Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Zurechnung disquotal getragener Aufwendungen einer GbR zu Gunsten des leistenden Gesellschafters
Leitsatz (NV)
1. Trägt der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts deren Werbungskosten über den seiner Beteiligung entsprechenden Anteil hinaus, sind ihm diese Aufwendungen im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Gesellschaft nur dann ausnahmsweise allein zuzurechnen, wenn insoweit weder eine Zuwendung an Mitgesellschafter beabsichtigt ist noch gegen diese ein durchsetzbarer Ausgleichsanspruch besteht (Anschluss an BFH-Urteil vom 5. Februar 1965 VI 234/63 U, BFHE 82, 25, BStBl III 1965, 256). Auf die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die fehlende Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs ergibt, kommt es dabei nicht an.
2. Der Wert der Anteile ausgleichsverpflichteter Gesellschafter ist bei der Prüfung der Durchsetzbarkeit eines Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG §§ 9, 21 Abs. 1; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; BGB §§ 426, 722, 743, 748
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie der Beigeladene erwarben im Jahre 1994 je zur Hälfte die Anteile an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit Grundbesitz. Deren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden seit 1994 vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) einheitlich und gesondert festgestellt und den Beteiligten entsprechend ihrer Miteigentumsanteile je zur Hälfte zugerechnet.
Mit den im Oktober 2000 abgegebenen Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren 1998 und 1999 ermittelte die GbR Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 203 123 DM (1998) und 67 743 DM (1999).
Es wurde beantragt, die entstandenen Verluste in voller Höhe dem Kläger zuzurechnen, da dieser die angefallenen Kosten in diesen Jahren alleine getragen und zwischenzeitlich das gesamte Objekt einschließlich der Darlehensverbindlichkeiten übernommen habe. Der beigeladene Mitgesellschafter sei zahlungsunfähig, habe die eidesstattliche Versicherung abgegeben und stimme der Übertragung der Verluste zu.
Im Jahre 2001 veräußerte der Beigeladene seinen Anteil an der GbR an den Kläger (44 v.H.) und dessen Ehefrau (6 v.H.). Als Gegenleistung wurde seine Freistellung von den noch auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten vereinbart. Nach § 8 des notariellen Übertragungsvertrages verzichtete der Beigeladene ausdrücklich auf eine ihm zustehende steuerliche Verlustbeteiligung ab dem Jahre 1998 zugunsten des Klägers.
In den Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre rechnete das FA die Werbungskostenüberschüsse der GbR aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dem Kläger und dem Beigeladenen je zur Hälfte zu.
Der Einspruch des Klägers mit dem Ziel, ihm allein die Werbungskostenüberschüsse zuzurechnen, hatte keinen Erfolg. Mit der daraufhin erhobenen Klage machte der Kläger ergänzend geltend, bereits mit dem Auftreten von Zahlungsschwierigkeiten des Beigeladenen zum Ende des Jahres 1997 habe er mit diesem vereinbart, die in der Folgezeit anfallenden Verluste allein ihm --dem Kläger-- zuzurechnen. Er --der Kläger-- habe alle Erträge vereinnahmen und alle Kosten übernehmen sollen, ohne gegen den Beigeladenen bei einem Werbungskostenüberschuss einen Ersatzanspruch geltend machen zu können.
Da sich der Beigeladene wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten nicht an der erforderlichen Ausgleichszahlung in Höhe von 93 153,44 DM anlässlich einer Umfinanzierung habe beteiligen können, habe er die Zahlung allein aufgebracht und mit dem Beigeladenen vereinbart, dieser müsse 50 v.H. dieser Summe tragen. Dementsprechend habe dieser 1999 ein Schuldanerkenntnis abgegeben und zugleich zugesagt, weitere Beträge zu den vom Kläger in den Jahren 1998 und 1999 geleisteten Zahlungen zu erbringen. Trotz des Schuldanerkenntnisses seien die Forderungen uneinbringlich, weil der Beigeladene nur geringe Einkünfte aus einer Tätigkeit im …büro seiner Frau habe.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 804 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er trägt im Wesentlichen vor, nach § 11 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien Zahlungen eines Miteigentümers im Jahr der Zahlung bei ihm anzusetzen. Eine Berücksichtigung der Zahlung als Ausgabe der Gemeinschaft sowie deren anschließende Verteilung nach der Beteiligungsquote ergebe sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht; insoweit fehle es an einer Verausgabung durch die Gemeinschaft zumindest dann, wenn die Zahlung des Miteigentümers unfreiwillig und gemeinschaftsbedingt erfolge. Im Hinblick darauf komme es auf die Frage eines etwaigen Erstattungsanspruchs --ebenso wie bei einer Einzelperson-- nicht an.
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine vertraglich vereinbarte abweichende Zuordnung der Einnahmen und Werbungskosten zulässig und steuerlich beachtlich, wenn sie ihre Ursache allein im Gemeinschaftsverhältnis habe und nicht privat mitveranlasst sei. Eine solche Vereinbarung liege im Streitfall vor; Anhaltspunkte für eine private Mitveranlassung fehlten auch nach Auffassung des FG. Die Erfassung der Werbungskosten beim Kläger sei auch durch das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem daraus abgeleiteten objektiven Nettoprinzip geboten.
Entgegen der Auffassung des FG könne es nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige später Ersatz für seine überquotalen Mehraufwendungen erhalte und er im Zeitpunkt seiner Zahlung die Vermögenslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit des Mitgesellschafters kenne. Zum einen fehle sowohl dem Leistenden wie auch dem FA der erforderliche umfassende Einblick, über welche Vermögensgegenstände und Schulden der Ausgleichsverpflichtete verfüge. Zum anderen könne die im Einzelfall bestehende Vermögenslosigkeit oder Zahlungsunfähigkeit nur vorübergehender Natur sein. Zusätzliche Schwierigkeiten ergäben sich, wenn die Ausgleichsforderung wegen eines noch vorhandenen Restvermögens beim Ausgleichsverpflichteten noch teilweise werthaltig sei, der ggf. nur schwer zu schätzen sei. Zumindest müsse aber entgegen der Ansicht des FG die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung als ausreichender Nachweis der Vermögenslosigkeit angesehen werden.
Im Übrigen stelle die BFH-Rechtsprechung entgegen der Auffassung des FG für eine abweichende Zuordnung von Werbungskosten nicht auf die Kenntnis von der Wertlosigkeit eines Ausgleichsanspruchs, sondern lediglich auf die Tatsache der Wertlosigkeit ab.
Hilfsweise sei geltend zu machen, dass nach dem vom FG festgestellten und aus den Akten ersichtlichen Sachverhalt im Streitzeitraum eine gemeinschaftliche Einkünfteerzielung nicht mehr gegeben gewesen sei. Denn der Beigeladene habe dem Kläger seinen Miteigentumsanteil zur Erzielung von Einkünften überlassen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit zu ändern, dass ihm die von ihm getragenen Schuldzinsen, Erhaltungsaufwendungen und sonstigen Kosten im Zusammenhang mit den Einkünften der GbR aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden, hilfsweise, ihm allein die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass sowohl der Kläger als auch der Beigeladene in den Streitjahren im Rahmen der GbR als Vermieter tätig geworden sind und die in diesem Zusammenhang entstandenen Werbungskosten den beiden Gesellschaftern jeweils hälftig zuzurechnen sind.
1. Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) sind Einkünfte i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG einheitlich und gesondert festzustellen, wenn daran mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen zuzurechnen sind. Dies ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dann der Fall, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen (BFH-Urteile vom 27. Juni 1978 VIII R 168/73, BFHE 125, 532, BStBl II 1978, 674; vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707, mit weiteren Nachweisen).
Hierbei ist grundsätzlich das zivilrechtliche Beteiligungsverhältnis (§ 722 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) auch Maßstab für die anteilige steuerrechtliche Zurechnung der Einkünfte, solange die Miteigentümer keine abweichende, auch steuerrechtlich zu berücksichtigende Vereinbarung getroffen haben (vgl. BFH-Urteile vom 5. Februar 1965 VI 234/63 U, BFHE 82, 25, BStBl III 1965, 256; vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890; vom 11. Mai 1993 IX R 124/89, BFH/NV 1994, 25; vom 17. Dezember 2002 IX R 11/99, BFH/NV 2003, 748).
Übernimmt aber einer von mehreren Miteigentümern --ohne ausdrückliche Vereinbarung-- einen höheren Anteil an den Kosten für die Unterhaltung des gemeinschaftlichen Vermietungsobjekts, so kann der Grundsatz der anteiligen steuerrechtlichen Zurechnung der Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen eine Einschränkung erfahren:
Zunächst setzt eine von dem quotalen Maßstab abweichende Zurechnung voraus, dass mit der überquotalen Kostentragung --wie auch im Streitfall-- keine Zuwendung --z.B. im familiären Bereich-- an die anderen Miteigentümer beabsichtigt ist.
Ferner darf sich die den Miteigentumsanteil übersteigende Übernahme der Aufwendungen nicht lediglich als eine vorläufige Kostentragung des Miteigentümers darstellen, die dieser gegenüber den anderen Miteigentümern im Wege einer Kreditgewährung übernimmt. Hiervon ist aber z.B. dann auszugehen, wenn die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs, der dem überquotal (vor-)leistenden Mitgesellschafter gegen die anderen Gesellschafter gemäß § 426 BGB zusteht, bis zu einem späteren Zeitpunkt (beispielsweise der Veräußerung des Objekts) hinausgeschoben wird; in diesem Fall bleibt der Ausgleichsanspruch des überquotal leistenden Mitgesellschafters unberührt, so dass es bei der Ermittlung des Gewinns der Gesellschaft und dessen Verteilung regelmäßig unberücksichtigt bleiben kann, welcher der Gesellschafter jeweils Aufwendungen für die Gesellschaft getragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1999 IX R 83/95, BFHE 190, 82).
Anders liegt es aber nach der Rechtsprechung des BFH, wenn der Leistende von vornherein keinen Anspruch auf Ersatz gegen seine Miteigentümer hat oder diese ihm tatsächlich später keinen Ersatz leisten, der zahlende Miteigentümer also mit seinem Ersatzanspruch ausfällt. In diesen Fällen ist es gerechtfertigt, allein dem Leistenden die Kosten als Werbungskosten zuzurechnen; dies gilt grundsätzlich auch für ausfallende Ersatzansprüche gegen nahe Familienangehörige (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 25, BStBl II 1965, 256; ebenso zum Ausfall von Ausgleichsansprüchen Paus, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2002, 235; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 21 Rz. B 215).
2. Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil. Die tatsächliche Würdigung des FG, nach dem im Streitfall vorliegenden Sachverhalt könne im maßgeblichen Streitzeitraum nicht davon ausgegangen werden, dass der Ausgleichsanspruch des Klägers nicht habe durchgesetzt werden können, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Denn sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze.
a) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass auch der Beigeladene trotz der Vereinbarungen über die vorübergehende Verlustzurechnung auf den Kläger vermietend tätig geblieben ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann nämlich allein aus dieser Verlust- und Ertragszurechnungsvereinbarung in den Streitjahren nicht auf ein Ausscheiden des Beigeladenen aus der vermietenden Tätigkeit geschlossen werden.
Vielmehr ist die gegenteilige Schlussfolgerung des FG wegen der übereinstimmenden Annahme der Gesellschafter, dass die finanziellen Schwierigkeiten des Beigeladenen im Streitzeitraum vorübergehender Natur seien, aufgrund des im Hinblick darauf abgegebenen Schuldanerkenntnisses sowie angesichts der bis in das Jahr 2001 fortgeführten Beteiligung des Beigeladenen an der GbR tatsächlich möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger erstmals im Revisionsverfahren vorgetragen hat, das Ausscheiden des Beigeladenen aus der vermietenden Tätigkeit ergebe sich aus den im Anschluss an die Verlustzurechnungsvereinbarung neu abgeschlossenen Mietverträgen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 118 Abs. 2 FGO im Revisionsverfahren unbeachtet bleiben muss.
b) Im Übrigen ist die Würdigung des FG, dass im Streitzeitraum die Voraussetzungen für eine von der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsquote abweichende Zurechnung von Werbungskosten nach den Grundsätzen der BFH-Entscheidung in BFHE 82, 25, BStBl II 1965, 256, nicht gegeben sind, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Allerdings hat es das FG zu Unrecht als eine der Voraussetzungen für eine solche abweichende Zurechnung von Werbungskosten angesehen, dass der Gesellschafter im Zeitpunkt seiner Zahlung die Vermögenslosigkeit und Zahlungsunfähigkeit des Mitgesellschafters und damit die Wertlosigkeit seines Ausgleichsanspruchs kennt. Denn wie der Senat mit dem Urteil vom heutigen Tage IX R 59/01 (DStR 2005, 288) entschieden hat, kommt es für die abweichende Zurechnung derartiger Werbungskosten nur auf die objektive Unmöglichkeit einer Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs an.
Darauf beruht indessen die angefochtene Entscheidung nicht, weil jedenfalls die weitere Voraussetzung für eine solche abweichende Zurechnung der Werbungskosten, nämlich die fehlende Durchsetzbarkeit des Ausgleichsanspruchs, rechtsfehlerfrei verneint worden ist:
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, gegen die der Kläger keine Einwendungen erhoben hat und die deshalb für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat die GbR erst nach dem Streitzeitraum erstmals die abweichende Zurechnung der Werbungskosten begehrt, ohne einen darauf bezogenen Gesellschafterbeschluss aus der Zeit vor 1998 vorzulegen. Diese Tatsache wie auch das Schuldanerkenntnis aus dem Jahre 1999 und der erst im Jahre 2001 im notariellen Kaufvertrag erklärte Verzicht auf eine Verlustbeteiligung des Beigeladenen für die Jahre ab 1998 rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Beigeladene bereits in den Streitjahren endgültig vermögenslos und zahlungsunfähig war.
Darüber hinaus ist auch die Würdigung des FG, aufgrund der im Streitjahr 1999 vom Beigeladenen abgegebenen eidesstattlichen Versicherung habe noch nicht abschließend festgestanden, dass der Kläger mit seiner Ausgleichsforderung endgültig ausfallen würde und mit einer Zahlung auf Dauer nicht mehr gerechnet werden konnte, möglich. Denn nach seinen bindenden tatsächlichen Feststellungen standen neben dem hälftigen Anteil des Beigeladenen an der GbR verschiedene andere Vermögensgegenstände als Vermögen zur Disposition, die ebenfalls zur Befriedigung der Ausgleichsforderung hätten eingesetzt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 1332214 |
BFH/NV 2005, 851 |
HFR 2005, 759 |