Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Für den Beginn der Frist des § 1 Nr. 3 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer in der Fassung vom 6. Oktober 1958 ist der Zeitpunkt des ersten tatsächlichen Bezugs der Wohnungen, nicht der Bezugsfertigkeit des Gebäudes entscheidend. Es ist unerheblich, ob und wie lange Wohnungen in dem Gebäude zwischenzeitlich leergestanden haben, z. B. weil der Vorerwerber vom Kaufvertrag zurückgetreten ist.
Niedersächsisches Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer in der Fassung vom 6. Oktober 1958 (Niedersächsisches GVBl 1958 S. 179,
Normenkette
GrEStWGND 1/3
Tatbestand
Der Bf. kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 3. November 1959 - behördlich genehmigt am 12. November 1959 - ein im Land Niedersachsen belegenes Grundstück für 33.333,69 DM. Auf diesem Grundstück hatte die Veräußerin ein Einfamilienhaus errichtet, das den Bestimmungen über den sozialen Wohnungsbau entsprach.
Der Bf. ist der Meinung, daß der Vertrag vom 3. November 1959 gemäß § 1 Nr. 3 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 in der Fassung des Gesetzes vom 6. Oktober 1958 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1958 S. 179, BStBl 1958 II S. 158) steuerbefreit sei. Er macht geltend: Bewerber um dieses Gebäude seien zunächst die Eheleute K. gewesen, die das Haus am 28. April 1956 bezogen hätten. Am 5. Oktober 1957 habe die Veräußerin das Grundstück an die Eheleute K. verkauft und aufgelassen; letztere seien als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Da die Eheleute K ihren Verpflichtungen aus dem Kaufvertrage nicht nachgekommen seien, habe die Veräußerin den Rücktritt vom Vertrage erklärt. Durch Urteil des Landgerichts vom 10. Oktober 1958 seien die Eheleute K. zur Rückauflassung verurteilt worden; die Veräußerin sei wieder als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden. Am 4. Juli 1959 habe die Familie K. das Haus geräumt. Dadurch - so führt der Bf. weiter aus -, daß das Landgericht den Kaufvertrag vom 5. Oktober 1957 "für nichtig erklärt" habe, sei ein Zustand geschaffen worden, der die Zeit vom 5. Oktober 1957 bis 10. Oktober 1958 vollständig verschwinden lasse. Der Umstand, daß das Grundstück an die Eheleute K. verkauft und das Gebäude von diesen bezogen gewesen sei, falle nicht mehr ins Gewicht. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, daß es diese Zeit überhaupt nie gegeben habe. Daraus folge einmal, daß es sich bei seinem Kaufvertrag vom 3. November 1959 um den "ersten Erwerb" des Grundstücks gehandelt habe, ferner aber auch, daß das Gebäude noch nicht drei Jahre bezogen gewesen sei. Angerechnet werden dürften nur die Zeit vom 28. April 1956 bis 4. Oktober 1957 und die Zeit vom 11. Oktober 1958 bis 3. November 1959, also insgesamt etwa zweieinhalb Jahre. Das Finanzamt sah die Voraussetzung des vorerwähnten Gesetzes vom 2. Juli 1952 / 6. Oktober 1958 nicht als gegeben an und setzte durch Steuerbescheid vom 17. Dezember 1959 eine Grunderwerbsteuer von 2.333,35 DM fest (Berechnungsgrundlage: 33.333,69 DM).
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist ohne Erfolg.
Nach § 1 Nr. 3 des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 in der Fassung vom 6. Oktober 1958 ist von der Besteuerung ausgenommen der erste Erwerb eines Grundstücks, auf dem ein Gebäude der in Nr. 1 bezeichneten Art (grundsteuerbegünstigtes Gebäude im Sinne des § 92 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956) errichtet worden ist, wenn zur Zeit des Erwerbs Wohnungen in dem Gebäude noch nicht oder höchstens seit drei Jahren bezogen sind.
Im Streitfall war das Gebäude am 28. April 1956 durch die Eheleute K. bezogen worden und wurde von diesen erst am 4. Juli 1959 geräumt. Demgemäß war es im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Bf. (3. November 1959) bereits vor mehr als drei Jahren bezogen werden, so daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbegünstigung nicht mehr zutreffen.
Darüber hinaus ist der Erwerb durch den Bf. kein "Ersterwerb" Der erste Erwerb lag vielmehr mit dem Vertrag vom 5. Oktober 1957, durch den die Eheleute K von der Voreigentümerin das schon mit einem Haus bebaute Grundstück erwarben, als dessen Eigentümer sie am 21. November 1957 in das Grundbuch eingetragen wurden. Zum Begriff des Erwerbs sei auf das Urteil des Senats II 146/61 U vom 21. Dezember 1961 (BStBl 1962 III S. 162, Slg. Bd. 74 S. 431) hingewiesen.
Der Umstand, daß die Voreigentümerin von dem Kaufvertrag mit den Eheleuten K zurücktrat, ändert nichts daran, daß die Drei-Jahres-Frist seit dem Bezug der Wohnung überschritten wurde. Wie schon das Finanzgericht ausgeführt hat, hatte dieser Rücktritt lediglich die sich aus den §§ 346 ff. BGB ergebenden Folgen. Ein solcher Rücktritt bedeutet aber nicht, daß der rechtliche Bestand des Vertrages beseitigt wird, sondern nur, daß die Beteiligten die früheren Verhältnisse wiederherzustellen haben.
Möglich wäre durchaus, nach einem solchen Rücktritt und der Rückauflassung des Grundstücks an die Voreigentümerin den erneuten Grundstückserwerb durch einen zweiten Erwerber gleichfalls von der Steuer zu befreien. Dazu bedarf es aber ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften. Hingewiesen sei z. B. auf § 4 Abs. 1 Ziff. 1 d und 2 d des Grunderwerbsteuergesetzes, auf § 1 Abs. 1 Ziff. 5 des baden-württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 21. September 1953 (BStBl 1953 II S. 125), auf § 1 Abs. 1 Ziff. 12 des Zweiten baden-württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 20. Juli 1962 (BStBl 1963 II S. 20), auf § 1 Ziff. 12 des Berliner Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau und den Wiederaufbau von Trümmergrundstücken vom 7. Juli 1953 in der Fassung vom 30. Mai 1956 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 1956 S. 539) usw. Für Niedersachsen ist jedoch eine dahingehende Befreiungsvorschrift nicht geschaffen. Es ist demnach auch nicht möglich, für das Land Niedersachsen nach den in anderen Ländern bestehenden Befreiungsvorschriften zu verfahren.
Das Vorbringen des Bf., der Vertrag zwischen der Voreigentümerin und den Eheleuten K sei durch das Urteil des Landgerichts für nichtig erklärt worden, beruht auf einem Irrtum. Die Eheleute K. wurden lediglich wegen des vorausgegangenen Rücktritts zur Rückauflassung des Grundstücks verurteilt.
Im übrigen ist auch dem Finanzgericht darin zuzustimmen daß - wie bereits erwähnt - die Drei-Jahres-Frist überschritten wurde. Selbst wenn somit kein Zweiterwerb, sondern noch ein Ersterwerb vorliegen würde, könnte dennoch die oben erwähnte Befreiungsvorschrift nicht zur Anwendung kommen. Das Finanzgericht hat mit Recht ausgeführt, daß es nicht auf die Bezugsfertigkeit, sondern auf den ersten Bezug der Wohnung ankommt, und daß es außerdem unwesentlich ist, wie lange Wohnungen in der Zwischenzeit leergestanden haben. Dies kommt - auch darin ist dem Finanzgericht zuzustimmen - durch die Worte "seit drei Jahren" klar zum Ausdruck.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410983 |
BStBl III 1964, 101 |
BFHE 1964, 253 |
BFHE 78, 253 |