Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff "Berufsfortbildungskosten".
Bei einem deutschen Zahnarzt, der in einem Hospital der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland angestellt ist, sind nicht nur die Kosten für die Teilnahme an einem internationalen Zahnärztekongreß in Amerika zu den Werbungskosten (Berufsfortbildungskosten) zu rechnen, sondern auch die Aufwendungen für eine in unmittelbarem Anschluß an den Kongreß durchgeführte, nach ausschließlich beruflichen Gesichtspunkten organisierte Reise zur Vertiefung des durch den Kongreß vermittelten Wissens sowie die Kosten für Besichtigungsfahrten zu einer Zahnklinik und der Praxis eines amerikanischen Zahnarztes.
Normenkette
EStG § 9; LStDV § 20/2
Tatbestand
Der Bf. war im Jahr 1959 als Zahnarzt bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften angestellt. Er hat vom 9. bis 20. September 1959 an der Hundertjahrfeier der American Dental Association der Federation Dentaire Internationale und vom 21. bis 26. September 1959 an einer sich daran anschließenden Studienreise in den Vereinigten Staaten teilgenommen. Vom 28. September bis 2. Oktober 1959 schließlich hat er eine Klinik in den Vereinigten Staaten und die Praxis eines amerikanischen Kollegen besucht. Das Finanzamt hatte am 17. April und am 20. Juni 1959 auf Grund der vom Bf. vorgelegten Quittungen über Anzahlungen von je 500 DM für die überfahrt nach Amerika Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte wegen erhöhter Werbungskosten eingetragen. Als der Bf. eine weitere Erhöhung des Freibetrags wegen der dritten Anzahlung von 500 DM beantragte, lehnte das Finanzamt diesen Antrag ab, widerrief den früher gewährten Freibetrag und setzte einen neuen Freibetrag für 1959 ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für die Fahrt nach Amerika fest. Der Einspruch des Bf. hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht hat die Kosten für die Teilnahme an den eigentlichen Kongreßveranstaltungen vom 14. bis 18. September 1959 sowie die Kosten für die Hin- und Rückfahrt nach Amerika als Werbungskosten anerkannt; desgleichen die Kosten des Aufenthalts für drei weitere Tage (11. bis 13. September 1959), an denen der Bf. im Zusammenhang mit dem Kongreß an den von der American Academy of Implant Dentures veranstalteten wissenschaftlichen Vorträgen (Internationales Seminar) teilgenommen hat. Nach den Bescheinigungen des amerikanischen Vorgesetzten des Bf. und des Bundesverbandes der deutschen Zahnärzte sei anzunehmen, daß dem Bf. gleiche Fortbildungsmöglichkeiten in Deutschland nicht zur Verfügung gestanden hätten. Auch sei New York als Reiseziel für Erholungsreisen, insbesondere für Arbeitnehmer der Einkommensklasse des Bf., nicht typisch. Aus dem Umstand, daß der Arbeitgeber des Bf. sich an den Kosten der Reise nicht beteiligt habe und auch nur einen kurzen Sonderurlaub zusätzlich bewilligt habe, sei nicht zu schließen, daß es sich um eine Privatreise gehandelt habe. Nur für die Zeit vom 19. September bis 2. Oktober 1959 habe der Bf. nicht hinreichend glaubhaft gemacht, daß ein Aufenthalt in Amerika ausschließlich oder weitaus überwiegend beruflichen Zwecken gedient habe. Bei der Nachkongreßreise, an der er vom 21. bis 27. September 1959 teilgenommen habe, könne ebensowenig wie bei den anschließenden Besuchen der Praxis eines amerikanischen Kollegen und einer Klinik ein überwiegend beruflicher Zweck bejaht werden. Von den insgesamt mit 4.799,64 DM angegebenen Aufwendungen seien demnach 2.595 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen. Einen Anspruch auf steuerliche Berücksichtigung des vollen Betrags könne der Bf. auch nicht daraus herleiten, daß das Finanzamt zunächst zwei Anzahlungen für die Kosten der überfahrt als Werbungskosten anerkannt habe.
Der Bf. wiederholt mit der Rb. seinen Antrag auf Anerkennung der gesamten Kosten. Hinsichtlich der Nachkongreßreise führt er aus, daß den Kongreßteilnehmern drei verschiedene Reisen angeboten worden seien. Die erste, an der er teilgenommen habe, habe ausschließlich der beruflichen Fortbildung gedient; die zweite sei als halbberuflich und halbtouristisch, die dritte als rein touristisch bezeichnet gewesen. Seine Nachkongreßreise sei für ihn ebenso wichtig gewesen wie die bei dem Kongreß gehörten Vorträge, weil er dadurch einen Einblick in die praktische Anwendung der bei dem Kongreß erworbenen Erkenntnisse gewonnen habe. Ausflüge seien bei dieser Nachkongreßreise nicht vorgesehen gewesen. Es sei auch nicht möglich gewesen, sich von der Reisegruppe zu entfernen, da man sonst den Anschluß verloren hätte. Bei dem Klinikbesuch während der letzten Tage habe es sich um eine Kinder-Fachzahnklinik gehandelt, die in dieser Art in Europa unbekannt sei. Für ihn als Angestellten eines amerikanischen Hospitals seien diese Besuche wichtig gewesen, da sie ihm Einblicke in die zahnärztliche Tätigkeit vermittelt hätten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Das Finanzgericht hat in der Vorentscheidung zwar zutreffend den ausschließlich beruflichen Charakter der Teilnahme an dem Zahnärztekongreß in New York bejaht und demgemäß die Kosten für die Fahrt nach Amerika und für den Aufenthalt dort vom 11. bis 18. September 1959 als Werbungskosten anerkannt. Es hat jedoch zu Unrecht die Aufwendungen für die übrige Zeit anders beurteilt. Es ist anzunehmen, daß der Bf. sich auch in der Zeit vom 19. September bis zum 2. Oktober 1959 aus überwiegend beruflichen Gründen in den Vereinigten Staaten aufgehalten hat. Die Nachkongreßreise vom 21. bis 26. September 1959 diente, wie der Bf. glaubhaft vorträgt und wie auch aus dem vorgelegten Programm dieser Reise hervorgeht, der Vertiefung des durch den Kongreß vermittelten Wissens. Private Gründe waren für die Teilnahme an dieser Reise allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Bei den beiden anderen Nachkongreßreisen, die den Kongreßteilnehmern angeboten wurden und die der Bf. nicht gewählt hat, mag es anders gewesen sein. Die Reise des Bf. war jedenfalls eine wichtige Ergänzung der Vorträge des Kongresses. Die dafür aufgewendeten Beträge sind deshalb steuerlich nicht anders zu behandeln als die eigentlichen Kongreßkosten.
Das gilt auch für die beiden Besichtigungsfahrten im Anschluß an die Nachkongreßreise vom 28. September bis 2. Oktober 1959. Wenn der Bf. lediglich diese beiden Besichtigungen in Amerika gemacht hätte, wäre es zwar zweifelhaft, ob die Kosten dafür Werbungskosten sind. Da sie jedoch mit der Teilnahme an dem Kongreß zusammenhängen, ist eine isolierte Würdigung nicht angängig. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Bf. als Angestellter der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte in Deutschland daran interessiert war, die amerikanischen Behandlungsmethoden der Zahnheilkunde nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis kennenzulernen. Wenn schon die Kenntnis der zahnärztlichen Tätigkeit in den Vereinigten Staaten für jeden deutschen Zahnarzt wertvoll ist, so gilt dies besonders für den in einem amerikanischen Hospital in Deutschland beschäftigten Bf. Da die Vorgesetzten des Bf. die berufliche Bedeutung seiner Reise durch einen kurzen Zusatzurlaub anerkannt haben, trägt der Senat keine Bedenken, auch die Kosten für die Nachkongreßreise sowie für die Besichtigung der Kinder- Fachzahnklinik und der Praxis eines amerikanischen Zahnarztes als Werbungskosten anzuerkennen.
Die gesamten Kosten der Amerikareise des Bf. waren demnach Werbungskosten. Es erübrigt sich deshalb zu prüfen, ob der ursprünglichen steuerlichen Berücksichtigung der beiden Anzahlungen auf die Fahrtkosten durch das Finanzamt für die endgültige Behandlung der Aufwendungen für die Studienreise Bedeutung beizumessen ist.
Die Vorentscheidung war demnach wegen unrichtiger Auslegung des Begriffs "Fortbildungskosten" im Sinne des § 9 EStG aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache war zur Feststellung des für das Streitjahr maßgebenden Lohnsteuerfreibetrags an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Das Finanzgericht hat jedoch noch zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten nicht um einen angemessenen Betrag für die Haushaltsersparnis zu kürzen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 410571 |
BStBl III 1962, 487 |
BFHE 1963, 603 |
BFHE 75, 603 |