Leitsatz (amtlich)
Wird die Lohnsummensteuer von den FÄ verwaltet und erhoben, so ist einem Antrag der Gemeinde im Sinne von § 27 GewStG jede innerdienstliche Maßnahme zur Feststellung des Steueranspruches gleichzuachten, soweit diese aktenkundig gemacht worden ist.
Normenkette
GewStG § 27
Tatbestand
Auf Grund des Ergebnisses einer Lohnsteuerprüfung im Jahre 1964 erließ das FA für das II. bis IV. Kalendervierteljahr 1960, für die Rechnungsjahre 1961 bis 1963 und für das I. und II. Kalendervierteljahr 1964 am 6. Oktober 1964 Lohnsummensteuermeßbescheide, verbunden mit der Festsetzung der Lohnsummensteuer. Einspruch und Klage, mit denen sich der Steuerpflichtige gegen die Annahme wandte, der für ihn tätige Ingenieur R. sei kein freier Mitarbeiter, blieben ohne Erfolg.
Mit seiner Revision rügt der Steuerpflichtige die Verletzung der §§ 23, 24 GewStG, 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG und 1 LStDV.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat teilweise Erfolg, wenn auch aus anderen als vom Steuerpflichtigen gerügten Rechtsverletzungen. Der BFH ist an die geltend gemachten Revisionsgründe - abgesehen vom Fall des § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO - nicht gebunden (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Die Vorentscheidung verletzt, soweit sie die angefochtenen Bescheide für das II. bis IV. Kalendervierteljahr des Rechnungsjahres 1960 und die Rechnungsjahre 1961 bis 1963 betrifft, § 27 GewStG. Im Lohnsummensteuerverfahren ist die förmliche Erteilung eines Steuerbescheides nicht vorgesehen (§ 212 AO); es beruht vielmehr auf der Abgabe der Steuererklärung mit der vom Steuerpflichtigen ermittelten Lohnsumme, des von ihm festgestellten Steuermeßbetrages und der von ihm errechneten Lohnsummensteuer und seiner Steuerzahlung (§ 26 GewStG). Nur in Ausnahmefällen sieht das Gesetz im Rahmen der in § 27 GewStG näher umschriebenen Voraussetzungen eine förmliche Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme vor. Mit Rücksicht auf die im allgemeinen einfach zu ermittelnde Lohnsumme und die Problemlosigkeit des Verfahrens soll die Erteilung eines förmlichen Bescheides die Ausnahme bleiben. Aus diesem Grund fordert § 27 GewStG hierfür einen besonderen Antrag, in dem ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung dargetan werden muß; er sieht außerdem eine zeitliche Begrenzung für die Stellung eines solchen Antrages vor, der von der Gemeinde (oder dem Steuerpflichtigen) an das FA zu richten ist.
§ 27 GewStG geht hiernach davon aus, daß in dem Lohnsummensteuerverfahren jeweils eine Gemeinde beteiligt ist, die an das FA einen dahingehenden Antrag stellen kann. Der Wortlaut dieser Vorschrift paßt jedoch nicht auf die Fälle, bei denen die Gewerbesteuer und damit auch die Lohnsummensteuer durch die FÄ verwaltet und erhoben wird. Im vorliegenden Fall ist das beklagte FA nach § 2 Sätze 2 und 3 der Steuerverwaltungsanordnung für Berlin vom 4. Mai 1946 (Verordnungsblatt der Stadt Berlin 1946 S. 180) auch mit den Aufgaben und Befugnissen der Bezirkssteuerämter betraut, denen nach § 27 GewStG das Antragsrecht zustehen würde. Da jedoch eine Behörde nicht bei sich selbst Anträge stellen kann, über die sie dann zu entscheiden hat, ist § 27 GewStG insoweit nach seinem Sinn und Zweck auszulegen.
Soweit in § 27 GewStG auf die Stellung eines Antrages abgestellt wird, hat dies für zwei Rechtsfolgen Bedeutung. Einmal soll das FA nicht von Amts wegen tätig werden und den Steuermeßbetrag ohne Antrag festsetzen können. Die Bedeutung dieser Regelung liegt darin, den Gemeinden dieses Aufgabengebiet zu überlassen und die FÄ nur dann einzuschalten, wenn Uneinigkeit zwischen den Gemeinden und den Steuerpflichtigen auftritt. Wenn aber die FÄ die Aufgaben der Gemeinden bei der Lohnsummensteuer miterfüllen, entspricht es dem Sinn und Zweck des § 27 GewStG, daß die FÄ - bei Vorliegen der Voraussetzungen im übrigen - dann sogleich einen Lohnsummensteuer(meß)bescheid erlassen können, wenn dafür ein berechtigtes Interesse vorliegt. Es kann in diesem Zusammenhang unentschieden bleiben, ob das FA in dem Bescheid darlegen muß, worin es das berechtigte Interesse erblickt. Im hier zu entscheidenden Fall hat das FA in dem Bescheid darauf hingewiesen, daß ein bei dem Steuerpflichtigen tätiger Mitarbeiter nicht (mehr) als freiberuflich, sondern als Arbeitnehmer angesehen werde. Damit ist das berechtigte Interesse am Erlaß des förmlichen Bescheides offenbar.
Die zweite Rechtsfolge, die an das Vorliegen eines Antrages in § 27 GewStG anknüpft, liegt in dessen Fristgebundenheit. Nach § 27 Abs. 2 Satz 1 GewStG kann ein solcher Antrag nur innerhalb der ersten sechs Monate nach Ablauf des Rechnungsjahres gestellt werden, abgesehen von dem Fall der schuldhaften Nichtabgabe oder unrichtigen Abgabe der Erklärung der Besteuerungsgrundlagen (§ 27 Abs. 2 Satz 2 GewStG), auf den noch einzugehen sein wird. Der Senat teilt die Auffassung des FG Berlin in seinem Urteil VI 108/70 vom 6. Oktober 1970 (EFG 1971, 243) insoweit nicht, wonach ein einem Antrag gleichstehendes Verhalten nur in der Festsetzung des FA erblickt werden könne. Er billigt vielmehr die vom FG auch in die Erwägung einbezogene Möglichkeit, daß bereits die Einleitung eines solchen Verfahrens einem Antrag gleichgeachtet werden kann. Es würde eine Benachteiligung des FA bedeuten, wenn man nur die Festsetzung des Steuermeßbetrags dem Antrag gleichsetzen würde. Denn hierbei würde außer Betracht gelassen, daß der Erlaß eines Steuerbescheides mit erheblich größerem Zeitaufwand verbunden ist - schon allein durch den Einsatz von zeitlich nicht beeinflußbaren technischen Mitteln - als die Stellung eines formlosen Antrages. Es könnte gegen Ende des Fristablaufs unter Umständen der Verwaltung nicht mehr möglich sein, den Steueranspruch zu verfolgen. Aus diesem Grunde hält es der Senat insoweit für ausreichend, wenn seitens der Verwaltung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 GewStG Maßnahmen zur Feststellung des Steueranspruchs getroffen und diese auch aktenmäßig festgehalten werden. Im vorliegenden Fall hat nach den Feststellungen im Urteil der Vorinstanz ein Betriebsprüfer anläßlich einer im Jahre 1963 erfolgten Betriebsprüfung Zweifel an der freien Mitarbeit des für den Steuerpflichtigen tätigen Ingenieurs R. geäußert. Es ist daher nicht auszuschließen, daß der zuständige Bezirk daraufhin - wenn auch nur innerdienstlich - Maßnahmen ergriffen hat, die nach den obigen Ausführungen einem Antrag im Sinne von § 27 Abs. 2 Satz 1 GewStG gleichgeachtet werden könnten. Die Vorentscheidung enthält hierzu keine tatsächlichen Feststellungen, so daß der Senat dies abschließend zu entscheiden nicht in der Lage ist.
Die Vorinstanz hat bei ihrer Entscheidung außerdem bei der Anwendung des § 27 GewStG nicht beachtet, daß der Erlaß eines Bescheides außerhalb der Sechsmonatsfrist nur zulässig war, wenn nach Ablauf dieser Frist - auf Antrag der Gemeinde - festgestellt worden ist, daß der Steuerpflichtige die Erklärungen über die Berechnungsgrundlagen vorsätzlich oder fahrlässig nicht oder nicht richtig abgegeben hat. Die Vorentscheidung enthält zu der Frage des Verschuldens keine tatsächlichen Feststellungen. Es ist dem Senat daher die abschließende Prüfung verwehrt, ob die Heranziehung der an R. vom Steuerpflichtigen geleisteten Entgelte schon deshalb nicht mehr der Lohnsummensteuer unterworfen werden durften, weil er die Erklärungen über die Berechnungsgrundlagen ohne Verschulden in der von ihm vorgenommenen Art und Weise abgegeben hat, wofür einiges im Hinblick auf die bisherige übereinstimmende Rechtsauffassung zu dieser Frage zwischen ihm und dem FA spricht. Das FG wird diese Feststellungen noch nachholen müssen.
Die Revision ist indessen nicht begründet, soweit sie sich auf den Bescheid für das I. und II. Kalendervierteljahr des Rechnungsjahres 1964 erstreckt. Da im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides das Rechnungsjahr noch nicht abgelaufen war, konnte das FA den Bescheid ohne die zeitliche Beschränkung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 GewStG erlassen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GewStG). Die obigen Ausführungen kommen hier insoweit nicht zum Tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 70433 |
BStBl II 1973, 511 |
BFHE 1973, 48 |