Leitsatz (amtlich)
1. Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstükken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe setzt voraus, daß Erwerbsgeschäft und Veräußerungsgeschäft sich jeweils auf ein und denselben Betrieb des Erwerbers beziehen.
2. Betrieb im Sinne der Befreiungsvorschrift ist eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der land- oder forstwirtschaftliche Güter für andere hervorgebracht oder Dienstleistungen bereitgestellt werden. Eine Wirtschaftseinheit in diesem Sinne kann auch ein staatliches Forstamt mit seinen Betriebsbezirken sein, nicht jedoch der gesamte Forstbesitz eines Bundeslandes.
Normenkette
GrEStAgrG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), das Land N, hatte am 3. Januar 1975 zwei im Bezirk des staatlichen Forstamts A (Landkreis B) liegende, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke für 17 959 DM gekauft. Für diesen Erwerbsvorgang hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) durch Bescheid vom 12. Februar 1975 die Grunderwerbsteuer auf 1 257,10 DM festgesetzt. Die Steuer ist entrichtet, der Bescheid unanfechtbar.
Rund ein Jahr später beantragte der Kläger, ihm die 1 257,10 DM Grunderwerbsteuer aus Rechtsgründen zu erstatten. Er habe einen Anspruch auf Erstattung der Steuer, weil der Erwerb der beiden Grundstücke steuerfrei sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 - GrEStAgrG - (Gesetz- und Verordnungsblatt 1959 S. 57 - GVBl 1959, 57 -, BStBl II 1959, 50). Die Befreiung sei dadurch eingetreten, daß er am 13. Mai 1975, also noch vor Ablauf eines Jahres nach dem Erwerb, ein unwirtschaftliches, forstfiskalisches Grundstück aus dem Bezirk des staatlichen Forstamts C (Landkreis D) für 82 408 DM verkauft habe.
Das FA lehnte den Erstattungsantrag durch Bescheid vom 29. September 1976 ab; den Einspruch wies es zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die Verpflichtungsklage abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt. Sein Urteil ist auszugsweise veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 148 Nr. 166 (EFG 1979, 148, Nr. 166).
Mit seiner Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG. Er beantragt, das Urteil des FG, den Ablehnungsbescheid und den Einspruchsbescheid des FA aufzuheben und das FA zu verpflichten, ihm 1 257,10 DM zu erstatten.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat richtig erkannt und dargelegt, daß das FA gesetzlich nicht verpflichtet werden konnte, dem Kläger 1 257,10 DM Grunderwerbsteuer aus Rechtsgründen zu erstatten. Der Kläger hatte diese Steuer weder "ohne rechtlichen Grund gezahlt" noch war der rechtliche Grund für die Zahlung, nämlich der Steuerbescheid vom 12. Februar 1975, später weggefallen (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Veräußerung des Grundstücks am 13. Mai 1975 war kein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hatte, konnte infolgedessen nicht zur Aufhebung des Steuerbescheids vom 12. Februar 1975 und damit zum Wegfall des rechtlichen Grundes für die Zahlung führen (§ 175 Nr. 2 AO 1977, Art. 97 § 1, § 9 Sätze 1 und 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Denn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG, unter denen die Veräußerung eine dahingehende Wirkung hätte haben können, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) auf Antrag ausgenommen "der Erwerb eines Grundstücks durch einen Land- oder Forstwirt, wenn a) dadurch die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse beim Erwerber und die Agrarstruktur verbessert werden und b) der Erwerber im Zusammenhang damit ein betriebswirtschaftlich ungünstiges Grundstück veräußert", wobei die Veräußerung auch nach dem Erwerb liegen kann, allerdings nicht mehr als ein Jahr nach dem Erwerb. Die Ausnahme von der Besteuerung tritt nur ein, "wenn die zuständige Behörde bescheinigt, daß der Erwerb den ... bezeichneten Zwecken dienlich ist" (§ 1 Abs. 2 GrEStAgrG).
Es fehlt schon an der zuletzt genannten Voraussetzung. Das Amt für Agrarstruktur in E hat sich - wie der Kläger im Verfahren vor dem FG vorgetragen hat - geweigert, "vor der Entscheidung des Finanzgerichts" eine Zweckdienlichkeitsbescheinigung auszustellen.
Darüber hinaus fehlt es an der Voraussetzung, daß das veräußerte Grundstück zu demselben forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers gehörte, dessen betriebswirtschaftliche Verhältnisse durch die erworbenen Grundstücke verbessert werden sollten. Das FG hat richtig erkannt, daß die in der Befreiungsvorschrift verwendeten Begriffe "betriebswirtschaftliche Verhältnisse beim Erwerber" und "betriebswirtschaftlich ungünstiges Grundstück" sich auf nur einen bestimmten land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb des Erwerbers beziehen. Die Verbesserung der Struktur dieses einen Betriebs durch Zukauf eines Grundstücks und Verkauf eines betriebswirtschaftlich ungünstigen Grundstücks steuerlich zu erleichtern, ist der Sinn des Gesetzes. Dabei ist vorausgesetzt ein "Betrieb" im betriebswirtschaftlichen Sinne, also eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in der land- oder forstwirtschaftliche Güter für andere hervorgebracht oder Dienstleistungen bereitgestellt werden. Eine Wirtschaftseinheit in diesem Sinne kann auch ein staatliches Forstamt mit seinen "Betriebsbezirken" sein. Das Forstamt bildet "die untere gebietlich begrenzte wirtschaftliche Einheit" und es "bewirtschaftet die Landesforsten" (vgl. die Richtlinien des Niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten "für Organisation, Zuständigkeitsverteilung und Personalfragen in der Landesforstverwaltung" vom 15. Januar 1973, Niedersächsisches Ministerialblatt 1973 S. 123 - Nds. MBl. 1973, 123 -). Dem Begriff des "Betriebs" steht nicht entgegen, daß die Bewirtschaftung der Landesforsten geschieht "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, der mittelfristigen Betriebswerke und der jährlichen Wirtschaftsbzw. Haushaltspläne sowie der besonderen Verwaltungsvorschriften" (Abschn. 4.1. der erwähnten Richtlinien). Denn bei öffentlichen Betrieben kann das erwerbswirtschaftliche Prinzip (Gewinnmaximierung) und die Selbstbestimmung des Wirtschaftsplans aus Gründen des Allgemeinwohls eingeschränkt, die Entscheidung über den Erwerb und die Veräußerung forstfiskalischer Grundstücke von der Zustimmung einer übergeordneten Behörde abhängig sein. Innerhalb dieses Rahmens aber wird - wie das FG festgestellt hat - der Wald "unmittelbar nur von den einzelnen Forstämtern aus bewirtschaftet, die hierzu mit den entsprechenden Gerätschaften ausgerüstet sind und grundsätzlich in eigener Verantwortung entsprechend den örtlichen Gegebenheiten über die vorzunehmenden forstwirtschaftlichen Arbeiten zu entscheiden haben". In ähnlichem Sinne hat der Reichsfinanzhof (RFH) in dem vom FG angeführten Urteil erkannt, daß bewertungsrechtlich für den Umfang einer forstwirtschaftlichen Einheit in der Hauptsache nicht die verwaltungsmäßige, sondern die betriebswirtschaftliche Zusammenfassung entscheidend ist, und daß nicht der gesamte umfangreiche Forstbesitz des Klägers (30 000 ha), sondern die einzelne "Oberförsterei" eine wirtschaftliche Einheit, einen "Betrieb" bildet (Urteil vom 15. März 1934 III A 70/34, RFHE 36, 11, RStBl 1934, 696).
Der Kläger ist demgegenüber der Ansicht, daß "die gesamte Landesforstverwaltung als ... ein Betrieb anzusehen" sei, weil sie "nach einem Haushaltsplan bewirtschaftet" werde und "haushaltsrechtlich eine Einheit" bilde. Diese Merkmale sind indes nicht kennzeichnend für den Begriff des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, wie er der Befreiungsvorschrift zugrunde liegt. Ein öffentlicher Haushalt ist in erster Linie Konsumtions-, nicht Produktionswirtschaft: "Der Haushaltsplan dient der Feststellung und Deckung des Finanzbedarfs, der zur Erfüllung der Aufgaben des Landes im Bewilligungszeitraum voraussichtlich notwendig ist" (§ 2 Satz 1 der Niedersächsischen Landeshaushaltsordnung - LHO - vom 7. April 1972, GVBl 1972, 181). Der Hinweis des Klägers, daß "der gesamte Grundstücksverkehr der Landesforstverwaltung ... vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zentral gesteuert und über den sog. - ausschließlich von dort bewirtschafteten - Agrarstrukturfonds abgewickelt" wird, und daß "die einzelnen Forstämter ... die abgeschlossenen, zuvor vom Ministerium genehmigten Verträge lediglich" durchführen und "hierzu ... in jedem Einzelfall erneut bevollmächtigt werden", bezieht sich auf die Ausführung des Haushaltsplans (§ 64 LHO), besagt aber nichts über das Wesen des forstwirtschaftlichen Betriebs.
Der Kläger ist ferner der Ansicht, die Befreiungsvorschrift sei selbst dann anwendbar, wenn man nicht die gesamte Landesforstverwaltung, sondern das einzelne staatliche Forstamt als einen "Betrieb" ansehe. Es sei nicht erforderlich, daß Grundstückserwerb und -veräußerung sich jeweils auf denselben Betrieb bezögen. Denn der Gesetzeszweck erfordere, auch "Eigentümern mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe die Grunderwerbsteuerbefreiung" zu gewähren, weil "sie in viel stärkerem Maß als Eigentümer von nur einem Betrieb in der Lage" seien, "durch in Zusammenhang stehende Grunderwerbs- und -veräußerungsgeschäfte die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse zugleich in mehreren Betrieben und damit auch die Agrarstruktur insgesamt zu verbessern". Diese Ansicht teilt der erkennende Senat nicht. Gegen sie spricht folgende Erwägung: Erwirbt ein Landwirt, der mehrere landwirtschaftliche Betriebe hat, ein Grundstück zu seinem Betrieb A hinzu und veräußert er in zeitlichem Zusammenhang damit ein Grundstück aus seinem Betrieb B, so handelt es sich um eine Aufstockung des landwirtschaftlichen Betriebs A. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Erwerb steuerfrei ist, ist in Nr. 3 des § 1 Abs. 1 GrEStAgrG besonders geregelt. Dieser besonderen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn Grundstückserwerbe dieser Art schon unter den Befreiungstatbestand der Nr. 1 des § 1 Abs. 1 GrEStAgrG fielen.
Fundstellen
Haufe-Index 74134 |
BStBl II 1982, 74 |
BFHE 1981, 364 |