Leitsatz (amtlich)
Bei der besonderen Veranlagung nach § 26 c Abs. 1 EStG 1969 kann der Einkommensteuer-Splitting-Tarif nach § 32 a Abs. 4 EStG 1969 nicht gewährt werden.
Normenkette
EstG 1969 §§ 26c, 32a
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zu Beginn des Jahres 1970 noch mit seiner ersten Ehefrau verheiratet und lebte zu diesem Zeitpunkt von ihr nicht dauernd getrennt. Die Ehe wurde am 12. Juni 1970 geschieden. Die geschiedene Ehefrau heiratete im Herbst 1970 wieder und wählte mit ihrem neuen Ehegatten die Zusammenveranlagung. Der Kläger schloß am 18. Dezember 1970 ebenfalls eine neue Ehe. Nachdem der Kläger und seine zweite Ehefrau für das Streitjahr 1970 zunächst antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden waren, beantragten sie im Einspruchsverfahren, besondere Veranlagungen nach § 26 c EStG 1969 durchzuführen und bei den Einkünften des Klägers die Splitting-Tabelle anzuwenden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) führte im Berichtigungsbescheid vom 21. Februar 1973 eine besondere Veranlagung des Klägers nach § 26 c EStG 1969 durch, lehnte jedoch die Anwendung der Splitting-Tabelle ab.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG führte in der in den EFG 1973 S. 538 veröffentlichten Entscheidung aus, das FA habe bei der für den Kläger durchgeführten besonderen Veranlagung nach § 26 c EStG 1969 zu Recht die Einkommensteuergrundtabelle angewandt.
Der Kläger rügt mit der Revision unrichtige Anwendung der §§ 26 c und 32 a Abs. 4 EStG 1969. Er meint, Ehegatten könnten im Kalenderjahr der Eheschließung zwischen der Zusammenveranlagung, der getrennten Veranlagung und der besonderen Veranlagung nach § 26 c EStG 1969 wählen. Da nach § 26 c Abs. 1 Satz EStG 1969 die Ehegatten im Veranlagungszeitraum der Eheschließung so zu behandeln sind, "als ob sie unverheiratet wären", müsse nach dem Willen des Gesetzgebers die im Veranlagungszeitraum geschlossene Ehe als nicht bestehend angesehen werden. § 26 c Abs. 1 EStG 1969 sage nichts darüber, ob das Einkommen nach der Einkommensteuer-Grundtabelle oder nach der Splitting-Tabelle gemäß § 32 a Abs. 2 EStG zu versteuern sei, wenn man von der Sonderregelung des § 26 c Abs. 2 EStG 1969 für verwitwete Steuerpflichtige absehe. Bei der besonderen Einkommensteuerveranlagung sei nach § 32 a Abs. 4 EStG 1969 die Splitting-Tabelle für die Steuerpflichtigen maßgebend, deren Ehe im Veranlagungszeitraum durch Scheidung aufgehoben worden sei, wenn der andere, wieder verheiratete Ehegatte mit seinem neuen Ehegatten die Voraussetzungen zur Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 erfülle. Man müsse im Streitfall nur dem Gesetzesbefehl des § 26 c Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 folgen und die zweite, im Veranlagungszeitraum 1970 begründete Ehe außer Betracht lassen. Die einschränkende Gesetzesauslegung in Abschn. 175 Abs. 6 EStR sei nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht begründet. Es komme nicht darauf an, daß § 26 c EStG keinen Hinweis auf § 32 a Abs. 2 EStG enthalte wie § 26 b EStG. Denn § 32 a Abs. 3 und 4 EStG 1969 seien selbständige Tatbestände, bei denen die Einkommensteuer-Splitting-Tabelle anzuwenden sei, und zwar unabhängig von der Veranlagung der Ehegatten. Das FG habe den Sinn und Zweck des § 26 c EStG 1969 verkannt. Der Gesetzgeber habe durch diese Vorschrift Ehegatten im Zeitraum der Eheschließung nicht schlechterstellen wollen, als sie gestanden hätten, wenn sie nicht in diesem Veranlagungszeitraum geheiratet hätten. Hätte er nicht im Dezember 1970 wieder geheiratet, hätte ihm die Ausnahmeregelung des § 32 a Abs. 4 EStG 1969 zugestanden.
Der Kläger beantragt, die Einkommensteuer 1970 unter Aufhebung der Vorentscheidung und unter Abänderung des Berichtigungsbescheids vom 21. Februar 1973 auf 3 938 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Steuerpflichtige, die im Veranlagungszeitraum 1970 heirateten, unbeschränkt steuerpflichtig waren und von ihrem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebten, hatten in diesem Veranlagungszeitraum die Wahl zwischen getrennter Veranlagung nach § 26 a EStG 1969, Zusammenveranlagung nach § 26 b EStG 1969 und der besonderen Veranlagung nach § 26 c EStG 1969. Das galt auch für Ehegatten, die sich innerhalb desselben Veranlagungszeitraums haben scheiden lassen und sich wieder verheiratet haben. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 EStG 1969 blieb jedoch in einem solchen Fall die erste, aufgelöste Ehe bei der Wahl zwischen getrennter Veranlagung, Zusammenveranlagung und besonderer Veranlagung außer Betracht. Das FA hat daher zu Recht auf Antrag des Klägers eine besondere Veranlagung für ihn für das Streitjahr 1970 durchgeführt, weil er am 18. Dezember 1970 seine zweite Ehe geschlossen hat.
Nach § 26 c Abs. 1 EStG 1969 sollen bei der besonderen Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung die Ehegatten so behandelt werden, "als ob sie unverheiratet wären". Die Vorschrift besagt nicht, ob bei der besonderen Veranlagung die Einkommensteuer-Grundtabelle oder die Einkommensteuer-Splitting-Tabelle anzuwenden ist. Diese Frage ist nach der Systematik des § 32 a EStG 1969 und des § 26 c Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1969 zu beantworten. Nach § 32 a Abs. 1 EStG 1969 ist die zu veranlagende Einkommensteuer grundsätzlich der Einkommensteuer-Grundtabelle zu entnehmen. Die Einkommensteuer-Splitting-Tabelle gilt ihrem Wesen nach grundsätzlich nur für Ehegatten, die nach §§ 26, 26 b EStG zusammenveranlagt werden, da die Steuer von der Hälfte des zu versteuernden Einkommensbetrages beider Ehegatten errechnet und der sich ergebende Betrag sodann verdoppelt wird. Sollen Ehegatten nach § 26 c Abs. 1 EStG 1969 für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung so behandelt werden, als ob sie unverheiratet wären, so bedeutet dies mithin, daß ihr Einkommen nach der Einkommensteuer-Grundtabelle des § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuern ist.
Nach § 32 a Abs. 4 EStG 1969 kann zwar auch bei dem Steuerpflichtigen die Einkommensteuer-Splitting-Tabelle angewendet werden, dessen Ehe im Veranlagungszeitraum durch Tod, Scheidung oder Aufhebung aufgelöst worden ist, wenn in diesem Veranlagungszeitraum bei dem Ehegatten der aufgelösten Ehe die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 vorgelegen haben, der andere Ehegatte jedoch wieder geheiratet hat und bei diesem und seinem neuen Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969 ebenfalls vorliegen. Diese Vorschrift bezweckt, Härten zu vermeiden, die sich dadurch ergeben können, daß der Ehegatte, dessen Ehe während des Veranlagungszeitraums geschieden oder aufgehoben worden ist, nicht nach dem Stichtagsprinzip des § 26 Abs. 1 EStG die Zusammenveranlagung mit dem früheren Ehegatten wählen kann, weil dieser sich inzwischen wieder verheiratet hat und unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG 1969 die Einkommensteuerzusammenveranlagung mit dem neuen Ehegatten wählen kann. Es wird dadurch vermieden, daß der Ehegatte, der nicht wieder geheiratet hat, wegen der Wiederheirat des anderen Ehegatten sein Einkommen nach der Einkommensteuer-Grundtabelle versteuern muß (vgl. auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 32 a EStG, Anm. 10 b).
Der Gesetzgeber hat bei der besonderen Veranlagung die Anwendung des Splitting-Tarifs lediglich in § 26 c Abs. 2 EStG 1969 vorgesehen, wenn der zu veranlagende Ehegatte zu Beginn des Veranlagungszeitraums verwitwet war und bei ihm die Voraussetzungen des § 32 a Abs. 3 EStG vorgelegen hatten. Dadurch, daß der Gesetzgeber in § 26 c EStG 1969 nicht auch auf § 32 a Abs. 4 EStG 1969 Bezug genommen hat, hat er eindeutig kundgetan, daß diese Vorschrift bei der besonderen Veranlagung nach § 26 c Abs. 1 EStG 1969 nicht berücksichtigt werden soll. Sie kann nach ihrem Sinn und Zweck nur für den Ehegatten gelten, der nach der Scheidung bzw. Aufhebung der Ehe im selben Veranlagungszeitraum unverheiratet geblieben ist. Heiratet auch er im selben Veranlagungszeitraum wieder, so fehlt bei ihm die Motivation, ihm die Einkommensteuer-Splitting-Tabelle zu belassen, da er durch Zusammenveranlagung mit seinem neuen Ehegatten die Anwendung der Splitting-Tabelle erreichen kann. Würde § 32 a Abs. 4 EStG in diesem Fall bei einer besonderen Veranlagung nach § 26 c EStG angewandt, so würde das bedeuten, daß der Ehegatte, der im selben Veranlagungszeitraum zuerst wieder geheiratet hat, ohne ersichtlichen Grund gegenüber dem anderen, früheren Ehegatten benachteiligt wird, der im selben Veranlagungszeitraum später als er wieder geheiratet hat. Denn für den Ehegatten, der zuerst wieder geheiratet hat, treffen die Voraussetzungen für die Anwendung der Einkommensteuer-Splitting-Tabelle nach § 32 a Abs. 4 EStG 1969 unzweifelhaft nicht zu. Er kann nur wählen zwischen der Anwendung der Einkommensteuer-Splitting-Tabelle bei der Zusammenveranlagung mit seinem neuen Ehegatten oder der Anwendung der Einkommensteuer-Grundtabelle bei getrennter oder besonderer Veranlagung zur Einkommensteuer.
Diese Auslegung widerspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. § 26 c EStG 1969 ist durch das StÄndG 1968 in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden. Wie sich aus der Regierungsbegründung zum StÄndG 1968 (Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksache V/3430 S. 12) ergibt, wollte der Gesetzgeber in § 26 c EStG den Fällen Rechnung tragen, "in denen die Besteuerung nach dem für die Zusammenveranlagung geltenden Splitting-Verfahren im Jahr der Eheschließung ungünstiger wäre als die weitere Anwendung der Grundsätze, nach denen die Ehegatten vor ihrer Heirat als Unverheiratete besteuert worden sind". Er hat sich damit jedoch nicht für die weitere Anwendung der Splitting-Tabelle nach § 32 a Abs. 4 EStG bei einer besonderen Veranlagung ausgesprochen. Denn es heißt dort zur Begründung des § 26 c Abs. 2 EStG 1969:
"Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß sich die Einkommensteuer grundsätzlich nach der für Ledige geltenden Grundtabelle bemißt, ist für den Fall erforderlich, daß der Steuerpflichtige zu Beginn des Kalenderjahres der Eheschließung verwitwet war und in seiner Person die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Splitting nach § 32 a Abs. 3 EStG erfüllt hatte."
Da das FG demnach zutreffend entschieden hat, konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 71449 |
BStBl II 1975, 639 |
BFHE 1976, 26 |