Leitsatz (amtlich)
Das Studium der Wirtschaftswissenschaften im sog. integrierten Studiengang mit Regelstudiendauer von drei Studienjahren an der Fernuniversität - Gesamthochschule - in Hagen stellt kein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG dar.
Orientierungssatz
1. NV: Das Rechtsschutzinteresse für eine vom Kläger erhobene Klage auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gemäß § 7 DVStB, daß das von ihm absolvierte Studium ein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG sei, entfällt nicht dadurch, daß der Kläger inzwischen aufgrund einer vom FG erlassenen einstweiligen Anordnung zur Steuerberaterprüfung zugelassen worden ist und diese mit Erfolg abgelegt hat.
2. NV: Hat allein der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt, während der Beklagte die Erledigung bestreitet, muß das Gericht über die Frage der Erledigung der Hauptsache entscheiden. Eine Erledigung liegt vor, wenn das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende, in dem Verfahren streitige Klagebegehren in der Sache selbst gegenstandslos geworden ist (Lit.). Hier: Klage auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft gemäß § 7 DVStB, daß das vom Kläger absolvierte Studium ein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG sei. Eine Erledigung der Hauptsache (einseitige Erledigungserklärung durch den Kläger) war nicht dadurch eingetreten, daß der Kläger aufgrund einer vom FG erlassenen einstweiligen Anordnung zur Steuerberaterprüfung zugelassen wurde und diese mit Erfolg ablegte.
Normenkette
StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1975-11-04; FGO § 40 Abs. 2, § 138 Abs. 1; DVStB § 7
Verfahrensgang
FG München (Entscheidung vom 09.02.1984; Aktenzeichen IV 252/83-StB) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) studierte an der Fernuniversität Hagen --Gesamthochschule-- Wirtschaftswissenschaften. Mit Urkunde vom 13.März 1981 verlieh ihm der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft dieser Hochschule den akademischen Grad "Diplom-Ökonom", nachdem er die "Diplomprüfung für Wirtschaftswissenschaftler (Regelstudiendauer drei Studienjahre)" gemäß der Diplomprüfungsordnung für das sog. integrierte Studium der Wirtschaftswissenschaft an der Fernuniversität Hagen bestanden hatte.
Mit Schreiben vom 2.März 1983 beantragte der Kläger bei dem Beklagten und Revisionskläger (Beklagter), dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen --Zulassungsausschuß für Steuerberater--, ihm gemäß § 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) die verbindliche Auskunft zu erteilen, daß das von ihm durchlaufene Studium ein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. von § 36 Abs.1 Nr.1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) sei. Nach Anhörung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erteilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22.August 1983 die Auskunft, daß sein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit einer Regelstudiendauer von drei Studienjahren nicht als Studienabschluß i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG angesehen werden könne.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die verbindliche Auskunft zu erteilen, daß das von ihm abgeschlossene Studium die Voraussetzungen des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG erfülle (s. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 577).
++/ Durch Beschluß des FG ist der Beklagte inzwischen im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, dem Kläger gegen Abgabe einer schriftlichen Erklärung, daß er aus einem eventuellen Prüfungserfolg so lange keine Rechte ableiten werde, als er im Hauptverfahren nicht endgültig obgesiegt habe, die Teilnahme an der Steuerberaterprüfung 1984 zu gestatten. Der Kläger hat aufgrund dieser Regelung die Steuerberaterprüfung abgelegt und sie bestanden. Der Beklagte weigert sich bisher, ihn zum Steuerberater zu bestellen. /++
Entscheidungsgründe
++/ Das Rechtsschutzinteresse für die vom Kläger erhobene Klage auf Erteilung der verbindlichen Auskunft gemäß § 7 DVStB, daß das von ihm absolvierte Studium ein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. von § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG sei, ist nicht dadurch entfallen, daß der Kläger inzwischen aufgrund der vom FG erlassenen einstweiligen Anordnung zur Steuerberaterprüfung zugelassen worden ist und diese mit Erfolg abgelegt hat. Der Beklagte sieht die Teilnahme des Klägers an der Prüfung als mangelbehaftet an, weil diesem die für die Zulassung erforderliche Vorbildung gemäß § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG gefehlt habe, und weigert sich, den Kläger zum Steuerberater zu bestellen. Das rechtliche Interesse des Klägers an der Fortführung des vorliegenden Rechtsstreits wäre nur dann entfallen, wenn es auf die begehrte rechtsverbindliche Auskunft über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzung für die vom Kläger letztlich erstrebte Bestellung zum Steuerberater nicht mehr ankäme. Das ist aber, wie das Verhalten des Beklagten und dessen auch nach Ablegung der Prüfung durch den Kläger aufrechterhaltener Revisionsantrag zeigen, nicht der Fall.
Die Rechtslage ist auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht derart offensichtlich, daß nach dem Bestehen der Prüfung unabhängig vom Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen von einer zwingenden Bestellung zum Steuerberater ausgegangen werden könnte. Der vom Kläger herangezogene Beschluß des Senats vom 9.Dezember 1969 VII B 127/69 (BFHE 97, 575, BStBl II 1970, 222) ist zur früheren Rechtslage (§ 4 Abs.2 StBerG 1961) ergangen, und in dem Beschluß vom 21.Februar 1984 VII B 78/83 (BFHE 140, 163, BStBl II 1984, 449) hat der Senat wesentlich darauf abgestellt, daß der Antragsteller im dortigen Verfahren bei Bestehen der Prüfung den Mangel, unter dem seine Zulassung zur Prüfung gestanden hatte, durch den Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis rückwirkend selbst heilen konnte (vgl. § 37 Abs.1 Nr.3 StBerG). Auf die Regelung des § 27 Abs.1 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1.August 1962, wonach "die Bestellung ... nach bestandener Prüfung von Amts wegen vorzunehmen" war, kann sich der Kläger nicht berufen, weil diese Verordnung seit dem Inkrafttreten des DVStB vom 12.November 1979 nicht mehr gültig ist (§ 53 DVStB). Nach der jetzt geltenden Rechtslage wird die Bestellung auf Antrag vorgenommen (§ 34 Abs.1 DVStB). Hierbei wäre --möglicherweise-- zu berücksichtigen, daß der Kläger die schriftliche Erklärung abgegeben hat, aus einem Prüfungserfolg bis zum endgültigen Obsiegen im Hauptverfahren keine Rechte ableiten zu wollen. Der Senat kann im vorliegenden Verfahren über die Frage einer Bestellung des Klägers zum Steuerberater nicht entscheiden. Da aber nach den vorstehenden Ausführungen die Möglichkeit besteht, daß die Frage der ausreichenden Vorbildung des Klägers auch für seine Bestellung relevant bleibt, besteht sein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Auskunftserteilung über den wissenschaftlichen Charakter seines Studiums fort.
Da allein der Kläger mit seinem Hauptantrag die Hauptsache für erledigt erklärt hat, während der Beklagte die Erledigung bestreitet, muß das Gericht über die Frage der Erledigung der Hauptsache entscheiden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 138 FGO Tz.37). Eine Erledigung liegt vor, wenn das gesamte im Klageantrag zum Ausdruck kommende, in dem Verfahren streitige Klagebegehren in der Sache selbst gegenstandslos geworden ist (Tipke/Kruse, a.a.O., § 138 FGO Tz.3). Das wäre für das vorliegende Verfahren dann der Fall, wenn der Kläger aufgrund der bestandenen Prüfung unabhängig davon, ob er ein wissenschaftliches Hochschulstudium absolviert hat, zum Steuerberater bestellt würde. Die Frage seiner Bestellung ist aber, wie oben ausgeführt, weiterhin streitig und rechtlich ungeklärt. Deshalb ist mit dem Bestehen der Prüfung das Klagebegehren auf Auskunftserteilung über die wissenschaftliche Natur des Studiums nicht gegenstandslos geworden. Der Senat hat somit, da eine Erledigung der Hauptsache nicht eingetreten ist, über den ursprünglichen Streitgegenstand zu entscheiden. Der insoweit auch vom Kläger hilfsweise aufrechterhaltene Sachantrag ist zulässig; ob der Hilfsantrag für eine Entscheidung zur Hauptsache auch notwendig war, kann dahinstehen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 138 FGO Tz.41). /++
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das StBerG unterscheidet hinsichtlich der Zulassung zur Prüfung als Steuerberater ausdrücklich zwischen dem Abschluß eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums und dem eines Fachhochschulstudiums. Der Abschluß des einen oder des anderen Studiums führt zur Anwendung verschiedener Normen mit unterschiedlichem Regelungsinhalt. Während das wissenschaftliche Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG eine Vorbildungsvoraussetzung für die Steuerberaterprüfung darstellt, wird bei anderen Bewerbern das Fachhochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.2 Buchst.c Satz 2 StBerG in dem bestimmten Ausmaß auf die vorgeschriebene hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens angerechnet, und es ersetzt die in § 36 Abs.1 Nr.2 Buchst.b StBerG vorgeschriebene Lehrzeit (§ 36 Abs.1 Satz 2 StBerG). Diese Regelungen lassen erkennen, daß das Gesetz dem wissenschaftlichen Hochschulstudium und dem Fachhochschulstudium als Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung wesensmäßig unterschiedliche Bedeutungen beimißt. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 21.Februar 1984 VII R 124/83 (BFHE 140, 352, BStBl II 1984, 339) ausgeführt hat, folgt daraus, daß der Gesetzgeber für die Anwendung des § 36 Abs.1 StBerG die Vorbildung, die mit einem Fachhochschulstudium erreicht wird, der im Wege eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums erlangten Vorbildung nicht gleichgestellt wissen will und daß es hierfür ohne Bedeutung ist, ob und in welchem Ausmaß eine Gleichstellung durch landesrechtliche Regelungen des Hochschulwesens vorgenommen worden ist. Von dieser Wertung des Gesetzgebers ist auch bei der Beurteilung des vom Kläger absolvierten wirtschaftswissenschaftlichen Studiums mit einer Regelstudiendauer von drei Studienjahren auszugehen. Sie führt dazu, daß die Anerkennung dieses Studiums als wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG versagt werden muß.
2. a) Das Land Nordrhein-Westfalen schuf im Jahre 1972 durch das Gesetz über die Errichtung und Entwicklung von Gesamthochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 30.Mai 1972 --GHEG-- (GV NW 1972, 134) die rechtlichen Grundlagen für die Errichtung von Gesamthochschulen, zu denen auch die Fernuniversität in Hagen, an der der Kläger studiert hat, gehört. Nach § 1 Abs.1 GHEG vereinigen die Gesamthochschulen die von den wissenschaftlichen Hochschulen und den Fachhochschulen wahrzunehmenden Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium mit dem Ziel der Integration. Zu diesem Zweck sollen sie aufeinander bezogene Studiengänge und innerhalb eines Fachs nach Studiendauer gestufte Abschlüsse anbieten. Soweit der Inhalt der Studiengänge es zuläßt, sind gemeinsame Studienabschnitte zu schaffen. Über die wissenschaftliche Natur dieser Studiengänge sagt das Gesetz nichts aus. Weitere Vorschriften über die Gesamthochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen und die an diesen einzurichtenden integrierten Studiengänge enthält das am 1.Januar 1980 in Kraft getretene WissHG. Danach soll durch die Errichtung von integrierten Gesamthochschulen das Hochschulwesen mit dem Ziel neugeordnet werden, die gegenwärtig von Hochschulen mit unterschiedlicher Aufgabenstellung wahrgenommenen Aufgaben zu verbinden (§ 5 Abs.1 und 3 WissHG; vgl. auch §§ 4 und 5 HRG). Die Neuordnung soll u.a. gewährleisten, daß inhaltlich differenzierte und zeitlich gestufte, aufeinander bezogene Studiengänge mit entsprechenden Abschlüssen geschaffen werden und der Wechsel zwischen Studiengängen gleicher oder verwandter Fachrichtungen durch Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen erleichtert wird (§ 5 Abs.2 Nrn.1 und 2 WissHG). Das Studium innerhalb der nach Maßgabe von Studien- und Prüfungsordnungen näher auszugestaltenden integrierten Studiengänge (vgl. § 5 Abs.2 Nr.1, § 65 Abs.2, §§ 83 bis 85 WissHG) erfolgt im sog. Y-Modell, das die Verästelung in die zwei Hauptstudienzweige nach dem Grundstudium symbolisiert (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20.Oktober 1982 1 BvR 1467/80, BVerfGE 61, 210, 235). Trotz des Integrationsauftrags der Gesamthochschulen können an ihnen auch reine Fachhochschulstudiengänge bestehen, für die dann nach § 1 Abs.3 WissHG die Vorschriften des Fachhochschulgesetzes gelten (vgl. auch § 12 GHEG und BVerfGE 61, 210, 241).
b) Nach § 1 Abs.2 WissHG ist die Fernuniversität --Gesamthochschule-- in Hagen eine wissenschaftliche Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen. Das FG hat vornehmlich aus dieser Regelung des Landesgesetzgebers den Schluß gezogen, daß der vom Kläger an dieser Hochschule erlangte Abschluß des wirtschaftswissenschaftlichen Studienganges mit dreijähriger Regelstudiendauer den Abschluß eines wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulstudiums i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG darstelle. Dem kann der erkennende Senat nicht folgen.
Es mag schon zweifelhaft sein, ob unter Hinweis auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder im Hochschulbereich (vgl. Art.70 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--) diesen zugestanden werden könnte, verbindlich zu regeln, was als wissenschaftliches Hochschulstudium im Sinne der bundesgesetzlichen Regelung über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung (§ 36 Abs.1 Nr.1 StBerG) zu verstehen ist. Denn damit wäre die einheitliche Anwendung des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG im gesamten Bundesgebiet nicht mehr gewährleistet. Jedenfalls aber enthält die gesetzliche Zuordnung der Fernuniversität --Gesamthochschule-- in Hagen unter die wissenschaftlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen keine zwingende Aussage über die wissenschaftliche Natur sämtlicher an dieser Hochschule angebotenen Studiengänge. Das folgt schon daraus, daß an den Gesamthochschulen, ohne daß dies ihren Charakter als wissenschaftliche Hochschulen berührt, auch reine Fachhochschulstudiengänge bestehen können (§ 1 Abs.3 WissHG). Diese stellen auch nach Auffassung des Landesgesetzgebers und des BVerfG (vgl. BVerfGE 61, 210, 242 bis 244) und insbesondere nach der in § 36 StBerG getroffenen Unterscheidung keinesfalls wissenschaftliche Hochschulstudien dar. Andererseits folgt aus der Konzipierung der Fernuniversität in Hagen als Gesamthochschule mit integrierten Studiengängen, daß auf sie --unbeschadet ihrer Zielsetzung, die Hochschule für Berufstätige zu öffnen-- die Regelungen des WissHG über die integrierten Studiengänge Anwendung finden.
3. Das WissHG enthält keine unterschiedlichen Regelungen über die Wissenschaftlichkeit des Studiums innerhalb der integrierten Studiengänge. Daß das Gesetz in dieser Hinsicht nicht ausdrücklich zwischen den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen mit dreijähriger und vierjähriger Regelstudiendauer differenziert, besagt nicht, daß diese Unterscheidung im Lichte und nach den Wertungen des § 36 StBerG für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nicht doch getroffen werden muß. Dabei ist zu beachten, daß nach den gesetzgeberischen Zielen, die mit der Errichtung von Gesamthochschulen angestrebt wurden, die Aufgaben der bisherigen wissenschaftlichen Hochschulen und der Fachhochschulen mit dem Ziel der Integration vereinigt und die Studiengänge durchlässiger gemacht werden sollten. Das muß aber nicht bedeuten, daß die Studiengänge, die dem bisherigen Fachhochschulniveau entsprechen, in dem Integrationsmodell nicht mehr zu finden seien. Der Senat gelangt unter Berücksichtigung der Unterschiede, die nach dem WissHG und der Vorläufigen Prüfungsordnung hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen, des Studieninhalts, der Studiendauer, der für die Studiengänge schwerpunktmäßig zuständigen Hochschullehrer und der Regelung über die Promotion bestehen, zu dem Ergebnis, daß das vom Kläger absolvierte wirtschaftswissenschaftliche Studium mit der Regelstudiendauer von drei Jahren nicht einem wissenschaftlichen Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG gleichsteht.
a) Ein wissenschaftliches Hochschulstudium bedingt nach herkömmlicher Auffassung bestimmte Bildungsvoraussetzungen der Studierenden. Die Qualifikation für das Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule wird grundsätzlich durch das Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife --Abitur-- oder fachgebundene Hochschulreife) nachgewiesen (vgl. § 65 Abs.1 Satz 1 WissHG). Für das Studium an einer Fachhochschule genügt das Zeugnis der Fachhochschulreife oder eine als gleichwertig anerkannte Vorbildung (vgl. § 44 Abs.1 Satz 1 des Gesetzes über die Fachhochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 20.November 1979 --FHG-- (GV NW 1979, 964). Nach § 65 Abs.2 WissHG kann auch die Qualifikation für das Studium in den integrierten Studiengängen der Gesamthochschulen durch die Fachhochschulreife oder eine als gleichwertig anerkannte Vorbildung nachgewiesen werden. Diese erleichterte Zugangsvoraussetzung für integrierte Studiengänge an Gesamthochschulen bestand auch schon vor dem Inkrafttreten des WissHG (vgl. § 1 Abs.1 der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für Studiengänge an Gesamthochschulen vom 21.August 1973, GV NW 1973, 446, und § 1 Abs.1 der Verordnung über die Zugangsvoraussetzungen für Studiengänge an Gesamthochschulen und den Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife während des Studiums an Gesamthochschulen vom 27.Oktober 1977, GV NW 1977, 432 --ZugangsVO 1973 und 1977--). Studenten, die keine Hochschulreife besitzen, werden in einem integrierten Studiengang nach einem Grundstudium von mindestens vier Semestern zu dem Hauptstudium mit längerer Regelstudiendauer zugelassen, wenn sie mit der für dieses Hauptstudium qualifizierenden Zwischenprüfung auf der Grundlage erfolgreich abgeschlossener Brückenkurse die fachgebundene Hochschulreife erwerben (§ 1 Abs.2 der ZugangsVO 1973 und 1977). Der erfolgreiche Besuch dieser Brückenkurse, die Allgemeinbildung z.B. in den Fächern Englisch, Mathematik und Deutsch vermitteln, stellt also für Studenten mit Fachhochschulreife zusammen mit der Zwischenprüfung die fachgebundene Hochschulreife dar (BVerfGE 61, 210, 235). Diese benötigen sie nach § 18 Abs.1 und 2 der Diplomprüfungsordnung für den integrierten Studiengang der Wirtschaftswissenschaft an der Fernuniversität in Hagen vom 1.April 1982 für die Zulassung zur Diplomprüfung II (längere Studiendauer), nicht aber für die Zulassung zur Diplomprüfung I, für die das Zeugnis der Fachhochschulreife weiterhin ausreicht. Die während des Studiums des Klägers geltende Vorläufige Prüfungsordnung enthält zwar diese unterschiedlichen Zulassungsvoraussetzungen zu den Diplomprüfungen nicht. Sie läßt nach ihrem Wortlaut für beide Diplomprüfungen das Zeugnis über die Fachhochschulreife zusammen mit dem Zeugnis über die Zwischenprüfung ausreichen (§ 20 Abs.2). Die Rechtslage war aber auch insoweit zur damaligen Zeit entgegen der Behauptung des Klägers keine andere, da auch § 1 Abs.2 der ZugangsVO 1973 und 1977 die Zulassung zum Hauptstudium mit längerer Regelstudiendauer bei Studierenden ohne Hochschulreife von dem Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife über die Brückenkurse abhängig machten. Eine entsprechende Regelung enthält auch § 2 Abs.1 der jetzt geltenden Verordnung über den Erwerb der fachgebundenen Hochschulreife während des Studiums in integrierten Studiengängen vom 23.September 1981 (GV NW 1981, 596) für die Zulassung zu dem (längeren) Hauptstudium II.
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß für das vier Semester dauernde Grundstudium der Wirtschaftswissenschaften in den integrierten Studiengängen der Gesamthochschule des Landes Nordrhein-Westfalen die Fachhochschulreife ausreicht und daß lediglich die Zulassung zur Diplomprüfung II, die nach der längeren Regelstudiendauer von insgesamt vier Jahren abzulegen ist, die Hochschulreife, die auch als fachgebundene Hochschulreife über den Besuch von Brückenkursen erlangt werden kann, voraussetzt. Für das im Streitfall zu beurteilende wirtschaftswissenschaftliche Studium mit einer Regelstudiendauer von drei Jahren bedarf es der Hochschulreife weder für das Studium noch für die in Betracht kommende Diplomprüfung. Diese minderen, dem Studium an den Fachhochschulen entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen für die Studierenden stellen ein gewichtiges Argument dafür dar, das vom Kläger absolvierte Studium nicht als wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG zu qualifizieren. Auch das BVerfG hat in seiner Entscheidung zum materiellen Hochschullehrerbegriff an den Gesamthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen wesentlich auf die Bildungsvoraussetzungen der in den einzelnen Studiengängen Studierenden abgestellt (vgl. BVerfGE 61, 210, 253).
b) Für eine unterschiedliche Beurteilung der integrierten Studiengänge an Gesamthochschulen bei der Anwendung des § 36 StBerG spricht auch deren in § 5 Abs.2 Nr.1 WissHG vorgeschriebene inhaltliche Differenzierung. Das wirtschaftswissenschaftliche Studium an der Fernuniversität in Hagen unterscheidet sich in den Studiengängen mit dreijähriger und vierjähriger Regelstudienzeit nicht nur hinsichtlich der Zeitdauer, sondern auch hinsichtlich der vorgeschriebenen Seminare und Prüfungsfächer. Studierende im Studium mit vierjähriger Regelstudiendauer müssen an einem zusätzlichen Seminar teilnehmen (§ 24 Abs.3 der Vorläufigen Prüfungsordnung), die Schwerpunktfächer, auf die sich die Prüfung erstreckt, sind in den unterschiedlichen Studiengängen aus verschiedenen Fächergruppen zu wählen (§ 25 Abs.1 Nr.2, § 26 Buchst.a und b der Vorläufigen Prüfungsordnung), und außerdem müssen sich Kandidaten des Studiums mit längerer Regelstudiendauer zusätzlich in einem Ergänzungsfach prüfen lassen (§ 25 Abs.1 Nr.4 der Vorläufigen Prüfungsordnung). Diese inhaltlichen Unterschiede der beiden Studiengänge gehen in ihrer Bedeutung über den bloßen Zeitfaktor hinaus. Sie sind nicht, wie der Kläger meint, so unerheblich, daß sie im Hinblick auf die Beurteilung der wissenschaftlichen Natur der Studiengänge außer Betracht bleiben könnten.
c) Zutreffend geht auch der Beklagte davon aus, daß dem nur sechssemestrigen Regelstudiengang die Breite und wissenschaftliche Vertiefung fehlen, wie sie für ein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG kennzeichnend sind. Das folgt insbesondere daraus, daß in den integrierten Studiengängen während des gemeinsamen viersemestrigen Grundstudiums nur fachwissenschaftliche Grundkenntnisse vermittelt werden (vgl. § 1 Abs.1, 2 und 4 der Vorläufigen Prüfungsordnung) und für das eigentliche wissenschaftliche Studium dann nur zwei weitere Semester zur Verfügung stünden.
Daß beide Ausbildungszweige eines integrierten Studienganges wissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen verpflichtet sein sollen (vgl. BVerfGE 61, 210, 236) und daß mit der Diplomarbeit, die in beiden wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen anzufertigen ist, der Kandidat zeigen soll, daß er ein Thema "... unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden selbständig bearbeiten und darstellen kann" (§ 22 Abs.1 der Vorläufigen Prüfungsordnung), ist demgegenüber unerheblich. Denn wissenschaftliche Arbeitsweisen sind auch den Fachhochschulen nicht fremd. Sie bereiten durch anwendungsbezogene Lehre auf berufliche Tätigkeiten vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung erfordern (§ 3 Abs.1 FHG). Im übrigen zeigt auch die Tatsache, daß die Gesamthochschule Hagen die Regelstudiendauer des gewählten Studienganges in das Prüfungszeugnis und in das Diplom aufnimmt (§ 31 Abs.1 Nr.4 und § 32 Abs.1 der Vorläufigen Prüfungsordnung), daß die Hochschule selbst der Art und Dauer des Studienganges Bedeutung auch für den erlangten Abschluß beimißt. Entgegen dem anderweitigen Vorbringen des Klägers enthält auch die Diplomprüfungsordnung vom 1.April 1982 eine entsprechende Regelung für die Angaben im Prüfungszeugnis (§ 27 Abs.1 Satz 3).
d) Nach § 86 Abs.2 WissHG wird in allen Studienabschnitten der integrierten Studiengänge die Lehre von den Professoren mit den verschiedenen Qualifikationen gemäß § 49 Abs.1 Nr.4 WissHG gemeinsam in der Weise ausgeübt, daß je nach den fachlichen Schwerpunkten des Studienabschnitts die Lehrtätigkeit der Professoren mit der entsprechenden Qualifikation überwiegt. Das BVerfG hat daraus hergeleitet, daß die gemäß § 49 Abs.1 Nr.4 Buchst.b WissHG eingestellten, nicht habilitierten Professoren schwerpunktmäßig für den Teil der Lehre zuständig seien, die dem Fachhochschulbereich entspricht (BVerfGE 61, 210, 249). Es ist damit ebenfalls davon ausgegangen, daß die integrierten Studiengänge der Gesamthochschulen teilweise den Fachhochschulstudien gleichstehen. Weiterhin ergibt sich aus der schwerpunktmäßig unterschiedlichen Zuständigkeit der Professoren je nach ihrer wissenschaftlichen Qualifikation (vgl. § 49 Abs.1 Nr.4 Buchst.a und b WissHG) für die verschiedenen Studienabschnitte, daß innerhalb der Studiengänge mit kürzerer oder längerer Regelstudiendauer die Lehrtätigkeit von Hochschullehrern, die sich nach herkömmlicher Art durch eine Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistung qualifiziert haben (§ 49 Abs.1 Nr.4 Buchst.a WissHG), von unterschiedlichem Umfang ist. Auch das spricht dafür, das Studium mit dreijähriger Regelstudiendauer im Gegensatz zu demjenigen mit vierjähriger Regelstudiendauer nicht als wissenschaftliches Hochschulstudium anzusehen. Dabei muß die spezielle Personalstruktur der jeweiligen Gesamthochschule --hier der Fernuniversität in Hagen-- außer Betracht bleiben. Für die Beurteilung des Streitfalls ist allein entscheidend, daß das WissHG den schwerpunktmäßig unterschiedlichen Einsatz von Professoren mit unterschiedlicher wissenschaftlicher Qualifikation je nach der Art des Studienabschnitts vorsieht.
Das BVerfG hat zwar unter bestimmten Voraussetzungen auch die Professoren, die nach § 49 Abs.1 Nr.4 Buchst.b WissHG im Hinblick auf besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden eingestellt worden sind, soweit sie in den integrierten Studiengängen der Gesamthochschule tätig sind, als Hochschullehrer im materiellen Sinne angesehen (BVerfGE 61, 210, 249 bis 254). Dabei hat es darauf abgestellt, daß diese Professoren gemeinsam mit den habilitierten Hochschullehrern für die Lehre in den gesamten integrierten Studiengängen --wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten-- zuständig sind. Da das BVerfG seine Entscheidung zur Rechtsstellung der Professoren aus dem Blickwinkel der integrierten Studiengänge als Einheit getroffen hat, kann dieser Beschluß im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz zur Beurteilung des Streitfalls, in dem es gerade darauf ankommt, die Studiengänge mit dreijähriger und vierjähriger Regelstudiendauer gegenüberzustellen und ihre Unterschiede herauszuarbeiten, nicht herangezogen werden.
e) Für eine unterschiedliche Beurteilung der beiden integrierten Studiengänge im Hinblick auf deren wissenschaftliche Natur spricht schließlich auch noch die Regelung über die Promotion. Nach § 94 Abs.2 WissHG wird zur Promotion zugelassen, wer einen berufsqualifizierenden Abschluß oder eine andere den Studiengang abschließende Prüfung
(a) nach einem einschlägigen wissenschaftlichen Studium mit einer Regelstudienzeit von wenigstens acht Semestern oder
(b) nach einem einschlägigen wissenschaftlichen Studium mit einer Regelstudienzeit von wenigstens sechs Semestern und daran anschließende, angemessene, auf die Promotion vorbereitende Studien in den Promotionsfächern nachweist. Die Tatsache, daß das Studium mit einer Regelstudiendauer von sechs Semestern im Gegensatz zum Studium mit längerer Regelstudienzeit für sich allein nicht ausreicht, um zur Promotion zugelassen zu werden, zeigt, daß ihm die wissenschaftliche Tiefe, die herkömmlicherweise von einem wissenschaftlichen Hochschulstudium erwartet wird, fehlt. Wenngleich die Regelung über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung mit der Zulassung zur Promotion unmittelbar nichts zu tun hat, so kann doch die Promotionsregelung des Landesgesetzgebers bei der Auslegung, ob das Studium mit dreijähriger Regelstudiendauer ein wissenschaftliches Hochschulstudium i.S. des § 36 Abs.1 Nr.1 StBerG ist, mitherangezogen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 60681 |
BStBl II 1985, 534 |
BFHE 144, 108 |
BFHE 1986, 108 |
BB 1985, 1590-1590 (ST) |
DB 1985, 2132-2132 (ST) |
DStR 1985, 575-575 (ST) |
HFR 1985, 523-525 (ST) |