Leitsatz (amtlich)
Die Ermessensentscheidung über den Erlaß von Säumniszuschlägen wegen sachlicher Unbilligkeit hat zu berücksichtigen, ob bei Fälligkeit verspätet gezahlter Steuerschulden eine Erlaß- oder Stundungssituation bestand.
Orientierungssatz
1. Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, daß die Finanzbehörden ihre Entscheidung anhand des einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts treffen und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher Art berücksichtigen, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Zur Reichsabgabenordnung (Rechtslage bis 31.12.1976) vertrat die RFH-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung die Auffassung, einem vom FA verfügten und dem Steuerpflichtigen mitgeteilten Vollstreckungsaufschub (§ 333 AO) komme stundungsgleiche Wirkung zu. Säumniszuschläge konnten ab Gewährung des Vollstreckungsaufschubs nicht entstehen. Nach der AO 1977 verhindert ein dem Steuerpflichtigen mitgeteilter Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO 1977) jedenfalls nicht das Entstehen von Säumniszuschlägen (vgl. BFH-Urteil vom 15.3.1979 IV R 174/78).
3. Gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen durch Verwaltungsakt (was nicht erforderlich war, § 7 StSäumG) war während der Geltung der Reichsabgabenordnung als eigenes Rechtsbehelfsverfahren die Beschwerde gemäß § 230 RAO gegeben. Diese Rechtsbehelfsmöglichkeit war bei Angriffen gegen die Entstehung von Säumniszuschlägen anzuwenden. Nach Bestandskraft einer Festsetzung von Säumniszuschlägen kann ein Erlaßverfahren wegen sachlicher Unbilligkeit nicht schon dann zur sachlichen Prüfung der angeforderten Säumniszuschläge führen, wenn die Festsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1981 VI R 169/78).
Normenkette
AO 1977 § 227 Abs. 1, §§ 240, 258; AO §§ 333, 230; StSäumG §§ 1, 7
Tatbestand
I. Der Kläger unterhält seit 1969 einen Maler- und LackiererBetrieb. Seine Ehefrau arbeitet als Angestellte in diesem Betrieb.
Die für Juni bis Dezember 1975 und Januar bis März 1976 angemeldeten Lohnsteuerbeträge, die für Mai bis Dezember 1975 und Januar/Februar 1976 vorangemeldeten Umsatzsteuerbeträge und die Einkommen- und Kirchensteuervorauszahlungen für das IV.Kalendervierteljahr 1975 und das I.Kalendervierteljahr 1976 hat der Kläger nicht zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen entrichtet. Auch die Umsatzsteuernachzahlungen für 1972 und 1975 hat der Kläger verspätet geleistet. Er tilgte die aufgelaufenen Rückstände ab Juli 1976 nach entsprechend eingeräumtem Vollstreckungsaufschub in monatlichen Ratenzahlungen bis Februar 1978.
Aufgrund der verspäteten Steuerzahlungen entstanden Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 2 702 DM. Diese setzen sich wie folgt zusammen:
Säumniszuschläge Säumniszuschläge Säumniszuschläge
zur Umsatzsteuer zur Lohnsteuer zur
Kalenderjahr Einkommensteuer
----------------------------------------------------------------
DM DM DM
1972 128 - -
1975 996 337 480
1976 518 18 225
-----------------------------------------------------
1 642 355 705.
=====================================================
Ausweislich der Bilanzen zum 31.Dezember 1974 und 1975 hatte der Kläger Gewinne von 25 791,51 DM bzw. 24 188,83 DM, Entnahmen von 24 849,38 DM bzw. 26 001,67 DM und dabei negative Kapitalkonten von 16 289,45 DM bzw. 18 211,26 DM.
Mit Schreiben vom 15.November 1977 hat der Kläger den Erlaß der Säumniszuschläge beantragt. Er sei bemüht gewesen, seine laufenden Steuern pünktlich zu begleichen. Wegen Ausschöpfung sämtlicher Kreditmöglichkeiten habe er die Steuern nicht sofort zahlen können; er sei zahlungsunfähig gewesen.
Das Finanzamt hat den Erlaß mit Schreiben vom 6.Dezember 1977 abgelehnt. Die Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Mit der Klage machte der Kläger weiterhin unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.April 1975 VII R 54/72 (BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727) geltend, die Säumniszuschläge seien aus Billigkeit zu erlassen, weil er zweifelsfrei überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Er habe aufgrund ernsthafter Liquiditätsschwierigkeiten die Steuern, die den Säumniszuschlägen zugrunde lagen, nicht pünktlich begleichen können. Dieses Unvermögen, die Steuerschuld zu einem bestimmten Stichtag zu zahlen, sei nach seiner Auffassung Zahlungsunfähigkeit. Ferner sei seiner Auffassung nach sein Betrieb überschuldet gewesen, weil durch übersteigende Verbindlichkeiten über die Vermögenswerte ein negatives Kapitalkonto von ca. 18 000 DM vorgelegen habe.
Das Finanzgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.September 1979 abgewiesen.
Mit der (vom Finanzgericht zugelassenen) Revision rügt der Kläger Verletzung des § 227 der Abgabenordnung (AO 1977). Er hält weiterhin die Voraussetzungen für den Erlaß der Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit für gegeben, weil die rechtzeitige Zahlung der Steuern wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich gewesen sei, so daß die Ausübung eines Drucks zur Zahlung ihren Sinn verloren habe. Der Bundesfinanzhof (BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727) habe bislang nicht definiert, was unter Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit zu verstehen sei.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Finanzamt zum Erlaß der Säumniszuschläge zu verpflichten.
Das Finanzamt (Beklagter) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet.
1. Gemäß § 227 Abs.1 AO 1977 können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (zu denen auch Ansprüche auf Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen gehören; § 37 Abs.1 i.V.m. § 3 Abs.3 AO 1977) ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Erlaßantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden kann, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
2. Das Finanzgericht hat zu Unrecht das Vorliegen eines Ermessensfehlers bei der Ablehnung des Erlasses verneint.
Eine fehlerfreie Ermessensausübung setzt voraus, daß die Finanzbehörden ihre Entscheidung anhand des einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts treffen (vgl. BFH-Urteil vom 15.Juni 1983 I R 76/82, BFHE 139, 146, BStBl II 1983, 672 mit Nachweisen) und dabei die Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art berücksichtigen, die nach Sinn und Zweck der Norm, die das Ermessen einräumt, maßgeblich sind (vgl. BFH- Urteil vom 1.Juli 1981 VII R 84/80, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740). Diese Voraussetzungen erfüllt die angefochtene Beschwerdeentscheidung nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. zuletzt Urteil vom 8.März 1984 I R 44/80, BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415) setzt ein Erlaß von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen voraus, daß ihre Einziehung im Einzelfall - insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Säumniszuschläge - nicht mehr zu rechtfertigen ist, weil deren Erhebung - obwohl der Sachverhalt den gesetzlichen Tatbestand erfüllt - den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewußt in Kauf genommen hat, rechtfertigen dagegen nicht den Erlaß aus Billigkeitsgründen.
Sowohl nach dem Rechtszustand vor dem 1.Januar 1977 (§ 1 Abs.1 StSäumG) als auch nach der danach geltenden Vorschrift des § 240 AO 1977 sind Säumniszuschläge dem Grunde nach verwirkt, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt worden ist. Durch die Säumniszuschläge soll der Steuerpflichtige zur rechtzeitigen Zahlung der Steuer angehalten werden. Die Säumniszuschläge sind ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern und entstehen kraft Gesetzes bei unterbliebener Zahlung, ohne daß es auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen ankommt (Beschluß vom 8.Dezember 1975 GrS 1/75, BFHE 117, 352, BStBl II 1976, 262).
3. Die Beschwerdeentscheidung enthält die Sachverhaltsfeststellung, dem Kläger sei ab Juli 1976 in der Weise Vollstreckungsaufschub eingeräumt gewesen, daß er monatliche Zahlungen zu leisten gehabt habe. Welche Auswirkungen diese Maßnahme auf das Anfallen bzw. den Erlaß von Säumniszuschlägen haben kann, ist unberücksichtigt geblieben.
Hinsichtlich der Rechtsfolgen des mitgeteilten Vollstreckungsaufschubs auf die Erhebung von Säumniszuschlägen ist nach dem Rechtszustand vor dem 31.Dezember 1976 (Geltung der Reichsabgabenordnung --RAO--) und dem Rechtszustand ab 1.Januar 1977 (Geltung der AO 1977) zu unterscheiden.
a) Rechtslage bis zum 31.Dezember 1976
Zur Reichsabgabenordnung vertrat die Rechtsprechung die Auffassung, dem vom Finanzamt verfügten und dem Steuerpflichtigen mitgeteilten Vollstreckungsaufschub (§ 333 RAO) komme stundungsgleiche Wirkung zu (RFH vom 25.April 1934 IV A 243/33, RStBl 1934, 609; ferner --jeweils ohne Entscheidungserheblichkeit-- Urteile des BFH vom 23.September 1960 III 43/59, HFR 1962, 112; vom 20.Oktober 1976 I R 116/74, BFHE 121, 5, BStBl II 1977, 257, und vom 15.März 1979 IV R 174/78, BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429).
Bei dieser Beurteilung konnten Säumniszuschläge --ab Gewährung des Vollstreckungsaufschubs-- nicht entstehen (BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429); mangels angefallener Säumniszuschläge kommt daher die Frage des Erlasses grundsätzlich nicht zum Tragen.
Gegen die Festsetzung der Säumniszuschläge durch Verwaltungsakt (was nicht erforderlich war, § 7 StSäumG) war als eigenes Rechtsbehelfsverfahren die Beschwerde gemäß § 230 RAO gegeben (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7.Aufl., § 230 AO 1977 Tz.17 a). Diese Rechtsbehelfsmöglichkeit war bei Angriffen gegen die Entstehung von Säumniszuschlägen anzuwenden.
Nach Bestandskraft einer Festsetzung von Säumniszuschlägen kann ein Erlaßverfahren wegen sachlicher Unbilligkeit nicht schon dann zur sachlichen Prüfung der angeforderten Säumniszuschläge führen, wenn die Festsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (vgl. BFH-Urteil vom 30.April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611).
b) Rechtslage ab 1.Januar 1977
Nach der Abgabenordnung 1977 verhindert der dem Kläger mitgeteilte Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO 1977) --hier durch Einräumung von Ratenzahlungen-- jedenfalls nicht das Entstehen von Säumniszuschlägen. Wie in dem Urteil vom 15.März 1979 IV R 174/78 (BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429) hervorgehoben, beschränken sich solche Maßnahmen des Finanzamts auf das Vollstreckungsverfahren; mit dem Vollstreckungsaufschub wird lediglich zeitweilig auf die zwangsweise Durchsetzung des Zahlungsanspruchs verzichtet, aber die Fälligkeit der Steuerforderung nicht berührt. Der Steuerpflichtige erhält kein Leistungsverweigerungsrecht. Säumniszuschläge sind verwirkt, weil nach der Entscheidung des Gesetzes bei verspäteter Zahlung entweder Säumniszuschläge oder Zinsen (Stundungs- bzw. Aussetzungszinsen, §§ 234, 237 AO 1977) anfallen sollen. Die Frage, ob Säumniszuschläge wegen des Vollstreckungsaufschubs generell oder nur bei Hinzutreten besonderer Umstände erlassen werden könnten, ist in BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429 offengeblieben.
Oberfinanzdirektion und Finanzgericht haben die Möglichkeit des Erlasses der Säumniszuschläge unter Berufung auf das Urteil vom 22.April 1975 VII R 54/72 (BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727) verneint, ohne auf die Auswirkungen des Vollstreckungsaufschubs einzugehen. In der genannten Entscheidung und in dem daran anknüpfenden Urteil vom 8.März 1984 I R 44/80 (BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415) hat der Bundesfinanzhof die Erhebung von Säumniszuschlägen insbesondere dann als sachlich unbillig angesehen, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuern wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung eines Drucks zur Zahlung ihren Sinn verliert.
Oberfinanzdirektion und Finanzgericht haben diese Rechtsprechung offenbar dahingehend verstanden, der Erlaß von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen setze in jedem Falle Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Steuerpflichtigen im konkursrechtlichen Sinne voraus. Diese Auffassung verkennt, daß die vorgenannten Entscheidungen Fälle betrafen, in denen die für den Steuerpflichtigen ungünstigsten wirtschaftlichen Voraussetzungen festgestellt (BFHE 116, 87, BStBl II 1975, 727) oder Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben waren (BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415). Die Entscheidungen bejahen die Erlaßfähigkeit von Säumniszuschlägen jedenfalls für diese besondere Fallgestaltung als Einzelfall, ohne darin abschließende Erlaßvoraussetzungen für Säumniszuschläge zu sehen. Wollte man allgemein das Vorliegen der Konkursgründe voraussetzen, ergäben sich Anforderungen, die über die Voraussetzungen abgabenrechtlicher Billigkeitsmaßnahmen hinausgehen. Sind nämlich die Gründe für den Konkurs über das Vermögen eines Steuerpflichtigen gegeben, so liegt regelmäßig keine abgabenrechtliche Erlaß- bzw. Stundungssituation bezüglich offener Steuerschulden vor; denn diese Billigkeitsmaßnahmen sollen im wesentlichen das wirtschaftliche Fortbestehen des Steuerpflichtigen ermöglichen, also den Eintritt der Konkurslage verhindern.
Die beiden Urteile weisen aber - unbeschadet ihrer besonderen Fallgestaltungen - darauf hin, daß die Prüfung des Erlasses von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen von der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden auszugehen hat. Sie verlangen die eingehende Ermittlung und Würdigung der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen bei Eintritt der Zahlungspflicht. Sofern sich dabei nicht schon der Fall der Zahlungseinstellung wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ergibt, ist an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen der abgabenrechtliche Maßstab für Erlaß und Stundung anzulegen, auch wenn --aus welchen Gründen auch immer-- kein Erlaß- oder Stundungsverfahren hinsichtlich der Steuerschulden bei deren Fälligkeit eingeleitet wurde. Insbesondere in Fällen der vorliegenden Art, in denen das Finanzamt dem Steuerpflichtigen Vollstreckungsschutzmaßnahmen einräumt, ist im Rahmen der Ermessensentscheidung über den beantragten Erlaß angeforderter Säumniszuschläge auf diese Gesichtspunkte einzugehen. Da die Aufschubmaßnahmen nach § 258 AO 1977 unterschiedliche Gründe haben können, hat die Ermessensentscheidung zum Erlaß der Säumniszuschläge diese Gründe je nach Lage des Einzelfalles mitzuberücksichtigen (zutreffend: Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25.August 1982 1 K 48-49/82, EFG 1983, 270). Es kann nicht außer acht gelassen werden, daß in der Praxis bisweilen Maßnahmen des Vollstreckungsaufschubs an die Stelle nicht durchgeführter, aber möglich gewesener Billigkeitsmaßnahmen wie Erlaß und Stundung eingesetzt werden.
Ergibt die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen z.B., daß bei Steuerfälligkeit eine Erlaßsituation gegeben war, so entfällt für die Erhebung der Säumniszuschläge als Druckmittel zur Zahlung der Sinn ebenso wie in den Fällen der Zahlungsunfähigkeit, zumal bei Gewährung des Erlasses Säumniszuschläge nicht angefallen wären. Unangemessen kann die Anforderung von Säumniszuschlägen ferner sein, wenn die einstweilige Verschonung von der Zwangsvollstreckung anstelle einer --an sich möglichen oder gebotenen-- Stundung gewährt wurde. Das gilt vor allem, wenn etwa Ratenzahlung als Maßnahme im Sinne des § 258 AO 1977 eingeräumt wurde, um auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen für eine längere Zeitspanne Rücksicht zu nehmen. Richten sich die vereinbarten Raten nach der äußersten Grenze der Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, kann davon ausgegangen werden, daß die Säumniszuschläge als Druckmittel hinsichtlich der Zahlung des gesamten Steuerbetrags ihren Zweck verlieren, insbesondere, wenn der Steuerpflichtige bei Einräumung des Vollstreckungsschutzes nicht auf das Weiterlaufen der Säumniszuschläge hingewiesen wurde. Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Zwecks der Säumniszuschläge als Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung (BFHE 127, 311, BStBl II 1977, 429) liegt es allerdings auch in solchen Fällen nahe, nur einen Teilerlaß der Säumniszuschläge als sachlich ermessensgerecht anzusehen. Hinsichtlich der Höhe des Erlasses kann die Höhe der Stundungs- oder Aussetzungszinsen (§ 238 AO 1977) herangezogen werden. Gleichwohl ist ein darüber hinausgehender Erlaß nicht ausgeschlossen, sofern die wirtschaftliche Situation die Voraussetzungen einer zinslosen Stundung erfüllt hätte.
Das Finanzgericht hat ferner zu Unrecht einen Ermessensfehler der Finanzbehörden mit der Zusatzerwägung verneint, die Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer gehe --wie bei der Lohnsteuer-- allen übrigen Zahlungsverpflichtungen vor; auch aus diesem Grunde sei die Erhebung von Säumniszuschlägen nicht sachlich unbillig. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 26.April 1984 V R 128/79 (BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776), mit dem er den Vorrang von Umsatzsteuerrückständen gegenüber anderen Forderungen verneint hat.
4. Das angefochtene Urteil und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion waren daher aufzuheben. Der Verwaltungsbehörde wird damit die nochmalige Entscheidung über den Erlaßantrag im Beschwerdeverfahren unter Berücksichtigung der dargestellten Ermessensgesichtspunkte ermöglicht.
Fundstellen
Haufe-Index 61040 |
BStBl II 1985, 489 |
BFHE 143, 512 |
BFHE 1985, 512 |
BB 1986, 187-187 (S) |
DStR 1986, 48-48 (ST) |
HFR 1986, 552-554 (ST) |