Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Erbvertrages; Bewertung und Zurechnung eines erbbaurechtbelasteten Grundstückes und des damit verbundenen Erbbauzinsanspruches; Nießbrauch als Nachlaßverbindlichkeit
Leitsatz (NV)
1. Haben sich Eheleute in einem Erbvertrag gegenseitig als Erben eingesetzt, einem Kinde ein Vermächtnis ausgesetzt und dem überlebenden Ehegatten an dem Vermächtnisgegenstand als Untervermächtnis den Nießbrauch eingeräumt, so läßt sich diese Vereinbarung nicht in eine Nacherbschaft oder ein Nachvermächtnis des Kindes umdeuten.
2. Ein erbbaurechtbelastetes Grundstück und der damit verbundene Erbbauzinsanspruch sind nach den Grundsätzen des § 92 BewG zu bewerten und dem Grundstückseigentümer zuzurechnen.
3. Der Nießbrauch an einem erbbaurechtbelasteten Grundstück ist als Nachlaßverbindlichkeit abzuziehen.
Normenkette
BewG § 92; ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 2, § 25
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Erbschaftsteuer, die 1974 mit dem Tod des Vaters des Klägers auf Grund eines Erbvertrages entstanden ist.
In dem notariell beurkundeten Erbvertrag vom 16. Dezember 1964 hatten sich die Eltern (A und L G) des Klägers gegenseitig zu Erben eingesetzt. Für den Fall, daß der Vater des Klägers zuerst versterben sollte, ,,vermachte" dieser nach dem Wortlaut des Erbvertrages dem Kläger ,,zu Eigentum" seinen Miterbenanteil am ungeteilten Nachlaß seines Vaters H G (des Großvaters des Klägers) und seiner Ehefrau (Mutter des Klägers) ,,im Wege des Untervermächtnisses an diesem Erbanteil den lebenslänglichen und unentgeltlichen Nießbrauch".
Der Nachlaß des Herrn H G, an welchem der Erblasser als Miterbe zu 50 v. H. beteiligt war, bestand nur noch aus einem Grundstück, das mit einem Erbbaurecht belastet war.
Mit Bescheid vom . . . setzte das Finanzamt (FA) gegen den Kläger für den Anfall des Vermächtnisses . . . DM Erbschaftsteuer fest, wovon es . . . DM gemäß § 25 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 bis zum Wegfall des Nießbrauchs der Mutter des Klägers stundete.
Den Wert des Vermächtnisses berechnete das FA nach dem Einheitswert des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks und dem Kapitalwert des Anspruchs auf den Erbbauzins.
Mit dem Einspruch begehrte der Kläger vergeblich, die Steuer nur nach dem Einheitswert des Grundstücks zu berechnen. Das FA erhöhte in der Einspruchsentscheidung den nach § 25 ErbStG 1974 gestundeten Steuerbetrag auf . . . DM.
Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Mit der Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Klagebegehren.Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat § 25 ErbStG 1974 nicht richtig angewendet, und der Senat kann anhand der bisher festgestellten Tatsachen die Steuer nicht selbst neu berechnen.
1. Die Steuerpflicht folgt - wie das FG zu Recht entschieden hat - dem Grunde nach aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974. Der Kläger hat durch Vermächtnis gegen seine Mutter als Erbin den Anspruch auf Übertragung des Miterbanteils (an dem Nachlaß des Herrn H G) erworben (§ 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).
Der Senat sieht keinen Anlaß, das dem Kläger zugewendete Vermächtnis als Anordnung einer Nacherbschaft oder eines Nachvermächtnisses des Klägers (nach einer Vorerbschaft oder einem Vorvermächtnis der Mutter des Klägers) auszulegen. Der Inhalt dieses Erbvertrags gibt keinen Anhalt dafür, daß die Vertragspartner etwas anderes als das vom Notar Beurkundete erklären wollten. Dafür spricht auch das Verhalten des Klägers und seiner Mutter nach Eintritt des Erbfalles. In dem notariell beurkundeten ,,Vermächtnisvollzug" sind sie davon ausgegangen, daß sie in dem Erbvertrag als Vermächtnisnehmer (Kläger) und Untervermächtnisnehmerin (Mutter des Klägers) eingesetzt worden seien. Dementsprechend haben sie unter Nr. IV dieser notariellen Urkunde erklärt, daß die Mutter des Klägers diesem den Anteil am Nachlaß des Herrn H G überträgt; beide Personen hätten ,,das Vermächtnis samt Untervermächtnis mit Wirkung vom Todestage des Herrn A G angenommen. Die Übergabe des Erbanteils ist daher mit Wirkung vom Todestage des Erblassers bereits erfolgt unter Übernahme der Nutzungen und Lasten durch die Nießbrauchsberechtigte ebenfalls von diesem Zeitpunkt an". Wären sie der nunmehr vom Kläger vertretenen abweichenden Auffassung gewesen, so wäre ein Vermächtnisvollzug nicht erforderlich gewesen. Denn als Nacherbe oder Nachvermächtnisnehmer hatte der Kläger die Übertragung des Erbanteils unter Nießbrauchsvorbehalt seiner Mutter (noch) nicht fordern dürfen. Erst beim Tode seiner Mutter wäre der Rechtsübergang eingetreten oder zu veranlassen gewesen.
Der Kläger beruft sich zwar darauf, daß seine Mutter und er in der vorgenannten Urkunde beantragt und bewilligt hätten, ,,im Wege der Berichtigung" den Vollzug des Vermächtnisses und des Untervermächtnisses im Grundbuch einzutragen. Er meint, das FG habe ,,unter Tatsachen- und Rechtsverstoß verkannt, daß das Nießbrauchsrecht nicht wie sonst üblich auf Einigung und Eintragung (§§ 873 und 874 BGB) der eigentlichen Vertragsbeteiligten beruht, sondern diese vom Erblasser testiert wurden".
Mit diesem Einwand übersieht der Kläger jedoch, daß die Verfügung über einen Erbanteil und damit auch die Bestellung eines Nießbrauchs daran gemäß § 2033 Abs. 1 BGB - wie in dem Vermächtnisvollzug geschehen - durch notariell beurkundeten Vertrag erfolgen muß. Diese Vorschrift gilt ohne Ausnahme und daher abweichend von den §§ 873 und 874 BGB auch für den Fall, daß der Nachlaß ein Grundstück enthält oder sogar nur aus Grundbesitz besteht. Der Rechtsübergang vollzieht sich daher außerhalb des Grundbuchs; dieses wird unrichtig und ist somit zu berichtigen (vgl. dazu Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., 1982, § 2033 Rdnr. 20 und 21, und Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes - BGB - RGRK -, 12. Aufl., 1974, § 2033 Rdnr. 3, m. w. N.).
2. Der Wert des Erwerbs ist gemäß § 12 ErbStG 1974 nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) zu ermitteln. Dabei sind das im Nachlaß des Herrn H G am Stichtag vorhanden gewesene Grundstück und der damit verbundene Erbbauzinsanspruch nach den Grundsätzen des § 92 Abs. 2 und Abs. 5 BewG dem Kläger anteilig zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Urteile vom 26. November 1986 II R 32/83 (BFHE 148, 180, BStBl II 1987, 101) und II R 190/81 (BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175).
3. Zu Unrecht hat dagegen das FG den Abzug des Untervermächtnisses für die Mutter des Klägers als Nachlaßverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG 1974) verweigert und insoweit nur die Stundung der Steuer gemäß § 25 ErbStG 1974 zugelassen. Die wörtliche Anwendung dieser Vorschrift würde hier ihrem Sinn und Zweck nicht gerecht werden. Sie soll verhindern, daß ein Vermögenserwerb steuerfrei ist, obwohl das übergehende Vermögen in seiner Substanz unberührt bleibt, nur vorübergehend durch Belastungen bestimmter Art in seinem Wert gemindert wird und anschließend wieder ungeschmälert dem Erwerber zur Verfügung steht. Eine solche vorübergehende Wertminderung liegt in dem hier zu entscheidenden Fall nicht vor. Vielmehr verbraucht sich der auf den Kläger übergegangene Erbbauzinsanspruch im Laufe der Zeit, also auch durch die Belastung dieses Anspruches mit dem Nießbrauch der Mutter des Klägers. Insoweit geht dem Kläger die Substanz des Erbbauzinsanspruchs verloren. Dementsprechend ist der Nießbrauch der Mutter des Klägers als Nachlaßverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG 1974 vom Erwerb abzuziehen (vgl. dazu das Urteil in BFHE 148, 324 unter II 1 3 der Gründe).
4. Die Sache geht zurück an das FG, weil der Senat anhand der bisher festgestellten Tatsachen die Steuer nicht neu berechnen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 415637 |
BFH/NV 1989, 229 |