Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird auf einem Grundstücke, dessen Gebäude durch Kriegseinwirkungen zerstört wurde, von einem Dritten ein Gebäude errichtet - Gebäude auf fremdem Grund und Boden -, so liegt hierin eine änderung der Art des bisherigen Trümmergrundstückes, die zu einer Artfortschreibung als unbebautes Grundstück führt. Die Artfortschreibung ist mit einer Wertfortschreibung zu verbinden, wenn durch die Bewertung als unbebautes Grundstück die Wertfortschreibungsgrenzen überschritten werden.
Normenkette
BewG §§ 22, 50 Abs. 3, § 70/3, §§ 53, 72; AO § 225a
Tatbestand
Der Einheitswert für das streitige Grundstück, dessen Gebäude durch Kriegseinwirkung zerstört wurde, ist auf den 21. Juni 1948 gemäß § 2 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) fortgeschrieben worden. Die bisherige Grundstücksart "bebautes Grundstück, Mietwohngrundstück" wurde beibehalten (ß 2 des Fortschreibungsgesetzes in Verbindung mit Ziff. 12 des Erlasses vom 5. September 1949, Steuer- und Zollblatt - StuZBl - 1949 S. 357 ff.).
Der Bf. gestattete im Jahre 1951 dem Eigentümer der an das Trümmergrundstück zu beiden Seiten angrenzenden Nachbargrundstücke die Benutzung des Grundstückes des Bf. gegen eine jährliche Vergütung. Der Eigentümer der beiden angrenzenden Grundstücke errichtete auf diesen und dem Trümmergrundstück ein durchgehendes einstöckiges Bauwerk, von dessen Grundfläche 250 qm auf das Trümmergrundstück entfallen. Er betreibt hierin ein Haushaltswarengeschäft.
Das Finanzamt sah in dieser Nutzung des Grundstückes des Bf. eine änderung des tatsächlichen Zustandes und nahm deshalb eine Art- und Wertfortschreibung nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 225 a Abs. 1 AO und 22 BewG) auf den 1. Januar 1952 vor. Im Fortschreibungsbescheide wurde das Grundstück nunmehr als "unbebautes Grundstück" bezeichnet und der Einheitswert unter Zugrundelegung des Bodenwertes (Wertverhältnisse 1935) festgestellt. Im Einspruchsverfahren wendete der Bf. ein, auf dem Grundstücke sei lediglich eine Holzbaracke ohne Fundament und ohne feste Verbindung mit dem Grund und Boden errichtet worden; dadurch sei weder eine Art- noch eine Wertänderung eingetreten. Er habe nur aus Gefälligkeit seinem Nachbarn das Grundstück widerruflich zur Vorübergehenden Nutzung überlassen. Darin liege keine Nutzungsänderung und auch keine neue Zweckbestimmung.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte u. a. aus, das Finanzamt habe zutreffend eine Artänderung des Grundstückes angenommen. Unabhängig davon, daß das Grundstück bereits durch die Trümmerbeseitigung und die Planierung des Grund und Bodens nach der Verkehrsauffassung als baureif anzusehen sei, habe sich zumindest seine Art dadurch geändert, daß der Pächter auf ihm ein Ladengeschäft errichtet habe. Das Ladengebäude sei auch als Gebäude im Sinne des BewG anzusehen und gelte nach § 50 Abs. 3 BewG als selbständiges Grundstück. Auch der Grund und Boden werde für sich allein bewertet und dem Grundeigentümer als unbebautes Grundstück zugerechnet (Urteil des Bundesfinanzhofs III 109/52 U vom 8. Mai 1953, BStBl 1953 III S. 195, Slg. Bd. 57 S. 507).
Mit der Rb. wendet der Bf. ein, die grundlegende Voraussetzung für die Artänderung entfalle schon dadurch, daß das Grundstück durch die vom Finanzgericht unterstellte Bebauung nicht zu einem unbebauten Grundstücke werden könne. Eine Fortschreibung scheide auch deshalb aus, weil das Grundstück nach den Feststellungen des Finanzgerichts noch dieselbe Substanz aufweise und eine änderung der Nutzung schlechthin keine Artänderung darstelle. Die Trümmerbeseitigung allein ändere die Eigenschaft als Trümmergrundstück nicht. Weder tatsächlich noch rechtlich zu rechtfertigen sei die Unterstellung des Finanzgerichts, der Pächter habe auf dem Grundstücke ein Ladengebäude errichtet. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bei der Ortsbesichtigung sei die Grundstücksfläche nur überbaut worden. Abgesehen von der Behelfsmäßigkeit eines solchen Zustandes stelle eine "überbebauung" einer Grundstücksfläche keineswegs die Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstücke dar. Damit werde der Begriff eines Gebäudes auf einem Grundstücke verkannt. Schließlich handele es sich bei der angenommenen Bebauung um einen behelfsmäßigen und vorübergehenden Zustand; die Kündigung der Grundstücksnutzung sowie die Abbruchsverpflichtung könnten in kürzester Zeit eintreten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Den Ausführungen des Finanzgerichts ist darin beizupflichten, daß die Vorschriften des Fortschreibungsgesetzes grundsätzlich nur für die Einheitswertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 gelten. Die auf diesen Stichtag festgestellte Art und der Einheitswert des kriegszerstörten oder kriegsbeschädigten Grundbesitzes müssen solange beibehalten werden, bis im Einzelfalle tatsächliche Veränderungen im baulichen Zustande, im Umfange der Bebauung oder in der Art des Grundstückes eingetreten sind, die nach den Vorschriften des BewG und der AO Anlaß zu einer Art- gegebenenfalls Wertfortschreibung geben (Urteil des Bundesfinanzhofs III 290/58 U vom 15. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 440, Slg. Bd. 71 S. 510). Für die Entscheidung ist somit wesentlich, ob nach dem 21. Juni 1948 eine änderung in der Art des Grundstückes und in Verbindung hiermit eine Wertabweichung eingetreten ist. Nach § 225 a Abs. 1 Ziff. 2 AO wird bei einer änderung in der Art des Gegenstandes der bisherige Feststellungsbescheid über einen Einheitswert durch einen Fortschreibungsbescheid ersetzt, wenn die änderung nach dem Feststellungszeitpunkte eingetreten ist und für die Besteuerung von Bedeutung ist. Ergibt sich bei der Anwendung der für die Art des Gegenstandes maßgebenden Bewertungsvorschriften zugleich eine Abweichung im Werte, die die Wertgrenzen des § 22 BewG überschreitet, so ist neben der Artfortschreibung auch eine Wertfortschreibung vorzunehmen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 109/56 U vom 30. Juni 1956, BStBl 1956 III S. 214, Slg. Bd. 63 S. 46).
Die Frage, ob durch die Trümmerbeseitigung und Planierung die Eigenschaft des Grundstückes als bebautes kriegszerstörtes Grundstück beseitigt und das Grundstück zu einem unbebauten wurde, kann dahingestellt bleiben. Auch das Finanzgericht hat seine Entscheidung nicht hierauf gestützt; es hat vielmehr eine änderung in der Art des Grundstückes darin erblickt, daß der Pächter auf ihm ein Gebäude im Sinne des BewG errichtet hat. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Ein Gebäude ist ein Bauwerk auf eigenem oder fremdem Grund und Boden, das Menschen, Tieren oder Sachen durch räumliche Umfriedung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt und fest mit dem Grund und Boden verbunden ist. Außerdem ist zu fordern, daß Menschen in das Bauwerk nicht nur eintreten, sondern sich darin auch aufhalten können, und die räumliche Umschließung eine ausreichende Standfestigkeit hat. Der Einzelfall ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 228/59 U vom 19. Januar 1962, BStBl 1962 III S. 121, Slg. Bd. 74 S. 315). Die räumliche Umschließung und die Möglichkeit des Aufenthaltes von Menschen in dem Bauwerk sind unstreitig gegeben. Das Finanzgericht hat aber auch die Beständigkeit, die feste Verbindung mit dem Grund und Boden und die Standfestigkeit zu Recht bejaht. Ohne Bedeutung für die Beständigkeit eines Bauwerkes ist, wenn es nichts Endgültiges darstellt und nur für eine begrenzte Zeit errichtet wurde. Deshalb geht auch der Einwand des Bf. fehl, bei dem Bauwerke handle es sich nur um einen behelfsmäßigen und vorübergehenden Zustand, die Kündigung könne jederzeit erfolgen und damit die Abbruchsverpflichtung eintreten. Ebenso ist es auf die Beständigkeit ohne Einfluß, wenn es sich um ein verhältnismäßig leichtes Bauwerk handelt. Maßgebend ist allein, ob sich auf Grund der Beschaffenheit des Bauwerkes die Beständigkeit ergibt (Urteil des Bundesfinanzhofs II 44/53 U vom 3. März 1954, BStBl 1954 III S. 130, Slg. Bd. 58 S. 575). Bei der Art des Bauwerkes hat dies die Vorinstanz zu Recht bejaht. Zur Frage der festen Verbindung mit dem Grund und Boden und der Standfestigkeit des Bauwerkes stellte das Finanzgericht auf Grund einer Ortsbesichtigung fest, daß auf dem Grundstücke des Bf. das mittlere der frei im wesentlichen gleichartigen Bauten stehe. Es handle sich um einen Holzbau mit gegossenem Zementfußboden. Vorder- und Hinterwand ständen auf einem kleinen Mauersockel, der - soweit feststellbar - nicht in der Erde ruhe. Die Giebelwände der beiden Nachbarbauwerke, die im Erdboden ständen, bildete die Seitenwände des Bauwerkes. Das Flachdach werde einerseits durch Pfosten gestützt, die im Inneren des Bauwerkes auf dem Boden ständen, andererseits ruhe es auf den Giebelwänden der Nachbarbauwerke. Wenn das Finanzgericht nach diesen Feststellungen die feste Verbindung mit dem Grund und Boden sowie die Standfestigkeit und damit die Gebäudeeigenschaft des Bauwerkes bejaht hat, so liegt hierin kein Rechtsirrtum. Insbesondere ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, daß bereits durch den Zementboden und den Mauersockel, selbst wenn sich dieser nicht im Boden befinden sollte, eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden hergestellt ist (Urteile des Bundesfinanzhofs II 250/51 U vom 9. April 1952, BStBl 1952 III S. 137, Slg. Bd. 56 S. 351; III 5/53 S vom 24. April 1953, BStBl 1953 III S. 156, Slg. Bd. 57 S. 397; II 44/53 U vom 3. März 1954, a. a. O.; II 121/55 U vom 22. Juni 1955, BStBl 1955 III S. 226, Slg. Bd. 61 S. 75; III 228/59 U vom 19. Januar 1962, a. a. O.). Schließlich ist die Frage der festen Verbindung mit dem Grund und Boden und der Standfestigkeit nicht allein nach dem auf dem Grundstücke des Bf. befindlichen Teil des Bauwerkes zu beurteilen, sondern nach dem Gesamtbauwerke, von dem das Bauwerk auf dem Grundstücke des Bf. nur ein Teilstück darstellt. Der Einwand des Bf., eine Bebauung des Grundstückes liege deshalb nicht vor, weil es sich nur um eine "überbebauung" - wie bei einem Verbindungsstück zwischen zwei Gebäuden über eine Straße - handle, geht an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei.
Ist hiernach die Gebäudeeigenschaft des Bauwerkes zu bejahen, so hat sich auch die Eigenschaft des bisherigen Trümmergrundstückes und damit seine Art geändert. Auf ihm befindet sich nunmehr ein von einem Dritten errichtetes Gebäude. Es handelt sich um ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Deshalb müssen einerseits der Grund und Boden und andererseits das Gebäude besonders bewertet werden, wobei der Grund und Boden als unbebautes Grundstück zu behandeln ist (Urteil des Bundesfinanzhofs III 109/52 U vom 8. Mai 1953, a. a. O.). Dieser Artfortschreibung als unbebautes Grundstück steht nicht entgegen, daß das Grundstück auf Grund der Sondervorschriften des Fortschreibungsgesetzes trotz der Zerstörung des Gebäudes bei der Einheitswertfeststellung auf den 21. Juni 1948 noch als bebaut zu behandeln war und keine änderung der Substanz eingetreten ist.
Unbebaute Grundstücke sind mit dem gemeinen Wert zu bewerten (ß 53 BewG). Der für das Quadratmeter angesetzte Wert, der auf den Wertverhältnissen 1935 beruht, wurde vom Bf. nicht angegriffen; er ist auch nach der Aktenlage nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 410841 |
BStBl III 1963, 376 |
BFHE 1964, 156 |
BFHE 77, 156 |