Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweis des Finanzamts auf den Wegfall der Besteuerung nach Durchschnittssätzen. Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 23.08.2017, VI R 70/15
Leitsatz (NV)
1. Einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedarf es, wenn die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zunächst vorgelegen haben und sodann in einem späteren Wirtschaftsjahr weggefallen sind. Dies gilt auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen aufgrund einer Gesetzesänderung entfallen sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 14/05, BFHE 217, 525, BStBl II 2007, 816).
2. Haben die Voraussetzungen zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen dagegen von Anfang an nicht vorgelegen, bedarf es auch dann keiner Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, wenn das FA die Gewinnermittlung nach § 13a EStG jahrelang nicht beanstandet hat. Ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen in den (vorübergehenden) Fortbestand der für ihn günstigen, aber fehlerhaften Verwaltungspraxis besteht nicht.
Normenkette
EStG 2009 § 13a Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 5 S. 1, § 4 Abs. 1, 3; BewG 1991 § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c; AO §§ 141, 162
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Dezember 2014 5 K 2457/13 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
Rz. 1
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte u.a. aus einem im Nebenerwerb bewirtschafteten Weinbaubetrieb Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die selbst bewirtschaftete Weinbaufläche betrug 60,43 Ar, die teilweise in seinem Eigentum stand, teilweise hinzugepachtet war. Eine landwirtschaftliche Nutzung darüber hinaus lag nicht vor (sog. reiner Weinbaubetrieb). Wirtschaftsjahr für die Ermittlung der Einkünfte aus dem Weinbaubetrieb war der Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni. Bis einschließlich für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 und ebenso noch für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 erfolgte die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Rz. 2
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger wie in den Vorjahren die Ermittlung des Gewinns des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen und setzten in der Anlage L für die Wirtschaftsjahre 2010/2011 und 2011/2012 nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 EStG jeweils einen Gewinn in Höhe von 512 € an.
Rz. 3
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ermittelte den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 demgegenüber im Wege der Schätzung nach § 4 Abs. 3 EStG und setzte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Streitjahr mit 7.084 € an. Der Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 wurde unter Heranziehung eines Erfahrungswerts an Traubengeldzahlungen von 25.000 € je Hektar --ha-- (anteilig 15.107 €) als Einnahmen sowie der amtlich ermittelten Bebauungskostenpauschale von 2.400 € je ha für 2011/2012 (anteilig 1.451 €) als Betriebsausgaben geschätzt.
Rz. 4
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 2061 veröffentlichten Gründen statt. Zwar sei es unstreitig, dass der Gewinn aus dem Weinbaubetrieb des Klägers für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 nach objektiver Rechtslage nicht nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG, sondern nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln sei. Das FA sei jedoch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht berechtigt gewesen, rückwirkend für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 eine Gewinnermittlung nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4 EStG) zu verlangen.
Rz. 5
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Rz. 6
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Rz. 7
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Kläger die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 2011/ 2012 weiter nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG ermitteln durfte und das FA demnach insoweit nicht zu einer Schätzung des Gewinns nach Richtsätzen berechtigt war (§ 162 der Abgabenordnung).
Rz. 9
1. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter II.2. bis 7. des in neutralisierter Fassung beigefügten Urteils des erkennenden Senats vom 23. August 2017 VI R 70/15 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) verwiesen.
Rz. 10
2. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 11379940 |
BFH/NV 2018, 197 |