Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb der Fluglizenz durch Flugingenieur als Werbungskosten
Leitsatz (NV)
Die Aufwendungen eines Flugingenieurs für den Erwerb der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer 2. Klasse mit dem Ziel, Copilot zu werden, sind als Werbungskosten abziehbar und keine Berufsausbildungskosten.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr Flugingenieur. Er gehörte zur Bordbesatzung eines . . . (Flugzeugtyp). Dieser Flugzeugtyp besitzt ein Drei-Mann-Cockpit, in dem zwei Piloten und ein Flugingenieur eingesetzt werden. Die Arbeitgeberin der Klägerin stellte ihre Luftflotte nach und nach auf Flugzeuge einer neueren Generation mit einem Zwei-Mann-Cockpit um. Dies hatte zur Folge, daß die Aufgaben des Flugingenieurs von dem Copiloten wahrgenommen werden. Der Kläger erwarb aus diesem Grunde im Streitjahr die Flugerlaubnis für Privatflugzeugführer, die u. a. Voraussetzung für den Erwerb der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer 2. Klasse ist (vgl. § 7 Abs. 1 der Verordnung über Luftfahrtpersonal - LuftPersV -, BGBl I 1984, 265).
Der Kläger hat die Umschulung inzwischen abgeschlossen und wird bei seiner Arbeitgeberin als Copilot eingesetzt. Er machte im Streitjahr Aufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nur in Höhe von 900 DM als Sonderausgaben anerkannte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab und führte aus: Die Aufwendungen für die Umschulung seien keine Fortbildungskosten, sondern Ausbildungskosten. Der Beruf des Flugingenieurs sei ein anderer Beruf als derjenige des Flugzeugführers. Zwar sei ein Teil der fachlichen Voraussetzungen der Berufe des Flugingenieurs, des Privatflugzeugführers, des Berufsflugzeugführers 2. Klasse und des Berufsflugzeugführers 1. Klasse sowie des Verkehrsflugzeugführers identisch (vgl. § 1 Abs. 2, § 7 Abs. 3, § 12, § 15 Abs. 2 und § 58 Abs. 2 LuftPersV). Gleichwohl handele es sich - wie bereits die Berufsbezeichnung ergebe - um unterschiedliche Berufe. Anders als die übrigen vorgenannten Berufe dürfe der Flugingenieur kein Flugzeug führen. Die Nützlichkeit vorhandener Kenntnisse und die Befreiung von einigen Prüfungsfächern ändere nichts daran, daß die absolvierte Ausbildung dem Kläger für die Zukunft eine ganz andere Ausgangsbasis verschaffe, als der bisherige Beruf sie habe bieten können, der keine Zukunft mehr gehabt habe. Die in der Betriebsvereinbarung gewählte Bezeichnung ,,Option zur Umschulung und Weiterbeschäftigung als Flugzeugführer" wäre nicht gewählt worden, wenn es sich um eine Fortbildung gehandelt hätte. Der Begriff ,,Umschulung" besage, daß etwas verändert, also etwas anderes geschaffen werden solle.Soweit das FG Münster (Urteil vom 31. März 1987 VI 2935/84 E, nicht veröffentlicht - NV -) ausgeführt habe, die bisher dem Flugingenieur zugeordnete technisch überwachende Tätigkeit werde vom Copiloten übernommen, dessen verkehrslenkende Tätigkeit gegenüber derjenigen des Chefpiloten untergeordnet sei, Copilot und Flugingenieur verfügten über eine ähnliche gesellschaftliche Stellung und seien auch wirtschaftlich gleichgestellt (ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 1986 XIV/III 93/84, NV), ließen diese Ausführungen gerade den gegenteiligen Schluß zu. Während sich für den Copiloten eine Erweiterung seiner beruflichen Tätigkeit ergebe, bedürfe der Flugingenieur einer zusätzlichen Ausbildung mit entsprechendem Lizenznachweis.
Der Kläger hält mit seiner vom FG zugelassenen Revision an seinem Klagebegehren fest und weist darauf hin, die Worte ,,Umschulung" oder ,,Umschulungsvertrag" dürften nicht juristisch eng ausgelegt werden; ohne Fortbildungsbemühungen wäre er heute ohne Arbeit.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Bescheides gemäß dem Klageantrag (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Aufwendungen, die der Kläger getätigt hat, um die Flugerlaubnis für Privatflugzeugführer zu erwerben und damit die Voraussetzungen für den Erwerb der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer 2. Klasse zu erfüllen und als Copilot in einem Zwei-Mann-Cockpit tätig sein zu können, sind Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) bei seinen als Flugingenieur erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
1. Aufwendungen für die berufliche Fort- und Weiterbildung sind nach ständiger Rechtsprechung Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Hierunter fallen Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. November 1980 VI 50/79, BFHE 132, 9, BStBl II 1981, 216). Hiervon zu unterscheiden sind die Berufsausbildungskosten, die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben mit dem Höchstbetrag von 900 DM bzw.1200 DM abziehbar sind. Kosten der Berufsausbildung liegen vor, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, die Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 44/83, BFHE 142, 262, BStBl II 1985, 94). Hierzu zählen auch Aufwendungen zum Erwerb von Kenntnissen, die die Grundlage dafür bilden sollen, von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln (BFH-Urteil vom 26. April 1989 VI R 95/85, BFHE 156, 494, BStBl II 1989, 616, 617).
Der Senat hat nach Ergehen der Vorentscheidung im Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556, das Zweitstudium eines Lehrers mit der Befähigung für das Lehramt der Sekundarstufe I zur Erlangung der Qualifikation für die Sekundarstufe II als Fortbildung gewertet. Er hat es dabei als unschädlich angesehen, daß das Hochschulstudium für diejenigen Studenten, die unmittelbar die Befähigung für das Lehramt der Sekundarstufe II anstreben, als Ausbildung zu beurteilen ist. Als vorrangig ist vielmehr gewichtet worden, daß das auf die bisherige Qualifikation aufbauende Zweitstudium dem Steuerpflichtigen weiterhin nur eine Tätigkeit im Lehrberuf ermöglichte und bei der Prüfung für das Erlangen der Lehrbefähigung in der Sekundarstufe II Leistungen aus der bisherigen abgeschlossenen Berufsausbildung mit der Qualifikation für die Sekundarstufe I zur Anrechnung gelangt sind.
2. Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so sind die streitigen Aufwendungen des Klägers als Fortbildungskosten zu berücksichtigen. Der Kläger besaß als Flugingenieur eine abgeschlossene Berufsausbildung, die in der Vergangenheit die Erzielung von Einnahmen ermöglicht hat, die denjenigen eines Copiloten entsprachen. Bei dem Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten, die er benötigte, um die Erlaubnis für Berufsflugzeugführer 2. Klasse zu erlangen und damit Copilot werden zu können, konnte der Kläger auf die durch die abgeschlossene Berufsausbildung als Flugingenieur erworbenen Kenntnisse aufbauen. Die theoretische Ausbildung als Flugingenieur (§ 58 Abs. 2 LuftPersV) umfaßt wie diejenige des Copiloten (§ 7 Abs. 2 LuftPersV) die in § 1 Abs. 2 LuftPersV aufgeführten Sachgebiete und konnte ggf. zur Befreiung von der Prüfung in bestimmten Fächern führen. Soweit der Kläger Aufwendungen für die Flugausbildung getätigt hat, sind zwar nicht nur bereits vorhandene Kenntnisse erweitert und vertieft, sondern ist eine zusätzliche Qualifikation erstmals erworben worden. Diese schließt die Annahme von Fortbildungskosten aber deshalb nicht aus, weil die zusätzlichen Fähigkeiten nach Auffassung des Senats für den Kläger keinen Wechsel der Berufsart bewirkt haben. Auch wenn der Kläger nach dem Erwerb der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer 2. Klasse und nach Beendigung der sog. Umschulung unter der Berufsbezeichnung ,,Copilot" tätig geworden ist, ist er wie zuvor im Cockpit eines Flugzeugs eingesetzt worden. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit hat weiterhin in der Überwachung der technischen Systeme gelegen. Bei der Frage, ob sich die Berufsart des Klägers geändert hat, kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich infolge der technischen Veränderungen bei neuen Flugzeugtypen auch die Tätigkeit des modernen Copiloten im Zwei-Mann-Cockpit bei gleichbleibender Berufsbezeichnung gegenüber derjenigen des Copiloten im Drei-Mann-Cockpit funktional erweitert hat. Denn der moderne Copilot im Zwei-Mann-Cockpit hat im Bereich der Überwachung der technischen Systeme die bisher vom Flugingenieur wahrgenommenen Aufgaben, soweit sie nicht automatisiert worden sind, übernommen. Jedenfalls unter Berücksichtigung dieses veränderten Tätigkeitsbereichs des modernen Copiloten erscheint dem Senat die von den FG Düsseldorf (a. a. O.) und Münster (a. a. O.) vertretene Auffassung überzeugend, daß ein Wechsel der Berufsart in Fällen der vorliegenden Art nicht vorliegt und folglich Fortbildungskosten anzunehmen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 418424 |
BFH/NV 1992, 731 |