Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewegliches Wirtschaftsgut, Gebäudebestandteile und Betriebsvorrichtungen
Leitsatz (NV)
1. Regale und Regalwände in einer Apotheke sind als Betriebsvorrichtungen zulagenbegünstigte Wirtschaftsgüter, wenn sie der Ausstellung der in der Apotheke zum Verkauf angebotenen Arzneimittel und Gesundheitsprodukte dienen.
2. Betriebsvorrichtungen sind auch dann selbständige, bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn sie zivilrechtlich als wesentliche Gebäudebestandteile zu beurteilen sind.
3. Der Begriff der Betriebsvorrichtung setzt Gegenstände voraus, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf muss ein ähnlich enger Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Für die Abgrenzung zwischen Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen kommt es deshalb darauf an, ob die Vorrichtung im Rahmen der allgemeinen Nutzung des Gebäudes erforderlich ist oder ob sie unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient.
Normenkette
BewG § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; BGB §§ 93-94; InvZulG 1996 § 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Apotheke auf einem ihr gehörenden Grundstück.
Sie ließ im Streitjahr 1997 die Apotheke neu einrichten und beantragte für die Gegenstände der Ladeneinrichtung eine Investitionszulage nach § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996. Zu der Ladeneinrichtung gehörten u.a. eine "Freiwahl mit zwei Durchgängen mit Ganzglastüren", eine "Sichtwahl mit Durchgangsüberbau" und "sechs Kosmetikfreiwahlregale" sowie eine "Säulenverkleidung". Die Freiwahl, die Sichtwahl und die Freiwahlregale --es handelt sich dabei um Regalwände und Regale-- sowie die Säulenverkleidung dienen der Präsentation von Waren. Zusammen mit den Ganzglastüren teilen die Regale und Regalwände die Apotheke in mehrere Räumlichkeiten auf. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Investitionszulage für das Kalenderjahr 1997 mit Bescheid vom 4. Januar 1999 ohne Berücksichtigung der auf diese Gegenstände entfallenden Aufwendungen fest. Es handele sich um nicht zulagenbegünstigte wesentliche Gebäudebestandteile, da die Gegenstände die Funktion des sonst notwendigen Mauerwerks übernähmen. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin Investitionszulage für die Freiwahl (ohne die beiden Glastüren), die Sichtwahl und die Freiwahlregale sowie die Säulenverkleidung. Sie machte geltend, es handele sich dabei um Betriebsvorrichtungen, da es zur unmittelbaren gewerblichen Tätigkeit eines Einzelhandelsunternehmens gehöre, Waren in einer das Kaufinteresse fördernden Art und Weise anzubieten. Dies gelte auch für Apotheken.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das FG hat im Wesentlichen ausgeführt, die streitbefangenen Gegenstände seien wesentliche Gebäudebestandteile. Gebäudeteile könnten auch solche Einbauten sein, die an die Stelle von Mauern oder Wänden träten. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Juli 1997 III R 247/94 (BFH/NV 1998, 215) gelte dies auch für Einbaumöbel wie Schrankwände, wenn sie auch die Funktion sonst üblicher Gebäudewände übernommen hätten. Den Regalen und Regalwänden komme zusammen mit den Ganzglastüren die Aufgabe zu, die Apotheke räumlich aufzuteilen. Der Zweck, die Waren zu präsentieren, trete demgegenüber in den Hintergrund. Es handele sich dabei auch weder um Scheinbestandteile noch um Betriebsvorrichtungen. Betriebsvorrichtungen lägen im Streitfall nicht vor, da Trennwände in Gebäuden primär der Gebäudenutzung dienten. Daran ändere auch nichts, dass die betrieblichen Räume in einer Weise gestaltet worden seien, durch welche die angebotenen Waren verkaufsfördernd präsentiert werden könnten. Auch die Säulenverkleidung sei dem Gebäude zuzurechnen, da sie die vorhandene Säule kaschiere und dekorativer gestalte.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 InvZulG 1996 und sinngemäß die Versagung rechtlichen Gehörs.
Sie beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheids die Investitionszulage für das Kalenderjahr 1997 in Höhe von 23 221 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei den streitbefangenen Gegenständen um Betriebsvorrichtungen i.S. von § 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG), die als bewegliche Wirtschaftsgüter nach § 2 InvZulG 1996 zulagenbegünstigt sind.
1. Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 ist die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens --unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- begünstigt. Der Begriff des beweglichen Wirtschaftsguts wird durch das InvZulG 1996 nicht definiert. Er bestimmt sich nach einkommensteuerlichen Grundsätzen. Das Einkommensteuergesetz (EStG) grenzt bewegliche von den unbeweglichen Wirtschaftsgütern unter Rückgriff auf die Regelung des bürgerlichen Rechts in den §§ 93 f. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über wesentliche Gebäudebestandteile einerseits und Scheinbestandteile andererseits in erster Linie anhand des Bewertungsrechts ab. Danach handelt es sich um (zulagenbegünstigte) bewegliche Wirtschaftsgüter, wenn zwar zivilrechtlich wesentliche Gebäudebestandteile vorliegen, diese aber als Betriebsvorrichtungen i.S. von § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG zu beurteilen sind (Senatsurteil vom 9. August 2001 III R 30/00, BFHE 196, 442, BStBl II 2001, 842, m.w.N.).
Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG kommen als Betriebsvorrichtungen Maschinen, Vorrichtungen und sonstige Gegenstände aller Art in Betracht, die zu einer Betriebsanlage gehören. Aus dem Erfordernis der Zugehörigkeit "zu einer Betriebsanlage" ergibt sich, dass der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraussetzt, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Zwischen der Betriebsvorrichtung und dem Betriebsablauf muss ein ähnlich enger Zusammenhang bestehen, wie er üblicherweise bei Maschinen gegeben ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn eine Anlage für einen Betrieb lediglich nützlich oder notwendig oder sogar gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist. Entscheidend ist, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden (Senatsurteil vom 6. August 1998 III R 28/97, BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144, m.w.N.). Für die Abgrenzung zwischen Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen kommt es deshalb darauf an, ob die Vorrichtung im Rahmen der allgemeinen Nutzung des Gebäudes erforderlich ist oder ob sie unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient (so auch Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Anm. 396).
Entgegen der Auffassung des FG schließt die zivilrechtliche Einordnung eines Gegenstands als wesentlicher Gebäudebestandteil nicht das Vorliegen einer Betriebsvorrichtung i.S. des § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG aus. Betriebsvorrichtungen sind, auch wenn sie zivilrechtlich wesentliche Gebäudebestandteile sind, selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter (vgl. Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 24. Aufl., § 5 Rz. 137, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den streitbefangenen Gegenständen um Betriebsvorrichtungen. Gegenstand des Betriebs einer Apotheke ist der Verkauf von Arzneimitteln und anderen Produkten, die einen Bezug zur Gesundheit haben. Es gehört daher zur unmittelbaren gewerblichen Tätigkeit eines Apothekers, Waren dadurch anzubieten, dass sie in einer das Kaufinteresse anregenden Weise ausgestellt werden. Dies gilt vor allem für den Verkauf von nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln und den übrigen Produkten mit Gesundheitsbezug, aus denen der Kunde frei wählen kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Apotheken beim Verkauf letztgenannter Produkte in direkter Konkurrenz zu anderen Einzelhandelsunternehmen, insbesondere Drogeriemärkten, stehen. Die streitbefangenen Gegenstände sind deshalb als Anlagen, die der Ausstellung der Arzneimittel und Gesundheitsprodukte dienen, Betriebsvorrichtungen (so auch zur Ladeneinrichtung eines Einzelhandelsunternehmens BFH-Urteil vom 30. Mai 1974 V R 141/73, BFHE 112, 536, BStBl II 1974, 621, m.w.N.).
Soweit die Gegenstände die Funktion einer Gebäudeinnenwand bzw. einer Säulenverkleidung erfüllen, führt dies zu keiner anderen Beurteilung, da sie nicht zur allgemeinen Nutzung des Gebäudes erforderlich sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG wurde die durch die Gegenstände bewirkte Raumaufteilung gerade in einer Art und Weise vorgenommen, die eine den Verkauf fördernde Präsentation der Waren ermöglicht. Für die allgemeine Nutzung des Gebäudes sind die Regalwände daher lediglich von untergeordneter Bedeutung.
Das Senatsurteil in BFH/NV 1998, 215 steht der Beurteilung als Betriebsvorrichtung nicht entgegen. Dort hat der Senat Schrank- und Trennwände mit Türelementen, die in ein Großraumbüro eines Architekten eingebaut worden waren, nicht als Betriebsvorrichtung beurteilt, da sie die Aufgabe gehabt hätten, abgeschlossene, durch Türen zugängliche Räume zu schaffen. Sie hätten deshalb die Funktion von Gebäudeinnenwänden gehabt und damit der unmittelbaren Gebäudenutzung gedient.
Diese Entscheidung ist schon deshalb nicht auf den Streitfall übertragbar, weil die Schrank- und Trennwände eines Architekten nicht unmittelbar zur Ausübung seiner freiberuflichen Tätigkeit genutzt werden. Dagegen wird eine Apotheke aus den genannten Gründen --jedenfalls soweit die freiverkäuflichen Arzneimittel und sonstigen Gesundheitsprodukte betroffen sind-- unmittelbar durch die Anlagen, die der Ausstellung dieser Waren dienen, betrieben.
Da es sich bei den streitbefangenen Gegenständen um Betriebsvorrichtungen handelt, kann offen bleiben, ob sie zivilrechtlich als wesentliche Gebäudebestandteile i.S. der §§ 93 f. BGB zu beurteilen sind.
3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat --nach seiner Rechtsauffassung zu Recht-- keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung über die Höhe der festzusetzenden Investitionszulage ermöglichen.
Eine Entscheidung über die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erübrigt sich.
Fundstellen
Haufe-Index 1571971 |
BFH/NV 2006, 2130 |
DB 2007, 11 |
DStRE 2006, 1398 |