Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Schwebende Geschäfte sind in der DM-Eröffnungsbilanz des Lieferungs- oder Leistungsverpflichteten in der Weise zu bilanzieren, daß der sich ohne Berücksichtigung der Währungsumstellung ergebende Ertrag in dem Verhältnis in der DM-Zeit realisiert wird, in dem die in DM zu leistenden Zahlungen zur Gesamtforderung des Lieferungs- oder Leistungsverpflichteten stehen. DMBG § 3 Abs. 1, § 5, § 30 Abs. 2; EStG § 5.
Normenkette
DMBG § 3 Abs. 1; DMBG § 5; DMBG § 30/2; EStG § 5
Tatbestand
Die KG befaßte sich unter anderem mit Adreßbuchverlag. Sie begann im Jahre 1947 mit der Werbung von Beziehern für ein von ihre zu verlegendes Adreßbuch und von Anzeigen für dieses Adreßbuch. Sie verlegte das Adreßbuch erst nach dem 21. Juni 1948 und lieferte es im wesentlichen an Bezieher, die bereits vor dem 21. Juni 1948 das Adreßbuch bestellt und Anzeigen aufgegeben hatten. Diese Bezieher leisteten dem Verlangen der KG entsprechend auf die ihnen für den Adreßbuchbezug und für die Anzeigen vor dem 21. Juni 1948 zugegangenen auf RM lautenden Rechnungen Vorauszahlungen in RM in Höhe von ungefähr 200 000 RM (nach Angaben der KG). Am 21. Juni 1948 standen der KG noch Forderungen in Höhe von 55 993 DM zu, die in voller Höhe in DM zu leisten waren. Unter Berücksichtigung der künftigen Ausfälle betrug der Teilwert dieser Forderungen am 21. Juni 1948 49 703 DM. Die KG wandte für die Werbung der Kunden und für die Vorbereitung des Adreßbuchs bis zum 20. Juni 1948 49 011 RM auf. Ihren nach dem 20. Juni 1948 entstehenden Aufwand in DM setzte das Finanzgericht mit 30 000 DM an.
Streitig ist, ob der aus dem Absatz des Adreßbuches und aus den Anzeigen sich ergebende Verlust oder Gewinn in der RM-Zeit oder in der DM-Zeit zu realisieren ist oder sich steuerlich überhaupt nicht auswirkt. Das Finanzamt war der Auffassung, daß jedenfalls insoweit, als die Bezieher am 20. Juni 1948 ihren Zahlungsverpflichtungen noch nicht in voller Höhe nachgekommen seien, ein von beiden Seiten noch nicht erfülltes schwebendes Geschäft vorliege, bei dessen Realisierung die allgemeinen Grundsätze anzuwenden seien. Das führe insoweit zur Gewinnrealisierung in der DM-Zeit. Das Finanzgericht verlagerte dagegen unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 403/51 U vom 8. Mai 1952, BStBl 1952 III S. 173, Slg. Bd. 56 S. 449, dadurch den vollen Gewinn in die RM-Zeit, daß es in der DM-Eröffnungsbilanz die Sachlieferungsverpflichtung der KG mit dem tatsächlich entstehenden Aufwand von 30 000 DM passivierte und die noch in DM zu zahlenden Abschlußzahlungen der Kunden unter Berücksichtigung eines Delkredere in Höhe von 6290 DM mit 55 993 DM % 6290 DM 49 703 DM ansetzte. Auf diese Weise wurde in der DM-Zeit, wenn der tatsächlich entstehende Aufwand einschließlich aller Verwaltungsgemeinkosten nicht mehr als 30 000 DM betrug, weder ein Verlust noch ein Gewinn ausgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist zum Teil begründet.
Wendet man die allgemein für schwebende Geschäfte geltenden Bilanzierungsgrundsätze an, so dürfte die KG unabhängig davon, ob die Kunden ihre RM-Verpflichtungen bereits in voller Höhe in RM erfüllt hatten, ihren Gewinn aus dem Geschäft in der RM-Bilanz vom 20. Juni 1948 noch nicht ausweisen. Sie war vielmehr verpflichtet, in Höhe der tatsächlich geleisteten RM-Zahlungen einen Passivposten zu bilden und ihren RM-Aufwand für die Abwicklung des Geschäfts zu aktivieren. Da diese allgemeinen Grundsätze sowohl für die voll als auch teilweise bezahlten Geschäfte gelten, konnte sie die Summe der Geschäfte als Einheit behandeln und mußte in der Bilanz vom 20. Juni 1948 200 000 RM passivieren und 49 011 RM aktivieren. übernimmt man diese RM-Posten in gleicher Höhe als DM-Posten in die DM-Eröffnungsbilanz, so ergeben sich bei der Abwicklung des Geschäfts in den auf den 20. Juni 1948 folgenden Wirtschaftsjahren aus der Auflösung des Passivpostens (200 000 DM) und aus dem Forderungseingang (49 703 DM) ein Gewinn und aus der Auflösung des RM-Aufwandes (49 011 DM) und aus dem DM-Aufwand (30 000 DM) ein Verlust, so daß nach Ausgleich von Gewinnen und Verlusten ein Gewinn von 170 692 DM verbleibt. Die Anwendung allgemeiner Bilanzierungsgrundsätze führt also, wie das Finanzamt zutreffend erkannte, grundsätzlich zu einer Verlagerung des ganzen Gewinns aus dem am 20. Juni 1948 noch schwebenden Geschäft in die DM-Zeit.
In dem oben bezeichneten Urteil IV 403/51 U lehnte es der Bundesfinanzhof ab, diese allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze auf solche schwebende Geschäfte anzuwenden, bei denen der Kunde seiner Zahlungsverpflichtung bereits in voller Höhe in RM nachgekommen war und der Lieferant seine Sachleistungsverpflichtung erst in der DM-Zeit erfüllte. In diesem Fall vermied der Bundesfinanzhof eine Gewinnrealisierung in der DM-Zeit dadurch, daß er die Sachleistungsverpflichtung am 21. Juni 1948 mit ihrem Teilwert ansetzte, d. h. für Waren, die erst hergestellt werden mußten, mit den Gestehungskosten in der DM-Zeit, andernfalls mit dem Ansatz der Ware auf der Aktivseite der Bilanz. Durch Anwendung der allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze auf die RM-Schlußbilanz vom 20. Juni 1948 ergab sich weder in der RM-Zeit noch in der DM-Zeit ein Gewinn oder Verlust, ein Ergebnis, das der Bundesfinanzhof mit Rücksicht darauf für zutreffend hielt, daß der Lieferant keine Zahlungen in DM erhielt.
Hatte dagegen der Kunde bis zum 20. Juni 1948 keine Anzahlung in RM geleistet, so besteht keine Veranlassung, von einer Gewinnrealisierung in der DM-Zeit abzusehen, wobei es ohne Bedeutung ist, in welchem Umfang der Lieferant die zur Ausführung des Auftrags notwendigen Aufwendungen bereits in der RM-Zeit machen konnte. Die hier zu entscheidende Frage besteht nun darin, ob und in welcher Weise auf solche am 21. Juni 1948 schwebenden Geschäfte, bei denen der Kunde lediglich Vorauszahlungen in RM geleistet hatte und noch Abschlußzahlungen in DM erbringen mußte, die Grundsätze des Urteils IV 403/51 U oder die für solche Geschäfte geltenden Grundsätze anzuwenden sind, bei denen der Kunde keine RM-Zahlungen gemacht hatte. Macht man die unterschiedliche Gewinnrealisierung bei solchen schwebenden Geschäften, bei denen der Kunde am 20. Juni 1948 entweder bereits voll in RM gezahlt oder noch keine Anzahlung geleistet hatte, von der Tatsache der Zahlungen des Kunden abhängig, so erscheint es gerechtfertigt, bei allen anderen schwebenden Geschäften die Gewinnrealisierung in der DM-Zeit in dem Verhältnis zu verlangen, in dem die DM-Zahlungen zu der Gesamtverpflichtung des Kunden stehen.
Berücksichtigt man allerdings bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit solcher Geschäfte die durch die Währungsumstellung möglicherweise eingetretene Entwertung der in RM geleisteten Vorauszahlungen des Kunden insoweit, als sie nicht zur Deckung von RM-Aufwendungen benutzt werden konnten, so könnte gegen die von der Höhe der DM-Zahlungen abhängige Gewinnrealisierung eingewendet werden, daß in der DM-Zeit dann wirtschaftlich kein Gewinn erzielt, sondern ein Verlust erlitten werde, wenn die DM-Aufwendungen die DM-Einnahmen überstiegen. Dieser Einwand ist aber deshalb nicht gerechtfertigt, weil einmal die an barem Geld entstehenden Währungsverluste Vorgänge der Währungsumstellung sind und sich nicht auf die bilanzmäßige Behandlung, sondern nur auf die Höhe der Kreditgewinnabgabe auswirken. Zudem lassen sich in aller Regel keine tatsächlichen Feststellungen darüber treffen, inwieweit geleistete RM-Vorauszahlungen innerhalb des Betriebs wertbeständig angelegt werden konnten oder am 20. Juni 1948 noch als bares Geld vorhanden waren.
Eine diesen Grundsätzen entsprechende Bilanzierung wird dadurch erreicht, daß man das schwebende Geschäft unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen in RM gedanklich in ein bereits vom Kunden voll in RM erfülltes und in ein solches Geschäft aufteilt, für das noch keine Vorauszahlungen in RM geleistet sind. Das bedeutet im vorliegenden Fall die Unterstellung eines mit 200 000 RM voll erfüllten Geschäfts, für dessen Durchführung in der RM-Zeit 4/5 von 49 011 = 39 209 RM und in der DM-Zeit 4/5 von 30 000 24 000 DM aufgewandt werden, und eines weiteren Geschäfts, auf das der Kunde in der DM-Zeit den vollen Kaufpreis mit 49 703 DM entrichtet und der Lieferant in der RM-Zeit 1/5 von 49 011 = 9802 RM und in der DM-Zeit 1/5 von 30 000 = 6000 DM aufwendet. Um das erste Geschäft in der DM-Zeit erfolgsneutral abzuwickeln, kann man in der Weise vorgehen, daß man die Sachwertverpflichtung des Lieferanten nach den Grundsätzen des Urteils IV 403/51 U mit dem tatsächlich in der DM-Zeit entstandenen DM-Aufwand von 24 000 DM in die DM-Eröffnungsbilanz einsetzt. Das von dem Kunden noch nicht erfüllte Geschäft muß dann zur Realisierung des Gewinns in der DM-Zeit nach den allgemeinen für schwebende Geschäfte geltenden Grundsätzen in der Weise in der DM-Eröffnungsbilanz ausgewiesen werden, daß nur die RM-Aufwendungen von 9802 RM aktiviert werden. Siehe hierzu auch Rechtssatz 2 des Urteils IV 403/51 U.
Betrachtet man nach dieser gedanklichen Trennung wieder beide Geschäfte als Einheit, so sind in der DM-Eröffnungsbilanz die RM-Aufwendungen in dem Verhältnis zu aktivieren, in dem die DM-Zahlungen des Kunden zu dem Gesamtkaufpreis stehen (1/5) und die DM-Aufwendungen in dem Verhältnis zu passivieren, in dem die RM-Vorauszahlungen zu den Gesamtkaufpreis (4/5) stehen. Will man zur Vereinfachung nicht einen Bruchteil des RM-Aufwandes, sondern den gesamten RM-Aufwand aktivieren, so muß man um den gleichen Betrag den anteiligen DM-Aufwand von 24 000 DM um 39 209 DM auf 63 209 DM erhöhen. Mit dem Betrag von 63 209 DM passiviert man dann die Gesamtaufwendungen von 49 011 plus 30 000 79 011 RM/DM zu dem Bruchteil, der sich aus dem Verhältnis der RM-Anzahlungen zu den Gesamteinnahmen (4/5) ergibt.
Bei der Bemessung des Gesamtaufwandes in der DM-Zeit ist zu beachten, daß hierzu nicht nur die reinen Herstellungskosten, sondern auch ein angemessener Teil des allgemeinen Verwaltungsaufwandes und der Vertriebskosten gehören, wenn die Verwaltung und der Vertrieb in einem nicht unbedeutenden Umfang mit der Durchführung des schwebenden Geschäfts befaßt waren und deshalb angenommen werden kann, daß ohne das schwebende Geschäft wesentlich geringere Verwaltungs- und Vertriebskosten angefallen wären.
Das Finanzgericht nahm ohne nähere Prüfung an, daß der künftige Aufwand in DM den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichtes entsprechend 30 000 DM betragen habe. Aus der Berechnung des Betriebsprüfers ergibt sich aber, daß dieser bei den künftigen DM-Aufwendungen keine allgemeinen Verwaltungskosten berücksichtigte. Die KG trug selbst vor, daß sie sich in den Wirtschaftsjahren II/1948 und 1949 im wesentlichen mit der Abwicklung der vor dem 21. Juni 1948 verkauften Adreßbücher und aufgegebenen Anzeigen befaßt habe und zu diesem Zweck durch ihre Büroorganisation in diesen Wirtschaftsjahren erhebliche Aufwendungen entstanden seien. Bei dieser Sachlage muß geprüft werden, in welcher Höhe durch die Abwicklung der Aufträge in der RM-Zeit und in der DM-Zeit tatsächlich allgemeine Verwaltungs- und Vertriebskosten anfielen.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Finanzamt wird den vorstehenden Ausführungen entsprechend die RM- und die DM-Aufwendungen nachprüfen und dann in der DM-Eröffnungsbilanz die RM-Aufwendungen (bisher 49 011 DM) aktivieren und von den Gesamtaufwendungen in RM und DM (bisher 49 011 + 30 000 = 79 011 RM/DM) den Bruchteil passivieren, der sich aus dem Verhältnis der RM-Anzahlungen (etwa 200 000 RM) zu den Gesamteinnahmen (200 000 RM + 49 703 DM) ergibt. Das sind nach den bisher angegebenen Zahlen 200 000 : 249 703 = 4/5 von 79 011 = 63 208 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 409953 |
BStBl III 1961, 118 |
BFHE 1961, 312 |
BFHE 72, 312 |
BB 1962, 511 |
DB 1961, 458 |