Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ist die besondere Feststellung des nachzuversteuernden Betrages (§ 10a Abs. 1 letzter Satz EStG 1950) unterblieben, so kann der Steuerbescheid ergänzt werden, ohne daß es der Voraussetzungen des § 92 Abs. 3 AO bedarf.
EStG 1950 § 10a.
Normenkette
EStG § 10a
Tatbestand
Strittig ist die Nachversteuerung nicht entnommenen Gewinns. Die Entnahmen des Beschwerdegegners (Bg.) im Kalenderjahr 1953 haben den Gewinn dieses Jahres überschritten.
Der Bg. hat bei seiner Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1950 von der Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn Gebrauch gemacht. Als Sonderausgabe sind 735 DM angesetzt worden. Die besondere Feststellung dieses Betrages ist unterblieben, und zwar nicht nur in dem Steuerbescheid für das Jahr 1950, sondern auch in den Steuerbescheiden für die Jahre 1951 und 1952. Als die vorerwähnten Steuerbescheide auf Grund einer Betriebsprüfung berichtigt und hierbei für das Jahr 1950 wegen nicht entnommenen Gewinns nicht nur 735 DM, sondern 768 DM berücksichtigt wurden, unterblieb die besondere Feststellung wiederum.
Bei der Veranlagung für das Jahr 1953 führte das Finanzamt zunächst keine Nachversteuerung durch. Auf Grund einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt einen berichtigten Steuerbescheid, wiederum ohne die Nachversteuerung durchzuführen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Seine hiergegen eingelegte Berufung nahm der Bg. zurück.
Der Vorsteher des Finanzamts hatte sich der Berufung angeschlossen. Er beantragte, das dem berichtigten Steuerbescheid zugrunde liegende Einkommen um den nachzuversteuernden Betrag zu erhöhen. Um dem Einwand des Bg., daß es an einem besonders festgestellten Betrag fehle, zu begegnen, berichtigte das Finanzamt die berichtigten Steuerbescheide für die Jahre 1950, 1951 und 1952, indem es die besondere Feststellung des nachzuversteuernden Betrages von 768 DM nachholte.
Die Anschlußberufung des Vorstehers des Finanzamts gegen den die Nachversteuerung nicht berücksichtigenden berichtigten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1953 blieb ohne Erfolg. Weil es an einem besonders festgestellten Betrag fehle und die einmal versäumte Feststellung nicht nachgeholt werden könne, sei, so führte das Finanzgericht aus, die Nachversteuerung unzulässig. Die Sprungberufung des Bg. gegen die berichtigten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1950, 1951 und 1952 hatte Erfolg. Das Finanzgericht hielt die auf § 92 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützte Berichtigung für unzulässig, weil keine offenbare Unrichtigkeit vorliege.
Hiergegen wie auch gegen die Zurückweisung seiner Anschlußberufung wendet sich der Vorsteher des Finanzamts mit seinen Rechtsbeschwerden. Der Senat hat beide Sachen verbunden. Die Rechtsbeschwerden sind begründet.
Entscheidungsgründe
Die Pflicht der Nachversteuerung ergibt sich, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, aus § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 und § 58b Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1953 in Verbindung mit § 10a EStG 1950 und § 31 EStDV 1950. Daß im Streitfall eine die Nachversteuerung rechtfertigende Mehrentnahme vorliegt, steht außer Frage. Daß auch ein nachzuversteuernder Betrag vorhanden ist, ist von dem Finanzgericht zu Unrecht verneint worden. Das Finanzgericht irrt, wenn es annimmt, daß die bei der Veranlagung für das Jahr 1950 unterlassene Feststellung des nachzuversteuernden Betrages nicht nachgeholt werden könne, es also an einem nachzuversteuernden Betrag fehle.
Nach § 10a Abs. 1 letzter Satz EStG 1950 ist, wovon auch die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen sind, der als steuerbegünstigt in Anspruch genommene Teil des Gewinns bei der Veranlagung besonders festzustellen. Wenn das Finanzgericht ebenso wie das Finanzamt der Auffassung ist, daß die besondere Feststellung einen Teil des Steuerbescheids bildet, so ist das zwar nicht zu beanstanden. Das besagt aber nicht, daß die Nachholung einer unterlassenen Feststellung nur möglich sei, wenn auch der Steuerbescheid (Steuerfestsetzung) geändert werden könne. Wie sich aus der Vorschrift ergibt, ist die besondere Feststellung "bei" der Veranlagung vorzunehmen. Wenn § 30c EStDV 1950 das dahin ergänzt, daß der als Sonderausgabe abgezogene Betrag zum Zweck der späteren Nachversteuerung bei der Veranlagung "im" Steuerbescheid besonders festzustellen ist, so kann daraus nur gefolgert werden, daß die Feststellung mit dem Steuerbescheid zu verbinden ist, nicht aber, daß der Charakter des Steuerbescheids habe geändert werden sollen, dieser also nunmehr nicht lediglich auf die Festsetzung der Steuer gehe (vgl. §§ 212, 211 Abs. 1 AO), sondern auch die Feststellung des nachzuversteuernden Betrages zum Gegenstand habe und ein einheitliches Ganzes bilde. Die besondere Feststellung steht, wenn sie auch "im" Steuerbescheid zu erfolgen hat, selbständig neben der Steuerfestsetzung. Diese hat mit jener nichts zu tun und umgekehrt. Die Vereinigung "im" Steuerbescheid macht die Feststellung nicht zur Steuerfestsetzung. Ihr Charakter wird dadurch ebensowenig beeinflußt wie die Beurteilung und verfahrensmäßige Behandlung der Abrechnung über die auf die Steuerschuld anzurechnenden Steuern (vgl. § 47 EStG) und der Festsetzung der Vorauszahlungen, welche beiden Maßnahmen ebenfalls "im" Steuerbescheid erfolgen, das heißt mit diesem verbunden werden. Es liegt hier wie dort nur eine äußerliche Verbindung vor. Die Frage, ob eine unterlassene Feststellung nachgeholt werden kann, kann demnach nur aus dem Sinn und Zweck der Feststellung selbst beantwortet werden, ohne daß hierzu aus der Verbindung mit der Steuerfestsetzung etwas zu folgern wäre.
Wird der in einem Steuerbescheid besonders festgestellte Betrag, weil sich weder ein Grund zur Nachversteuerung noch eine neue Begünstigung wegen nicht entnommenen Gewinns ergeben hat, in die folgenden Steuerbescheide unverändert übernommen, so liegt in dieser Übernahme nur ein Hinweis, ein nachrichtlicher Vermerk. Die besondere Feststellung ist nur "bei" derjenigen Veranlagung, für die die Vergünstigung erstmals in Anspruch genommen wird, und - als "Fortschreibung" - bei den darauffolgenden Veranlagungen vorgeschrieben, die zu einer Nachversteuerung führen oder für die die Vergünstigung von neuem in Anspruch genommen wird (vgl. § 30c EStDV 1950). Erfolgt die "besondere Feststellung", ohne daß einer der vorerwähnten Fälle vorliegt, so handelt es sich nur um eine Übernahme des einmal festgestellten Betrages, der keine Feststellung im eigentlichen Sinne zugrunde liegt. Es mag fraglich erscheinen, ob die Übernahme des unveränderten Betrages für die Nachversteuerung überhaupt erforderlich ist. Jedenfalls ist aber, falls diese (nicht vorgeschriebene) Übernahme fehlt, die Nachholung jederzeit möglich.
Ob die vorgeschriebene Feststellung ebenfalls nur einen nachrichtlichen Vermerk oder aber einen Feststellungsbescheid darstellt, braucht für den Streitfall nicht entschieden zu werden. Handelt es sich nur um einen nachrichtlichen Vermerk, so ist die Nachholung, hier also die entsprechende Ergänzung des Steuerbescheids für das Jahr 1950, ohne weiteres möglich. Handelt es sich um einen Feststellungsbescheid, so ergibt sich die Möglichkeit der Ergänzung ebenfalls. Wie bereits dargelegt, muß die besondere Feststellung, wenn sie auch "im" Steuerbescheid vorzunehmen ist, für sich betrachtet werden, weil sie mit der Steuerfestsetzung selbst nichts zu tun hat. Fehlt sie, so kann sie, wie sich aus der gesonderten Betrachtung ergibt, ohne weiteres nachgeholt werden. Für sie gilt nichts anderes als für einen Feststellungsbescheid, der versehentlich nicht erlassen worden ist. Auch dieser kann noch nachträglich erlassen werden, ohne daß es auf das Vorliegen besonderer Voraussetzungen ankäme.
Die angefochtenen Urteile sind danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Soweit es um den berichtigten Steuerbescheid für die Jahre 1950, 1951 und 1952 geht, ist die Sache spruchreif. Die Frage der Ehegattenbesteuerung spielt hier keine Rolle, weil es bei den berichtigten Steuerbescheiden nicht um die Steuerfestsetzung selbst, sondern nur um die dieser gegenüber, wie ausgeführt, selbständige besondere Feststellung geht. Die Sprungberufung ist also als unbegründet zurückzuweisen.
Soweit es um den berichtigten Steuerbescheid für das Jahr 1953 geht, ist die Sache nicht spruchreif. Sie ist unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurückzuverweisen, das die Nachversteuerung durchzuführen hat.
Zu dem von dem Bg. hilfsweise gestellten Antrag, die Nachversteuerungspflicht durch Zahlung von 10 v. H. des nachzuversteuernden Betrages abzulösen, ist zu beachten: Der Antrag mußte nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 des Ersten Teiles des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953 (Bundesgesetzblatt 1953 Teil I S. 413, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 Teil I S. 192) bis zum Ende der Frist für die Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 1953 gestellt werden. Die Frist ist verstrichen. Die für die Stellung des Ablösungsantrages vorgesehene Frist ist eine Ausschlußfrist; da sie weder für die Einlegung eines Rechtsmittels noch für die eines rechtsmittelähnlichen Behelfs gesetzt ist, kann Nachsicht nicht gewährt werden (vgl. dazu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 206/56 U vom 21. November 1957 (BStBl 1958 Teil III S. 49, Slg. Bd. 66 S. 124).
Fundstellen
Haufe-Index 409211 |
BStBl III 1959, 46 |
BFHE 68, 119 |