Entscheidungsstichwort (Thema)

Erzieherische Tätigkeit

 

Leitsatz (NV)

Der Inhaber eines Kinderheims übt keine erzieherische Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG aus, wenn er sich auf die Wirtschaftsleitung des Heims beschränkt und die pädagogische Leitung einer anderen Person überläßt.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin - Ehefrau - betrieb von Januar 1975 bis März 1977 in einem ihr und dem Ehemann je zur Hälfte gehörenden Gebäude ein Kinderheim. In diesem Heim waren Kinder untergebracht, deren Erziehung entweder freiwillig von den Eltern oder aufgrund richterlicher Anordnung der öffentlichen Jugendfürsorge übertragen worden war. In dem zur Genehmigung des Betriebs des Kinderheims erforderlichen Schriftwechsel mit dem zuständigen Regierungspräsidenten hatte die Klägerin sich als Wirtschaftsleiterin bezeichnet und als Leiterin des Kinderheims Namen und Anschrift einer staatlich anerkannten Erzieherin angegeben. Außerdem waren die Anstellung einer Kinderpflegerin angekündigt und als weitere Helfer zwei Vorpraktikanten benannt worden.

Die Einkünfte aus dem Betrieb des Kinderheims wurden als Einkünfte aus selbständiger Arbeit - freiberuflicher Tätigkeit - erklärt. Dementsprechend erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Einkommensteuerbescheide für 1975 bis 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Außenprüfung kam das FA zu der Auffassung, daß die Einkünfte aus dem Betrieb des Kinderheims Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Höhe nach anders als erklärt zu ermitteln seien. Dementsprechend ergingen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1975 bis 1977.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur für die Jahre 1975 und 1976 eingelegt. Zwar ist in der Revisionsschrift und der Begründungsschrift auch das Jahr 1977 erwähnt. Aus der Bezugnahme auf das Urteil des FG ergibt sich jedoch, daß es sich bei der Erwähnung um die Wiedergabe des Betreffs aus dem finanzgerichtlichen Urteil handelt. Der nicht auslegungsbedürftige Revisionsantrag mit seinen Zahlenangaben läßt eindeutig erkennen, daß die Revision auf die Jahre 1975 und 1976 beschränkt ist.

Die Klägerin - Ehefrau - hat aus dem Betrieb des Kinderheims Einkünfte aus Gewerbetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und nicht Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bezogen. Ein Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG steht ihr deshalb nicht zu.

Rechtlich zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG - soweit für den Streitfall von Bedeutung - die Ausübung einer erzieherischen Tätigkeit erforderlich ist und deren Vorliegen nach den Gesamtumständen des Einzelfalles zu beurteilen ist.

Wenn das FG zu dem Ergebnis gelangt ist, die Tätigkeit der Klägerin sei durch die Leistungen der Heimunterbringung und der Personensorge der Kinder, nicht aber durch Wahrnehmung erzieherischer Aufgaben geprägt gewesen, so liegt dies auf dem Gebiet der dem FG vorbehaltenen Tatsachenfeststellungen, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Diese Feststellungen sind verfahrensrechtlich einwandfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze zustande gekommen. Daß die Klägerin ihre Tätigkeit auf die Wirtschaftsleitung begrenzte, hat das FG aus deren eigenen Angaben entnommen.

Angesichts dieser Feststellungen bedarf es keiner Prüfung, ob die Klägerin leitend und eigenverantwortlich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig war. Wer nicht in eigener Person erzieherisch tätig ist, kann auf diesem Gebiet auch nicht leitend und eigenverantwortlich tätig sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413927

BFH/NV 1985, 70

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