Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Aus kreditierten Mitteln geleistete Beiträge auf Grund von Kapitalansammlungsverträgen können trotz Abdeckung des Kredits innerhalb des gleichen Veranlagungszeitraums "fremde" Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1951 sein.
Normenkette
EStG § 10/1/2/d
Tatbestand
Streitig ist, ob die vom Beschwerdeführer (Bf.) geleisteten Beiträge auf Grund von Kapitalansammlungsverträgen mit "fremden" Mitteln erbracht sind.
Der Bf. ist Mitinhaber der Firma X OHG in Y, an der er zu 50 % beteiligt ist. Am 29. Dezember 1951 bzw. 31. Dezember 1951 schloß er mit der Kreissparkasse bzw. Volksbank je einen Kapitalansammlungsvertrag über 7.500 DM. Zu Lasten der bestehenden Firmenkonten wurden Abhebungen in gleicher Höhe vorgenommen und auf Sparkonten eingezahlt. Die Firmenkonten wiesen dadurch Sollbeträge auf, die jedoch im Verlauf von 3 bis 6 Wochen Anfang 1952 durch Zahlungseingänge ausgeglichen wurden.
In der Steuererklärung für 1951 beantragte der Bf. gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 den Abzug der geleisteten Beiträge von zusammen 15.000 DM im Rahmen der zulässigen Höchstbeträge als Sonderausgaben.
Das Finanzamt lehnte den Abzug ab. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Auch das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, daß die Kapitalansammlungsverträge unter Verwendung "fremder" Mittel erfüllt seien und deshalb die Anerkennung als Sonderausgabe zu versagen sei.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der Verkennung des Begriffes "fremde Mittel" gerügt wird. Die OHG, an der der Bf. mit 50 % beteiligt sei, habe ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli zum 30. Juni. Die vorübergehende überziehung der Firmenkonten habe sich im Rahmen des ohnehin eingeräumten Bankkredites abgespielt, so daß keinerlei besondere Kreditverhandlungen erforderlich gewesen seien. Der laufende Gewinnanteil des Bf. habe seine Entnahmen einschließlich der Sparbeträge überschritten. Somit könne nicht von Inanspruchnahme "fremder" Mittel bei der Erfüllung der Kapitalansammlungsverträge gesprochen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Nach der für den Veranlagungsabschnitt 1951 gültigen Fassung des Gesetzes - § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1951 - können Beiträge auf Grund von Kapitalansammlungsverträgen nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn zu ihrer Leistung keine fremden Mittel verwandt worden sind.
Der Bf. räumt selbst ein, daß er zur Einzahlung der Kapitalansammlungsbeiträge von 15.000 DM diejenigen Beträge verwandt hat, die er von den Firmenkonten abgehoben hatte und daß dabei diese Konten in gleicher Höhe ins Soll (Debet) geraten sind.
Mit Recht haben die Vorinstanzen bei dieser Sachlage festgestellt, daß die Beiträge zu den Kapitalansammlungsverträgen mit fremden Mitteln geleistet sind.
Daß der Bf. schon nach wenigen Wochen die Minussalden auf den Firmenkonten wieder ausgeglichen hat, schafft die Tatsache nicht aus der Welt, daß die am 29. Dezember 1951 und 31. Dezember 1951 erfolgten Einzahlungen auf die Sparkonten durch Inanspruchnahme von Mitteln der Bank, mithin "fremden" Mitteln geleistet sind.
Die Kreditgewährung der Bank - daß es sich um eine solche handelte, stellt der Bf. selbst nicht in Abrede - bewegte sich im Rahmen des der Firma ohnehin von der Bank eingeräumten Kredites, so daß eine Sonderabmachung mit der Bank nicht erforderlich war. Dieser Umstand vermag die vom Bf. abgehobenen Beträge nicht zu eigenen Mitteln zu machen. Es blieben trotzdem fremde Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1951 (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 547/54 U vom 5. April 1956, Slg. Bd. 62 S. 498, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 186).
Ferner muß auch unbeachtet bleiben, daß der in Anspruch genommene Kredit nach kurzer Zeit wieder abgedeckt wurde. Dem von Littmann, Einkommensteuerrecht 4. Aufl. zu § 10 Anm. 3 c, cc, vertretenen Standpunkt, daß fremde Mittel nicht anzunehmen sind, wenn der zur Leistung der Beiträge aufgenommene Kredit innerhalb des Veranlagungszeitraums zurückgezahlt wurde, kann sich der Senat nicht anschließen. Die Vorschrift des Gesetzes, daß die Sparleistungen aus eigenen Mitteln erbracht werden müssen, kann nur bedeuten, daß der Sparer die Beiträge aus eigenen im Zeitpunkt der Erfüllung des Sparvertrags verfügbaren Einkommen oder Vermögen leisten muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 547/54 U vom 5. April 1956). Im gegebenen Falle ist der Kredit sogar erst im Jahre 1952 wieder ausgeglichen worden, nicht mehr im Veranlagungsabschnitt 1951, für den die Steuervergünstigung begehrt wird.
Endlich kann auch die unbestrittene Tatsache, daß der vom Bf. erzielte Gewinn seine Entnahmen einschließlich der für die Kapitalansammlungsverträge verwandten Summen überstiegen hat, nicht bewirken, daß es sich bei den am 29. Dezember 1951 und 31. Dezember 1951 geleisteten Beiträgen um eigene Mittel gehandelt hat. Gewiß stand dem Bf. ein ausreichendes Vermögen zur Finanzierung der Kapitalansammlungsverträge zur Verfügung. Dieses Vermögen mag auch leicht realisierbar gewesen sein. Es war aber im Zeitpunkt der Erfüllung des Kapitalansammlungsvertrags nicht realisiert. An flüssigen Mitteln fehlte es, so daß der Bf. den Ausweg einer, wenn auch nur kurzfristigen Darlehnsaufnahme gewählt hat, um die Beträge von 15.000 DM am 29. Dezember bzw. 31. Dezember erbringen zu können. Dabei ist es unbeachtlich, ob dem Bf. andere Wege zur Erfüllung seiner Kapitalansammlungsverträge offengestanden hätten. Allein maßgebend ist, welchen Weg der Bf. eingeschlagen hat (vgl. das oben erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs IV 547/54 U vom 5. April 1956). Er hat sich eines Kredites bedient und hat damit die Beiträge auf Grund der Kapitalansammlungsverträge mit "fremden Mitteln" bewirkt.
Mit Recht haben deshalb die Vorinstanzen die Steuervergünstigung nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1951 versagt.
Dennoch trägt der Senat Bedenken, die Rechtsbeschwerde des Bf. schon jetzt als unbegründet zurückzuweisen. Der Bf. ist verheiratet. Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 ist inzwischen § 26 EStG 1951, der die Haushaltsbesteuerung der Eheleute regelt, für nichtig erklärt worden. Die durch die Nichtigkeit des § 26 EStG 1951 entstandene Lücke im EStG muß durch einen Akt des Gesetzgebers ausgefüllt werden. Der Senat hält es nicht für vertretbar, durch eine endgültige Entscheidung in der Sache die Rechtskraft der streitigen Veranlagung für 1951 herbeizuführen, weil dadurch möglicherweise der Bf. steuerlicher Erleichterungen aus der zu erwartenden gesetzlichen Neuregelung der Ehegattenbesteuerung verlustig gehen könnte.
Deshalb werden die angefochtene Entscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 23. August 1955 aufgehoben und die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Das Finanzamt hat nunmehr die Entscheidung in der Sache zurückzustellen, bis die durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts entstandene Ungewißheit in der einkommensteuerlichen Behandlung der Ehegatten beseitigt ist. Alsdann hat das Finanzamt unter Beachtung der vorstehenden Rechtsgrundsätze und der für die Ehegattenbesteuerung vom Gesetzgeber getroffenen Regelung die Veranlagung erneut vorzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 408779 |
BStBl III 1957, 262 |
BFHE 1958, 77 |
BFHE 65, 77 |