkten, wie sie ausschlaggebend gewesen wären, wenn im Zeitpunkt der Verteilung der Erbfall nach dem Vater eingetreten wäre. In einem solchen Fall spricht eine Vermutung dafür, daß es sich um einen unentgeltlichen, nicht um einen entgeltlichen Vorgang handelt, was auch nicht dadurch berührt wird, daß die Kinder neben aktiven Vermögenswerten Verbindlichkeiten des Vaters mit übernehmen. Denn es ist selbstverständlich, daß, falls solche Verbindlichkeiten bestehen, auch diese, will der Vater nicht selbst weiterhin Schuldner bleiben, auf die Kinder als präsumtive Erben mit verteilt werden müssen. Der Sinn der vorweggenommenen Erbregelung aber besteht gerade darin, das Vermögen bereits zu Lebzeiten des Erblassers auf die künftigen Erben zu übertragen, ohne dafür von diesen ein Entgelt in Form einer äquivalenten Gegenleistung zu fordern. Deshalb werden in der Rechtsprechung des BFH Vermögensübertragungen von Eltern auf Kinder in der Regel unter dem Gesichtspunkt, daß hierfür eine Vermutung spricht, als unentgeltliche Vermögensübertragungen angesehen (vgl. insbesondere Urteile des BFH IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422; IV 299/62 vom 25. August 1966, BFH 86, 797, BStBl III 1966, 675; IV 190/62 vom 3. August 1966, BFH 86, 807, BStBl III 1966, 679; IV 1/65 vom 30. November 1967, BFH 91, 81, BStBl II 1968, 263). Wie in den genannten Fällen Rentenleistungen an die übertragenden Eltern in der Regel nicht als Kaufpreis-, sondern als - außerbetriebliche - Versorgungsrenten beurteilt werden, weil ihnen die Eigenschaft der äquivalenten Gegenleistung fehlt, so ist auch die Übernahme von Verbindlichkeiten des Übertragenden beim Vorliegen einer vorweggenommenen Erbregelung nicht Entgelt, sie mindert vielmehr lediglich den Wert des übertragenen Vermögens.
Die Einwendungen des Steuerpflichtigen hiergegen greifen nicht durch. Er räumt ein, daß sich aus den Bilanzzahlen des Vaters weder ein Hinweis auf das Vorliegen einer Schenkung noch auf den Abschluß eines entgeltlichen Vertrags ergebe, es komme daher auf den Willen der Parteien an. Wenn der Steuerpflichtige hierzu sodann meint, es sei fraglich, ob die Beteiligten davon ausgegangen seien, daß dem Steuerpflichtigen nach Bezahlung der Verbindlichkeiten objektiv noch eine Bereicherung verbleibe, die Übernahme der Schuld sei den übertragenen Aktivwerten gleichwertig, so kann er damit allein die Annahme einer unentgeltlichen Betriebsübertragung im Rahmen vorweggenommener Erbregelung nicht entkräften. Denn Vermögensübertragungen im Rahmen vorweggenommener Erbregelungen bleiben auch dann unentgeltlich, wenn durch Übernahme von Verbindlichkeiten, sei es solcher, die zum Betriebsvermögen des übertragenen Betriebs, sei es solcher, die zum Privatvermögen des Übertragenden gehören, beim Empfänger eine Bereicherung nicht eintritt, ja sogar dann, wenn auf diesen ein negativer Vermögenswert übergeht. Diese Behandlung der vorweggenommenen Erbregelung will einen Sachverhalt erfassen, der dem des Erbfalls gleicht oder zum mindesten ähnlich ist. Es könnte aber nicht zweifelhaft sein, daß im Erbfall der Steuerpflichtige die Buchwerte des auf ihn übergegangenen Betriebs seines Vaters hätte fortführen müssen, auch wenn gleichzeitig Erblasserschulden auf ihn übergegangen wären, die den Wert des Aktivvermögens des Betriebs überstiegen. Für diese Beurteilung spricht, daß die Beteiligten in der Regel den Betrieb als Ganzes im Auge haben, ohne in der Übernahme der Verbindlichkeiten ein Entgelt für den Erwerb der Aktiven zu sehen. Hier müssen die Beteiligten - es handelt sich im allgemeinen um Übertragungen von Eltern auf Kinder, wie auch im Streitfall - durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck bringen, daß tatsächlich ein auf Leistung und Gegenleistung beruhendes Geschäft abgeschlossen wurde, so daß das Gesamtbild eines entgeltlichen Betriebserwerbs entsteht. Gerade dies aber kann der Steuerpflichtige hier selbst nicht einmal behaupten. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß das tatsächliche Vorhandensein eines Überschusses der Aktiven über die übernommenen Verbindlichkeiten im Streitfall keineswegs ausgeschlossen werden kann. Denn die Ansätze des Steuerpflichtigen in seiner Eröffnungsbilanz beruhen, soweit sie über den Buchwerten des Vaters liegen, auf Schätzungen. Der Steuerpflichtige kann bei seiner Berechnung auch das Grundstück, auf dem der Betrieb ausgeübt wird, nicht ausnehmen, wie er es anscheinend will. Ihm mag das Grundstück bereits gehört haben, dieses jedoch nur auf Grund einer kurz zuvor erfolgten Schenkung seines Vaters, so daß es bei einer Gesamtwürdigung des Vorgangs der vorweggenommenen Erbregelung nicht beiseite gelassen werden kann.
Fundstellen
BStBl II 1971, 686 |
BFHE 1971, 488 |