Leitsatz (amtlich)
Geschäfte, die als solche über den Rahmen der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im Sinne von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG hinausgehen (Nebengeschäfte), stehen der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags dann nicht entgegen, wenn sie erforderlich waren, um für die Grundstücksverwaltung und -nutzung benötigte Kredite zu beschaffen.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, die sich mit dem Erwerb von Grundstücken und deren Bebauung befaßt, begehrte mit ihrem Einspruch gegen den Gewerbesteuer-Meßbescheid 1961 u. a. die erweiterte Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Der Revisionsbeklagte (FA) versagte dies in der Einspruchsentscheidung mit der Begründung, daß die Steuerpflichtige in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung 1961 neben den "Hauserträgen" auch "Provisionserträge" in Höhe von 66 950 DM aufgeführt habe. Daraus ergebe sich, daß sie auch eine Tätigkeit ausgeübt habe, die nicht unter die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG falle.
Bei den genannten Provisionserträgen handelt es sich nach Darstellung der Steuerpflichtigen um Einnahmen, die im Rahmen der Finanzierung von Hypotheken für Bauvorhaben und Neuankäufe angefallen sind. Im einzelnen setzt sich der Betrag zusammen aus
10 000 DM Honorar für die Refinanzierung eines Kontokorrentkredits seitens einer Bank; die Steuerpflichtige habe dieser Bank Festgeld besorgen müssen, um den Kontokorrentkredit zu erhalten;
26 250 DM Honorar für den Verkauf von Pfandbriefen als Refinanzierung für Hypotheken; die Steuerpflichtige habe für die Hypothekengläubigerin zum Zwecke der Refinanzierung Pfandbriefe in Höhe von 3 Millionen DM verkauft;
20 700 DM weiteres Honorar für den Verkauf von Pfandbriefen zum Zwecke der Refinanzierung;
10 000 DM irrtümlich als Einkommen verbuchter Kursgewinn bei Pfandbriefen, die die Steuerpflichtige im Rahmen des obigen Refinanzierungsgeschäftes auf eigene Rechnung gekauft und wieder verkauft hat.
Nach Auffassung der Steuerpflichtigen war die Beschaffung der Refinanzierung unerläßliche Voraussetzung zur Bereitstellung der Kredite für die Finanzierung ihres Grunderwerbs.
Die Klage der Steuerpflichtigen blieb erfolglos. Das FG begründete seine in EFG 1966, 585 veröffentlichte Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Steuerpflichtige im Streitjahr neben den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten Tätigkeiten noch weitere (schädliche) Geschäfte ausgeführt habe. Weder die Beschaffung von Refinanzierungsmitteln in Form von anlagesuchenden Darlehen noch die Mitwirkung der Steuerpflichtigen bei der Refinanzierung durch Verkauf von Pfandbriefen könnten unter den Begriff der Vermögensverwaltung subsumiert werden. Diese Geschäfte stünden zwar mittelbar im Zusammenhang mit der begünstigten Tätigkeit der Steuerpflichtigen. Für die Steuerbegünstigung sei jedoch erforderlich, daß die erzielten Erträge unmittelbar aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes oder daneben eigenen Kapitalvermögens, der Betreuung von Wohnungsbauten oder der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen usw. stammten. Trotz des im Streitfall von der Steuerpflichtigen aufgezeigten wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen dem Grunderwerb und seiner Finanzierung einerseits und der Besorgung der Refinanzierung andererseits könne nicht außer acht gelassen werden, daß die honorierte Beschaffung der Refinanzierungsmittel nicht mehr im Zusammenhang mit der begünstigten Tätigkeit eines Wohnungsunternehmens, sondern durchaus auch als hiervon losgelöste Tätigkeit denkbar sei. Auch könne der Steuerpflichtigen nicht zugestimmt werden, wenn sie die Ablehnung ihres Antrags als Verstoß gegen den Zweck der Befreiungsvorschrift betrachtet wissen wolle. Die Gleichstellung eines an sich gewerbesteuerpflichtigen reinen Grundstücksunternehmens mit den privaten Grundstücksbesitzern werde nicht vereitelt, wenn eine nicht unmittelbar mit den Grundstücksgeschäften zusammenhängende Tätigkeit als schädlich behandelt werde. Der Gesetzgeber habe die Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausdrücklich auf solche Unternehmen beschränkt, die ausschließlich die in der Vorschrift genannten Tätigkeit entfalteten. Damit sei eine darüber hinausgehende Ausdehnung der Befreiungsvorschrift als mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar und dem klaren Wortlaut des Gesetzes widersprechend unzulässig.
Mit der Revision beantragt die Steuerpflichtige die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrags auf 0 DM. Sie rügt, daß die Abschreibung eines Damnums als Zins i. S. § 8 Nr. 1 GewStG behandelt und daß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht auf den gegebenen Sachverhalt angewendet worden sei.
Zur Anwendbarkeit des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG trägt sie insbesondere vor:
Zur Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes gehöre die langfristige Finanzierung - die Finanzierung des Grundstückserwerbs, die Finanzierung der Gebäudeerrichtung, die Beschaffung neuen Fremdkapitals nach Maßgabe der Fälligkeit und Tilgung der alten Schulden. Je nach der Lage des Kapitalmarktes sei die Erlangung von Fremdkapital überhaupt oder zu tragbaren Bedingungen nur dann möglich, wenn der Geldsuchende dem Bankinstitut, dessen Ausleihungen von dem Umfang der ihm zufließenden Einlagen abhängig seien, möglichst langfristige Einlagen verschaffe, wie z. B. - wie im vorliegenden Falle - der Bank Darlehen öffentlich-rechtlicher Körperschaften beschafft, dem Pfandbriefinstitut durch den Absatz von Pfandbriefen langfristige Mittel zugeführt würden.
Soweit die Finanzierung des Grundbesitzes nur möglich sei durch Beschaffung der Refinanzierung, seien die Bemühungen um die Beschaffung der Refinanzierung ein notwendiges Element der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes und seien die bei dieser Refinanzierungsbemühung anfallenden Vergütungen wirtschaftlich eine Minderung des Finanzierungsaufwandes, ein Gegenposten zu Schuldzinsen und Damnum.
Die Refinanzierung sei im vorliegenden Fall aus besonderem Grund, nämlich dann erfolgt, wenn im Rahmen der Verwaltung und Nutzung eine Beschaffung von Fremdkapital erforderlich, aber nicht ohne Refinanzierungsbeschaffung möglich gewesen sei. Eine solche Refinanzierungsbeschaffung wäre auch bei einem privaten Grundstücksbesitzer nicht als gewerbliche Tätigkeit angesehen worden.
Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, was als Möglichkeit denkbar sei. Dem FG sei zwar zuzugeben, daß sich die Steuerpflichtige hätte entschließen können, planmäßig Geldgeschäfte der bezeichneten Art zu betreiben. In diesem Falle hätte ihre Tätigkeit als schädlich angesehen werden können. Einen solchen planmäßigen Betrieb habe sie indes nicht aufgezogen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es räumt die unzutreffende Behandlung der Abschreibung des Damnums ein, hält jedoch das Vorbringen der Steuerpflichtigen insoweit für eine im Revisionsverfahren gemäß § 123 FGO unzulässige Klageänderung. Hinsichtlich der Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bleibt das FA unter Bezugnahme auf die Vorentscheidung bei seiner bisherigen Auffassung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt anstelle der Kürzung nach Satz 1 dieser Bestimmung bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen ..., die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
Die Vorschrift stellt ausschließlich auf bestimmte mögliche Tätigkeiten der Steuerpflichtigen ab, trifft aber keine Entscheidung, wie zu verfahren ist, wenn die Betätigung eines Steuerpflichtigen diesen Tätigkeitsgruppen zwar zugeordnet werden kann, ebenso aber als selbständige gewinnbringende Verrichtung denkbar wäre. Die Auffassung des FG, nach der in diesen Fällen die Vergünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG schlechthin nicht gewährt werden kann, erscheint dem Senat nach Sinn und Wortlaut des Gesetzes nicht gerechtfertigt. Sie würde dazu führen, daß auch dann, wenn eine wirtschaftlich vernünftig gestaltete Grundstücksverwaltung ohne eine solche "schädliche" Nebenverrichtung nicht möglich wäre, die Vergünstigung versagt werden müßte.
Die Auslegung eines Gesetzes darf nicht dazu führen, daß dessen Ziel - hier die Förderung der Verwaltung eigenen Grundbesitzes - wesentlich beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles würde aber vorliegen, wenn ein Nebengeschäft, das als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden muß, als der erweiterten Kürzung entgegenstehend betrachtet würde.
Für den zu entscheidenden Fall bedeutet dies, daß die Vergünstigung dann nicht versagt werden darf, wenn die umstrittenen Nebengeschäfte erforderlich waren, um die für die Grundstücksverwaltung und -nutzung benötigten Kredite zu beschaffen. Ob dies so war, ist anhand objektiver Merkmale nach der im Streitjahr bestehenden Lage am Kapitalmarkt und nicht nach den Beziehungen zwischen der Steuerpflichtigen einerseits und ihren tatsächlichen Kreditgebern andererseits zu beurteilen, denn die Erforderlichkeit eines Nebengeschäfts zur eigenen wirtschaftlich sinnvollen Grundstücksverwaltung muß bereits dann verneint werden, wenn der notwendige Kredit von einem anderen Kreditgeber zu etwa gleichen Bedingungen ohne dieses Nebengeschäft hätte erlangt werden können.
Da dem Urteil des FG diese für die Entscheidung erforderlichen Umstände nicht entnommen werden können, muß die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Diese wird - ggf. nach Einholung eines Gutachtens - erneut über die Sache entscheiden.
Im Rahmen der erneuten Entscheidung wird das FG auch darüber zu befinden haben, ob die Abschreibung auf das Damnum zu den Dauerschuldzinsen zu rechnen ist (vgl. Urteile des BFH VI 209/63 vom 23. Februar 1966, BFH 86, 32, BStBl III 1966, 375, und I 172/64 vom 23. August 1966, BFH 86, 739).
Fundstellen
Haufe-Index 68655 |
BStBl II 1969, 664 |
BFHE 1969, 403 |