Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines negativen Feststellungsbescheides - DBA-USA: Einkünfte aus stiller Beteiligung bei Beteiligung an einer ausländischen, der KG vergleichbaren Personengesellschaft- Keine Bindung des BFH an die Auslegung von Verwaltungsakten durch das FG
Leitsatz (amtlich)
1. Lehnt das Feststellungsfinanzamt den Erlaß eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheides mit der Begründung ab, es liege keine Mitunternehmerschaft vor, so ist für das Veranlagungsverfahren bindend festgestellt, daß keine gewerblichen Einkünfte vorliegen. Das gilt auch, wenn diese Feststellung rechtswidrig ist.
2. Bei der Qualifizierung der Einkünfte im Veranlagungsverfahren ist in einem solchen Fall von einem Sachverhalt auszugehen, der nicht die Merkmale einer Mitunternehmerschaft aufweist. Danach kann sich die Beteiligung an einer ausländischen, der KG vergleichbaren Personengesellschaft als eine stille Beteiligung i.S. des § 20 Abs.1 Nr.4 EStG darstellen.
3. Die hieraus erzielten Einkünfte können nach Art.VI oder VII DBA-USA 1954/65 im Inland besteuert werden.
Orientierungssatz
1. Aus der Beteiligung erzielte Verluste sind bis zur Höhe der Einlage berücksichtigungsfähig.
2. Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten. Der BFH ist daher nicht an die Auslegung von Verwaltungsakten durch das FG gebunden. Die möglicherweise in einem gegenteiligen Sinn zu verstehenden Ausführungen des BFH im Beschluß vom 9.3.1995 X B 242/94 beruhen darauf, daß im Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung der Revision die Unrichtigkeit der Auslegung eines Verwaltungsakts durch das FG nicht mit Erfolg gerügt werden kann, da die Zulassung der Revision nicht auf die Unrichtigkeit der Vorentscheidung, sondern nur auf die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt werden kann.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2, § 182 Abs. 1; DBA USA Art. 15 Abs. 1 Buchst. b, Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 5, Art. 6-7; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beteiligte sich 1981 mit einem Anteil in Höhe von 100 000 $ als limited partner an der T, einer limited partnership nach dem Recht des Bundesstaates Colorado/USA. Die T, an der sich insgesamt rd. 120 Steuerinländer als beschränkt haftende Gesellschafter beteiligten, betrieb in den USA eine von ihr errichtete Seniorenwohnanlage. Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Kläger nach Maßgabe seiner Einlage am Gewinn bzw. Verlust der T beteiligt. Er haftete nicht persönlich und hatte keine Geschäftsführerbefugnisse. Die Geschäftsführung oblag ausschließlich dem general partner. Die limited partner hatten vereinbarungsgemäß Anspruch auf Übermittlung der Jahresabschlüsse der T und Einsichts- und Buchprüfungsrechte.
Der Kläger erzielte in den Streitjahren 1981 und 1982 aus seiner Beteiligung an der T Verluste.
Die T gab für die Streitjahre im Inland Steuererklärungen ab, mit denen sie die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte begehrte. Dies lehnte das für die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) örtlich zuständige Finanzamt ab, mit der Begründung, daß die an der T als limited partner beteiligten Steuerinländer nicht als Mitunternehmer, sondern als typisch stille Beteiligte anzusehen seien. Diese negativen Feststellungsbescheide wurden bestandskräftig.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, bei der Einkommensteuerveranlagung für 1981 und 1982 die auf den Kläger entfallenden Verlustanteile bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, so daß diese lediglich in die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingingen. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der Art. XV, III des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern 1954/65 (DBA-USA) und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Die Berücksichtigung der Verluste des Klägers aus seiner Beteiligung an der limited partnership setzt voraus, daß diese nach innerstaatlichem Recht Einkünfte sind, die abkommensrechtlich nicht in den USA zu besteuern sind. Beide Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
1. Aus verfahrensrechtlichen Gründen ist im Streitfall davon auszugehen, daß der Kläger aus seiner Beteiligung an der limited partnership Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erzielte. Das Finanzgericht (FG) ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Annahme gewerblicher Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. Senatsurteile vom 27. Februar 1991 I R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444; I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Oktober 1997 I R 35/96, BFHE 184, 476, BStBl II 1998, 235) aufgrund der negativen Feststellung im Feststellungsbescheid verfahrensrechtlich nicht mehr zulässig ist.
a) Nach den Feststellungen des FG lehnte das Feststellungs-FA den Erlaß eines einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheides gemäß § 180 Abs. 5 AO 1977 ab. Auch negative Feststellungsbescheide haben Bindungswirkung i.S. des § 182 Abs. 1 AO 1977 (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 182 AO 1977 Tz. 1; Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 182 AO 1977 Rdnr. 20). Der Umfang dieser Bindung richtet sich nach dem Inhalt des ergangenen Feststellungsbescheides.
b) Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten. Der BFH ist daher nicht an die Auslegung von Verwaltungsakten durch das FG gebunden (BFH-Urteil vom 12. Juni 1997 I R 72/96, BFHE 183, 30, BStBl II 1997, 660; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rdnr. 18, m.w.N.). Die möglicherweise in einem gegenteiligen Sinn zu verstehenden Ausführungen des BFH im Beschluß vom 9. März 1995 X B 242/94 (BFH/NV 1995, 858) beruhen darauf, daß im Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung der Revision die Unrichtigkeit der Auslegung eines Verwaltungsakts durch das FG nicht mit Erfolg gerügt werden kann, da die Zulassung der Revision nicht auf die Unrichtigkeit der Vorentscheidung, sondern nur auf die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt werden kann.
c) Lehnt das für den Erlaß von einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheiden zuständige Finanzamt den Erlaß eines Feststellungsbescheides ab, so ist primär mit bindender Wirkung festgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Feststellung i.S. des § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 nicht vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1993 IX R 27/90, BFHE 171, 486, BStBl II 1993, 821; BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 858, m.w.N.). Hierauf beschränkt sich aber die Bindungswirkung nicht. Der Ausspruch des negativen Feststellungsbescheides, nämlich die Ablehnung der Durchführung einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, ist vielmehr anhand der gegebenen Begründung auszulegen. Im Streitfall wurde die einheitliche und gesonderte Feststellung mit der Begründung abgelehnt, daß keine Mitunternehmerschaft vorliege. Daraus folgt die bindende Feststellung, daß mangels Mitunternehmerrisiko oder Mitunternehmerinitiative keine gewerblichen Einkünfte vorliegen. Unerheblich ist, ob diese rechtliche Qualifizierung und Feststellung rechtmäßig ist (vgl. BFH in BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881; BFH-Urteil vom 19. November 1991 IX R 41/88, BFHE 167, 321, BStBl II 1992, 719; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 182 AO 1977 Rdnr. 20, 20 a; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, Kommentar, § 180 Rdnr. 20).
d) Da somit für das anhängige Verfahren bindend festgestellt wurde, daß eine Mitunternehmerschaft nicht vorliegt, muß davon ausgegangen werden, daß die Einkünfte des Klägers solche aus stiller Beteiligung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind.
Der Senat kann dabei dahingestellt sein lassen, ob eine entsprechende Feststellung bereits im Feststellungsbescheid getroffen wurde. Das FG hat dies im Grundsatz abgelehnt. Dafür spricht, daß hierüber im Feststellungsverfahren nicht zu entscheiden war. Da aufgrund der bindenden Wirkung des negativen Feststellungsbescheides in diesem Verfahren von einer Mitunternehmerschaft nicht mehr ausgegangen werden kann, ist ein Sachverhalt zu unterstellen, der nicht die Merkmale einer Mitunternehmerschaft aufweist. Danach erweist sich die Beteiligung des Klägers an der limited partnership als stille Gesellschaft i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG, da der Kläger eine Einlage geleistet hat, über die dem stillen Gesellschafter --nach Feststellungen des FG-- nach § 233 des Handelsgesetzbuchs (HGB) zustehenden Rechte verfügt und am Gewinn und Verlust der limited partnership (§ 231 HGB) beteiligt ist. Nicht entscheidungserheblich ist, daß der Kläger möglicherweise gesamthänderisch am Vermögen der einer KG vergleichbaren T beteiligt war und gerade dies bei einem stillen Gesellschafter nicht der Fall ist. Dieser Gesichtspunkt muß aufgrund der bindenden Feststellungen des Feststellungsfinanzamts unberücksichtigt bleiben.
Damit sind die vom Kläger aus seiner Beteiligung erzielten Verluste bis zur Höhe seiner Einlage berücksichtigungsfähig (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 20 Rdnr. 143; Dötsch in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. F 148 ff.).
2. Abkommensrecht steht der Besteuerung im Inland nicht entgegen.
a) Nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 DBA-USA sind von der Bemessungsgrundlage der Steuer der Bundesrepublik Deutschland die Einkünfte aus Quellen innerhalb der USA auszunehmen, die nach dem Abkommen in den USA nicht steuerbefreit sind, es sei denn, daß Buchst. bb anzuwenden ist. Da im Streitfall nach deutschem Steuerrecht nicht von Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern von Einkünften aus einer stillen Beteiligung auszugehen ist, richtet sich die abkommensrechtliche Zuordnung des Besteuerungsrechts ausschließlich nach den Art. VI oder VII DBA-USA. Dies ergibt sich aus der Funktion der Doppelbesteuerungsabkommen, die nur darin besteht, einen nach deutschem innerstaatlichen Steuerrecht bestehenden Steueranspruch steuerfrei zu stellen oder zu ermäßigen. So gesehen bauen die DBA auf einem nach innerstaatlichem Recht bestehenden Steueranspruch auf. Deshalb kann im Streitfall die Anwendung des DBA-USA nur für Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung geprüft werden.
b) Der Senat kann offenlassen, ob die Einkünfte des Klägers abkommensrechtlich Dividenden i.S. des Art. VI oder Zinsen i.S. des Art. VII DBA-USA sind. Da in beiden Fällen nach Art. XV Abs. 1 Buchst. b) aa) Sätze 1 und 3 DBA-USA die Einkünfte im Inland nicht freizustellen sind, kann die abkommensrechtliche Qualifikation der Einkünfte aus stiller Beteiligung offenbleiben.
Fundstellen
Haufe-Index 67321 |
BFH/NV 1998, 1406 |
BFH/NV 1998, 1406-1407 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 601 |
BFHE 186, 67 |
BFHE 1999, 67 |
BB 1998, 1831 |
BB 1998, 1831-1832 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1998, 1898 |
DStRE 1998, 691 |
DStRE 1998, 691-692 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1998, 874 |
DStZ 1998, 874-875 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 891 |
StE 1998, 555 |