Leitsatz (amtlich)
Eine Wertpapiersteuerpflicht nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 ist beim Umtausch von Teilschuldverschreibungen grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Umtausch der früheren gegen die neuen Wertpapiere nicht der Kapitalbeschaffung gedient hat.
Normenkette
KVStG 1934 § 11 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Aus den Gründen
Streitig ist, ob im Jahre 1953 von der Bfin. -- einer AG -- ausgegebene Teilschuldverschreibungen lediglich zum Zwecke des Umtausches ausgestellt worden sind und ob ein erster Erwerb im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 nicht vorliegt. Die Bfin. hatte im Jahre 1935 bei der Herabsetzung ihres Grundkapitals von 85,3 Mill. RM auf 55 Mill. RM in Höhe von 30 Mill. RM Teilschuldverschreibungen ausgegeben, die mit 4 1/2 v. H. verzinslich und mit einer Zusatzverzinsung und anderen Zusatzrechten ausgestattet waren. Die Bfin. konnte die Teilschuldverschreibungen vom ...... ab in bestimmtem Umfang kündigen. Am 21. Juni 1948 waren noch Teilschuldverschreibungen im Nennbetrag von Y Mill. RM im Umlauf. Jeder einzelne Inhaber von Teilschuldverschreibungen konnte seine Stücke in der Zeit zwischen dem 1. März und dem 30. September 1974 zum Zwecke der Einlösung am 1. Oktober 1975 kündigen. Das Finanzamt hatte seinerzeit für die Ausgabe dieser Schuldverschreibungen eine Wertpapiersteuer von 300 000 RM festgesetzt, die von der Bfin. auch gezahlt worden ist.
Der Reichsfinanzhof hat im Bereich der Körperschaftsteuer und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Kapitalherabsetzung 1935 nicht anerkannt und die Teilschuldverschreibungen als verdecktes Grundkapital behandelt (Urteile des Reichsfinanzhofs I 77/37 vom 31. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 35, Slg. Bd. 48 S. 13, und III 173/41 vom 18. Juni 1942). Entsprechend hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs durch Urteil I 135/57 vom 10. Juni 1958 für die Körperschaftsteuer II/1948 bis 1951 entschieden. ..... Der I. Senat des Bundesfinanzhofs sah die Teilschuldverschreibungen 1935 auch für die Zeit nach der Währungsumstellung als verdecktes Grundkapital an.
Anläßlich von den Alliierten angeordneter Entflechtungsmaßnahmen wurde die Bfin. von ihren Verpflichtungen aus den Teilschuldverschreibungen 1935 mit Wirkung vom 1. Juli 1952 in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes mit der Maßgabe befreit, daß in dieser Höhe vom gleichen Tage ab eine ihrer erloschenen Verpflichtung entsprechende Verpflichtung der X-AG entstand. Die Teilschuldverschreibungen 1935 wurden somit in Höhe des verbleibenden Vomhundertsatzes auf die Bfin. und im übrigen auf die X-AG aufgeteilt. Über die Höhe der Umstellung der Teilschuldverschreibungen 1935 kam es zwischen Gläubigern und Schuldnern zum Streit. Zu dessen Beilegung haben die Bfin. und die X-AG im April 1954 durch ein Bankenkonsortium den Inhabern der Teilschuldverschreibungen 1935 neue Teilschuldverschreibungen -- Teilschuldverschreibungen 1953 -- zu 6 1/2 v. H. festverzinslich, ohne Zusatzrechte im Umstellungsverhältnis 1:1,5 angeboten. ..... Das Finanzamt vertrat -- nach ursprünglichem Schwanken -- die Ansicht, die Umwandlung der Teilschuldverschreibungen 1935 in Teilschuldverschreibungen 1953 löse nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG Wertpapiersteuer aus. Es setzte durch Steuerbescheid eine Wertpapiersteuer von Z DM fest. Auf diese Steuerschuld wurde gemäß einem Erlaß des Landesfinanzministers die im Jahre 1935 bei der Ausgabe der Teilschuldverschreibungen 1935 festgesetzte Wertpapiersteuer im Verhältnis 10:1 angerechnet.
Gegen den Steuerbescheid hat die Bfin. Sprungberufung eingelegt, zu welcher der Vorsteher des Finanzamts seine Einwilligung gemäß § 261 AO erteilt hat.
Die Sprungberufung blieb ohen Erfolg. Nach der Auffassung des Finanzgerichts haben die Teilschuldverschreibungen 1935 Gesellschaftsrechte verbrieft, während es sich bei den Teilschuldverschreibungen 1953 um echte Schuldverschreibungen im Sinne des § 12 KVStG gehandelt habe. Es liege somit eine Artänderung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses im Sinne der Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs II A 594/31 vom 19. Juli 1933 (RStBl 1933 S. 1095, Slg. Bd. 34 S. 86) vor.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts hat die Bfin. Rb. eingelegt. Die Bfin. hat beantragt, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts und den ihm zugrunde liegenden Wertpapiersteuerbescheid des Finanzamts ersatzlos aufzuheben.
Der Vorsteher des Finanzamts hat gebeten, die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1934 unterliegt der Wertpapiersteuer der Erwerb verzinslicher Forderungsrechte gegen einen inländischen Schuldner durch den ersten Erwerber, wenn die Forderungsrechte in Schuldverschreibungen verbrieft sind. Wie der erkennende Senat in dem Urteil II 203/58 U vom 29. April 1959 (BStBl 1959 III S. 401, Slg. Bd. 69 S. 376) ausgeführt hat, ist jedoch keine Wertpapiersteuerpflicht gegeben, wenn die Wertpapiere lediglich zum Umtausch, d. h. behufs Erneuerung der Urkunden ohne Veränderung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses ausgestellt worden sind. Der Senat hat in dem in dem erwähnten Urteil entschiedenen Fall darauf abgestellt, daß die Kapitalbeschaffung im Vordergrund gestanden hat. Anders als in dem Fall des Urteils II 203/58 U vom 29. April 1959 hat im Streitfalle der Umtausch der früheren gegen die neuen Wertpapiere nicht der Kapitalbeschaffung gedient. Die Bfin. macht mit Recht geltend, im Streitfalle habe durch den Umtausch der Teilschuldverschreibungen 1935 in solche von 1953 keine Kapitalbewegung stattgefunden. Die Wertpapiersteuer knüpft aber an eine solche Kapitalbewegung an. Nur dann, wenn eine Kapitalbewegung vorgenommen ist, entsteht eine Wertpapiersteuer. Eine steuerschädliche Veränderung des Rechtsverhältnisses liegt im Streitfall nicht vor. Die im Zuge der Entflechtung auf alliierte Anordnungen hin vorgenommene Aufteilung der Verpflichtungen der Bfin. ist der Bfin. nicht schädlich; desgleichen nicht die -- währungsmäßige -- Umstellung 1:1,5 mit höherer (fester) Verzinsung, aber ohne Zusatzverzinsung und ohne sonstige Zusatzrechte. Der Senat hat auch für die Gesellschaftsteuer entschieden, daß, wenn bereits der Ersatztatbestand besteuert worden ist, für eine Besteuerung des Haupttatbestands der Kapitalerhöhung kein Raum mehr ist (vgl. neuerdings die Urteile II 145/59 U vom 1. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 235, 236, Slg. Bd. 72 S. 645, und II 126/59 vom 31. Mai 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961 Nr. 255). Die Tilgung der neuen Teilschuldverschreibungen 1953 geschieht noch früher, als die der Teilschuldverschreibungen 1935 vorgesehen war. Selbst wenn -- was dahingestellt bleiben kann -- die einschlägigen Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zur Körperschaftsteuer und zur Einheitsbewertung und das Urteil des I. Senates des Bundesfinanzhofs I 135/57 vom 10. Juni 1958 für das Kapitalverkehrsteuerrecht übernommen werden könnten und danach die Teilschuldverschreibungen 1935 als verdecktes Grundkapital anzusehen wären, würde durch die Umwandlung der Teilschuldverschreibungen 1935 in solche von 1953 keine Wertpapiersteuer ausgelöst worden sein, da kein Kapital neu umgesetzt worden ist (vgl. auch Veiel, Das Kapitalverkehrsteuergesetz, 1936, 4 b zu § 6 S. 126). Es bedarf daher keiner Untersuchung der Frage, ob die materielle Rechtskraft des unanfechtbar gewordenen Wertpapiersteuerbescheides 1935 zu dem gleichen Ergebnis führen würde. Desgleichen bedarf die von der Bfin. angeschnittene Frage der Verletzung von Treu und Glauben keiner Untersuchung.
Soweit das Finanzamt geltend macht, es würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn es noch nach fast 20 Jahren an eine nach seiner Ansicht unrichtige Entscheidung -- den unanfechtbaren Wertpapiersteuerbescheid 1935 -- gebunden sein sollte, kann ihm nicht beigetreten werden.
Nach alledem konnten die Vorentscheidungen keinen Bestand haben. Die Bfin. war somit von der durch Steuerbescheid festgesetzten Wertpapiersteuer freizustellen.
Anmerkung: Die angegebenen Beträge stimmen mit den tatsächlichen Zahlen teilweise nicht überein.
Fundstellen
Haufe-Index 425871 |
BStBl III 1962, 173 |
BFHE 1962, 462 |