Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Erklärung einer Finanzbehörde als Verwaltungsakt; Gewährung eines Verlustrücktrags
Leitsatz (NV)
1. Die Auslegung der öffentlich-rechtlichen Willenserklärung einer Behörde bestimmt sich maßgeblich danach, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Maßgebend ist die Sicht eines objektiven Betrachters; Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde.
2. Ein Verlustabzug ist i.S. des § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG "zu gewähren", wenn der Verlustabzug bei der Steuerfestsetzung des Rücktragsjahres zu Unrecht unterblieben ist.
3. Ein Antrag auf Vornahme des Verlustrücktrags ist ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO.
Normenkette
AO § 171 Abs. 3; BGB § 133; EStG § 10d Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist die Berücksichtigung eines Verlustrücktrags.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau wurden im Streitjahr 1995 und im Jahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Jahr 1997 erzielte der Kläger nicht ausgeglichene negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer für dieses Jahr daher unter Zugrundelegung eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte auf 0 DM fest. Den nicht ausgeglichenen Verlust berücksichtigte das FA zunächst im (geänderten) Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.
Nachdem der Kläger der Aufforderung des FA nicht nachgekommen war, bestimmte Unterlagen betreffend das Grundstück F-Straße (F) einzureichen, erkannte das FA den --im Klageverfahren unstreitig gewordenen-- Verlust aus der Vermietung dieses Grundstücks nicht mehr an und setzte die Einkommensteuer für 1997 nunmehr bei einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte auf 0 DM fest. Dementsprechend berichtigte das FA mit Bescheid vom 2. Mai 2000 den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und machte den Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 rückgängig. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger im Juni 2000 Einspruch ein, den das FA im März 2002 als unzulässig verwarf.
Nach einer Mahnung des FA wegen Einkommensteuernachzahlungen für die Jahre 1994 und 1995 bat der Kläger mit Schreiben vom 3. August 2000, die Forderung mit dem Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 zu verrechnen. Auf dieses Schreiben wies der Kläger nach einer weiteren Mahnung mit Schreiben vom 19. November 2001 nochmals hin. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 teilte das FA dem Kläger mit, ein Verlust aus dem Jahr 1997 bestehe nicht. Mit Schreiben vom 24. März 2002 wiederholte der Kläger seine Bitte, die Vollstreckung bis zur endgültigen Klärung auszusetzen, da sich die aus den geänderten Steuerbescheiden für die Jahre 1994 und 1995 ergebende Steuerschuld durch den Verlustrücktrag kompensieren würde.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1168, veröffentlichten Urteil das FA, einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 zu erlassen, in dem die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt wird.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt im Wesentlichen vor, der Kläger habe neben seinem Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 keinen Antrag auf Verlustabzug stellen können. Über die Vornahme eines Verlustrücktrags sei bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1995 und damit im Einspruchsverfahren zu entscheiden gewesen. Das Schreiben des Klägers vom 19. November 2001 könne lediglich als Bekräftigung des mit dem Einspruch verfolgten Ziels angesehen werden.
Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es das FA unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 10. Dezember 2001 verpflichtet, einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1995 zu erlassen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Nach im Ergebnis zutreffender Entscheidung des FG ist der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 nach § 10d Abs. 1 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zu ändern und der Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG zu gewähren.
1. Die Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO) ist als Untätigkeitsklage i.S. des § 46 Abs. 1 FGO zulässig.
a) Das FA hat den Antrag des Klägers auf Vornahme des Verlustrücktrags für das Streitjahr durch Verwaltungsakt abgelehnt; das Schreiben des FA vom 10. Dezember 2001 ist als ablehnender Bescheid auszulegen (zum Erfordernis der Ablehnung durch Verwaltungsakt Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, m.w.N.).
aa) Die Auslegung der öffentlich-rechtlichen Willenserklärung einer Behörde bestimmt sich maßgeblich danach, wie der Adressat nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Maßgebend ist die Sicht eines objektiven Betrachters; Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Dies gilt auch für die Frage, ob einer Erklärung Regelungscharakter zukommt (BFH-Urteil in BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, m.w.N.).
bb) Der Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 3. August 2000 die Durchführung des Verlustrücktrags für das Streitjahr beantragt, indem er darum gebeten hat, die angemahnten Steuernachzahlungen für die Jahre 1994 und das Streitjahr mit dem sich aus der Steuererklärung 1997 ergebenden Verlustrücktrag zu "verrechnen". Damit hat der --nicht rechtskundige-- Kläger seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass ihm der Verlustrücktrag für das Streitjahr gewährt werden solle. Mit Schreiben vom 19. November 2001 hat der Kläger das FA auf diesen Antrag hingewiesen und um Überprüfung der Angelegenheit gebeten. Hierin liegt zumindest ein erneuter Antrag auf Durchführung des Verlustrücktrags. Die darauf erfolgte Mitteilung des FA vom 10. Dezember 2001, ein rücktragsfähiger Verlust aus dem Jahr 1997 bestehe nicht, konnte nach dem objektiven Empfängerhorizont des Klägers daher nur als verbindliche Ablehnung des Antrags verstanden werden.
cc) Entgegen der Auffassung des FA war der Kläger durch das anhängige Einspruchsverfahren gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nicht gehindert, daneben einen Antrag auf Durchführung des Verlustrücktrags zu stellen. Wird während eines anhängigen Einspruchsverfahrens ein Antrag auf Änderung des angefochtenen Steuerbescheids gestellt, kann einem solchen Antrag allenfalls das Bescheidungsinteresse fehlen (vgl. Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 172 Rz 51) oder es kann eine gegen die Ablehnung des Antrags gerichtete Verpflichtungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sein (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, BStBl II 1995, 353). Bescheidungsinteresse und Rechtsschutzbedürfnis sind aber jedenfalls dann gegeben, wenn das FA keine neue Sach- und Rechtsprüfung (vgl. § 367 Abs. 2 der Abgabenordung --AO--) durchführen durfte, weil der Einspruch gemäß § 358 Satz 2 AO als unzulässig zu verwerfen war. Denn in diesem Fall kann der Einspruch nicht die Rechte des Steuerpflichtigen wahren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 176, 289, BStBl II 1995, 353). Im Streitfall war der Einspruch des Klägers unzulässig, weil dieser nicht innerhalb der Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO eingelegt worden war. Aus den gleichen Gründen konnte das Schreiben des Klägers vom 19. November 2001 auch nicht --wie das FA meint-- als bloße Bekräftigung des Einspruchs des Klägers aufgefasst werden.
b) Die Klage ist gemäß § 46 Abs. 1 FGO abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, da das FA ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht in angemessener Frist über den Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2001 entschieden hat. Das Schreiben des Klägers vom 24. März 2002 ist als Einspruch auszulegen; der Kläger hat den Einspruch auch --der Bescheid vom 10. Dezember 2001 enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung-- innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO eingelegt.
aa) Außerprozessuale Verfahrenserklärungen sind entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auszulegen. Entscheidend ist, wie das FA als Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Schreibens verstehen musste. Dabei ist bei auslegungsfähigen Rechtsbehelfen grundsätzlich davon auszugehen, der Steuerpflichtige habe denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollen, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhilft. Die unrichtige Bezeichnung des Einspruchs allein schadet nach § 357 Abs. 1 Satz 4 AO nicht. Lässt deshalb die Äußerung eines Steuerpflichtigen ungewiss, ob er einen Rechtsbehelf einlegen will, so ist die Erklärung im Allgemeinen als Rechtsbehelf zu betrachten, um zugunsten des Steuerpflichtigen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 23/04, BFH/NV 2005, 325, m.w.N.).
bb) Nach seinem objektiven Erklärungsinhalt ist das Schreiben des Klägers vom 24. März 2002 als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 10. Dezember 2001 auszulegen. Der Kläger wendet sich darin zwar ausdrücklich nur gegen die Einspruchsentscheidung des FA betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 1997. Er teilt dem FA jedoch zugleich mit, die sich aus den geänderten Steuerbescheiden für die Jahre 1994 und 1995 ergebende Steuerschuld werde durch den Verlustrücktrag in das Streitjahr "kompensiert" und wiederholt seinen Antrag, die Vollstreckung bis zur endgültigen Klärung weiter auszusetzen. Eine endgültige Klärung konnte der Kläger aber nur mit einem Einspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2001 erreichen. Die Auslegung des Schreibens als Einspruch entspricht daher dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 I R 10/05, BFH/NV 2006, 750, m.w.N.).
2. Das FA war gemäß § 10d Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1995 zu ändern und den Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 zu gewähren.
a) Nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG sind für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume bereits erlassene Steuerbescheide insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren oder zu berichtigen ist. Nach § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG gilt dies auch dann, wenn die Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; die Verjährungsfristen enden insoweit nicht, bevor die Verjährungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem Verluste nicht ausgeglichen werden.
§ 10d Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG enthalten gegenüber der Abgabenordnung (AO) eigenständige Korrekturvorschriften (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 97/94, BFHE 189, 63, BStBl II 1999, 762, m.w.N.). Berichtigungsgrund ist allein ein fehlerhafter Verlustabzug; dessen Ursache ist ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 1. September 1998 VIII R 4/97, BFH/NV 1999, 599, m.w.N.). Die Vorschriften bezwecken die richtige und vollständige Verwirklichung des Verlustabzugs und stellen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vor das Vertrauen in dessen Bestand (BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 59/00, BFHE 195, 286, BStBl II 2001, 564, m.w.N.).
§ 10d Abs. 1 Satz 3 EStG enthält darüber hinaus eine Sonderregelung bezüglich der in § 171 AO nicht abschließend geregelten Ablaufhemmung. Verjährungsfrist i.S. dieser Vorschrift ist die Festsetzungsfrist (§ 169 ff. AO). Danach wird der Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustrücktragsjahr bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr insoweit hinausgeschoben, als sich durch die Berücksichtigung des Verlustabzugs der Steuerbetrag ändert. Der Verlustabzug ist insoweit zu berücksichtigen, als für das Verlustentstehungsjahr die Festsetzungsfrist bezogen auf die nicht ausgeglichenen Verluste noch nicht abgelaufen ist (BFH-Urteil vom 4. November 1992 XI R 9/92, BFHE 169, 365, BStBl II 1993, 231).
b) Im Streitfall ist der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG zu ändern, da der Verlustabzug zu gewähren ist.
aa) Ein Verlustabzug ist i.S. dieser Vorschrift "zu gewähren", wenn er bei der Steuerfestsetzung des Rücktragsjahres zu Unrecht unterblieben ist (vgl. von Groll, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10d Rz B 390). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verluste aus dem Jahr 1997 --Grund und Höhe der Verluste sind zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig-- bei der geänderten Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr vom 2. Mai 2000 nicht nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt wurden.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass vor dem Erlass des Änderungsbescheids vom 2. Mai 2000 in der --gleichfalls nach § 10d Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG geänderten-- Steuerfestsetzung für das Streitjahr bereits ein Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 berücksichtigt worden war. Entscheidend ist allein, dass der Verlustabzug im zuletzt ergangenen Steuerbescheid für das Streitjahr zu Unrecht unterblieben und damit zu gewähren ist. Zwar wird in den Gesetzesmaterialien zu § 10d Satz 2 EStG 1975 ausgeführt, entsprechend dem Grundgedanken des § 4 Abs. 3 Nr. 2 des Steueranpassungsgesetzes (§ 175 Nr. 2 AO; jetzt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) könne die Steuerfestsetzung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum insoweit geändert werden, als erstmals ein Verlustabzug zu gewähren oder ein gewährter Verlustabzug zu berichtigen sei (BTDrucks 7/4705, S. 4). Sofern die Begründung dahin zu verstehen sein sollte, dass § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG in Fällen wie dem Streitfall nicht einschlägig sein solle, hat dies im Gesetzeswortlaut jedoch keinen Ausdruck gefunden. Eine Änderung nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG setzt lediglich voraus, dass der Verlustabzug zu gewähren oder zu berichtigen ist. Insoweit besteht auch kein Bedürfnis für eine den Wortlaut korrigierende Auslegung. Denn die Anwendung des § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG auf den Streitfall steht im Einklang mit dem Zweck der Vorschrift, den Verlustabzug richtig und vollständig zu verwirklichen.
cc) Eine Änderung nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG ist entgegen der Auffassung des FA nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger die nicht ausgeglichenen Verluste aus dem Jahr 1997 im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid vom 2. Mai 2000 hätte geltend machen müssen. Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO darf ein Steuerbescheid (nur) aufgehoben oder geändert werden, soweit dies --wie in § 10d Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG-- sonst gesetzlich zugelassen ist. Dies gilt nach § 172 Abs. 1 Satz 2 AO auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist. § 10d Abs. 1 Satz 3 EStG macht dabei deutlich, dass der Gesetzgeber für den Verlustabzug auch bei bestandskräftigen Steuerbescheiden eine Änderungssperre und damit einen Vertrauensschutz erst dann eintreten lassen will, wenn die Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr abgelaufen ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 599).
c) Die Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr war auch nicht wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO unzulässig. Die Festsetzungsfrist ist nicht abgelaufen, da ihr Ablauf nach § 171 Abs. 3 AO i.V.m. § 10d Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 EStG gehemmt wurde.
aa) Der Kläger hatte den Antrag auf Durchführung des Verlustrücktrags für das Streitjahr mit Schreiben vom 19. November 2001 und damit innerhalb der frühestens mit Ablauf des Jahres 2002 endenden Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr 1997 (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) gestellt; der Kläger hatte seine Einkommensteuererklärung 1997 im Jahr 1998 eingereicht.
bb) Durch den Antrag wurde die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer für das Streitjahr gemäß § 171 Abs. 3 AO erneut gehemmt. Nach § 171 Abs. 3 AO läuft eine Festsetzungsfrist, soweit vor ihrem Ablauf ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung gestellt wird, nicht vor der unanfechtbaren Entscheidung über diesen Antrag ab. Ein Antrag auf Vornahme des Verlustrücktrags nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG ist ein Antrag i.S. des § 171 Abs. 3 AO (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356, unter 3. b bb). Dem steht nicht entgegen, dass das FA nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG von Amts wegen zur Änderung des Steuerbescheids des Rücktragsjahres verpflichtet ist (Offizialprinzip). § 171 Abs. 3 AO ist nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift nur Anträge auf Maßnahmen erfassen soll, welche die Behörde nicht von Amts wegen vornehmen muss (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 2006 I R 93/05, BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2031672 |
BFH/NV 2008, 1676 |
HFR 2009, 43 |