Leitsatz (amtlich)
Die unter wissenschaftlichen Blickpunkten erfolgende Ordnung eines Archivs und die Forschungstätigkeit an Hand der Archivbestände durch einen Privatgelehrten der diese Tätigkeiten weder als Beamter noch als Angestellter der Archivbehörde entfaltet, sind für einen Privatgelehrten typische Tätigkeiten und fallen immer unter § 4 Ziff. 17 UStG; es ist daher ohne Belang, daß der Privatgelehrte nur für einen Auftraggeber tätig wird.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 17
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.), der vordem Notar gewesen war, hat mit einem Bundeslande einen Vertrag geschlossen, wonach ihn das Staatsarchiv "zur Lösung bestimmter wissenschaftlicher Aufgaben" heranzieht, ohne daß dadurch ein Angestellten- oder sonst ein Dienstverhältnis begründet wird. An Sonderaufträgen hat er die Archivalien alter Familien, Firmen und Stiftungen des Landes sicherzustellen, die Bestände des Staatsarchivs dadurch zu ergänzen, daß er Kopien von Archivalien auswärtiger Archive und Bibliotheken beschafft, die Archive bestimmter religiöser Gemeinschaften ordnet, juristische Gutachten abfaßt, ein Verzeichnis von Ratsmitgliedern anlegt und herausgibt, eine Kartothek über Bildnisse in reproduktiven Techniken anlegt und im Druck herausgibt, insbesondere ein Werk mit Bildnissen hervorragender Persönlichkeiten, die Sammlung von Grabinschriften des Landes fortsetzt und bestimmte Bildnissammlungen erweitert und ausstellt. Für seine Tätigkeit hat er im Jahre 1954 monatlich 450 DM erhalten. Zur Herausgabe eines Werkes oder überhaupt zu einem Auftreten des Stpfl. hinsichtlich dieser Tätigkeit nach außen hin ist es im Jahre 1954 nicht gekommen.
Streit besteht darüber, ob der Stpfl. für seine Einnahmen aus der von ihm ausgeübten Tätigkeit die Umsatzsteuervergünstigung der Ziff. 17 des § 4 UStG als Privatgelehrter beanspruchen kann. Das Finanzamt hat dies verneint, das Finanzgericht hat es bejaht. Das Finanzgericht hat sich auf die Entwicklung der Verhältnisse berufen, die dazu geführt habe, daß es den Privatgelehrten, der gestützt auf ein Privatvermögen seinen wissenschaftlichen Neigungen nachgehe, nicht mehr gebe. Daß die Tätigkeit im Dienste eines anderen ausgeübt werde und daß ein Gelehrter wie der Stpfl. dafür fortlaufend entlohnt werde, schade ebensowenig wie die Betrauung mit von vornherein bestimmten Aufgaben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.
Der Stpfl. ist nach seiner Vorbildung in der Lage, eine Privatgelehrtentätigkeit zu entfalten. Die Ordnung eines Archivs unter wissenschaftlichen Blickpunkten und die Forschungstätigkeit an Hand der Archivbestände ist unzweifelhaft eine Privatgelehrtentätigkeit. Sie ist es ebenso wie die von einem Hochschuldozenten (der weder Beamter noch Angestellter der Hochschule ist) ausgeübte Vorlesungstätigkeit (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 170/52 vom 31. Juli 1953, Deutsche Steuer-Rundschau 1954 S. 303). Derartige Tätigkeiten sind für einen Privatgelehrten typisch. In solchen Fällen schadet es daher nichts, daß der Privatgelehrte nur einem Auftraggeber gegenüber tätig wird. Die Archivtätigkeit, die der Stpfl. entfaltet hat, wirkte auch, entgegen der Ansicht der Rb., ebenso wie die Vorlesungstätigkeit eines Hochschuldozenten einem größeren Kreise gegenüber; denn das Archiv kann von allen an dessen Beständen Interessierten benutzt werden, und diese Benutzung wird auch schon durch eine nach wissenschaftlichen Blickpunkten durchgeführte Ordnung der Archivbestände entweder überhaupt erst ermöglicht oder erleichtert. Ist der Stpfl. sonach ein Privatgelehrter und übt er auch eine Tätigkeit als Privatgelehrter aus, so ist ihm die Steuervergünstigung der Ziff. 17 des § 4 UStG zuzuerkennen.
Der Vorentscheidung ist sonach beizutreten und die Rb. zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1960, 300 |
BFHE 1961, 139 |