Entscheidungsstichwort (Thema)

Gruppenunfallversicherung keine Direktversicherung

 

Leitsatz (NV)

Eine Gruppenunfallversicherung ohne Prämienrückgewähr ist keine Direktversicherung i. S. des § 40 b Abs. 1 EStG.

 

Normenkette

EStG § 40b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloß für mehrere ihrer Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung ab, die Unfallschäden im beruflichen und privaten Bereich abdeckte. Die Versicherung gewährte bei Unfallschäden mit Todesfolge und bei dauernder Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Entschädigung. Eine Prämienrückgewähr war nicht vorgesehen. Die Klägerin versteuerte die Beiträge pauschal gemäß § 40 b des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß die Beiträge für die Unfallversicherung, soweit sie den Zukunftssicherungsfreibetrag übersteigen, steuerpflichtiger Arbeitslohn der Arbeitnehmer seien und eine Pauschalierung nicht in Betracht komme.

Gegen den auf § 42 d EStG gestützten Haftungsbescheid erhob die Klägerin Sprungklage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abwies. Das FG führte aus: Die Gruppenunfallversicherung sei keine Direktversicherung i. S. des § 40 b EStG. Diese Vorschrift sei durch § 19 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 - BetrAVG - (BStBl I 1975, 22, 33) in das EStG aufgenommen worden. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG sei eine Direktversicherung eine vom Arbeitgeber (Versicherungsnehmer) auf das Leben des Arbeitnehmers (Versicherten) abgeschlossene Versicherung, bei der der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Es sei aufgrund der Entstehungsgeschichte davon auszugehen, daß der Begriff der Direktversicherung in beiden Gesetzen einheitlich verwendet werde. Die Unfallversicherung ohne Beitragsrückgewähr zähle versicherungsrechtlich nicht zu den Lebensversicherungen. Die Beiträge des Arbeitgebers zur Unfallgruppenversicherung dienten auch nicht - wie es § 40 b EStG für eine Direktversicherung voraussetze - der Altersversorgung der Arbeitnehmer. Es solle vielmehr das Unfallrisiko abgedeckt werden. Die unterschiedliche Behandlung der Beiträge zu den verschiedenen Versicherungen verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Selbst wenn der Versorgungsweg über eine Pensionskasse Invaliditätsansprüche mitabgelte, sei dies von untergeordneter Bedeutung, weil durch die Anhäufung eines Deckungsstocks die betriebliche Altersversorgung im Vordergrund stehe. Das FG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin stützt ihre Revision auf eine Verletzung des § 40 b EStG, hilfsweise des Gleichheitssatzes des Art. 3 GG und trägt vor: Die selbständige Gruppenunfallversicherung sei eine Direktversicherung i. S. des § 40 b EStG. Die Schlußfolgerung des FG, für die Auslegung des in § 40 b EStG verwendeten Begriffs der Direktversicherung sei die in § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG gegebene Definition maßgebend, sei nicht zwingend. Selbständige Unfallversicherungen ohne Prämienrückgewähr könnten nicht unter den Begriff der Direktversicherung in § 1 BetrAVG fallen, weil sich bei ihnen kein Deckungskapital aufbaue, dessen der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlustig gehen könne. § 1 BetrAVG habe deshalb einen anderen Regelungsinhalt als § 40 b EStG. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei auch nicht erforderlich, daß die in § 40 b EStG geregelte Direktversicherung der Altersversorgung diene. Es werde vielmehr auch die Invaliditätsversorgung erfaßt. Die Abdeckung des Risikos der Invalidität aufgrund eines Unfalles falle daher in den Regelungsbereich des § 40 b EStG. Im übrigen verstoße § 40 b EStG gegen Art. 3 GG, wenn er entsprechend der Auffassung des FG ausgelegt werde. Es gebe Pensionskassen, die lediglich das Invaliditätsrisiko absicherten und trotzdem unter § 40 b EStG fielen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Auffassung des FG, daß die von der Klägerin abgeschlossene Gruppenunfallversicherung ohne Prämienrückgewähr nicht unter § 40 b EStG fällt, ist rechtsfehlerfrei.

a) Der Begriff der Direktversicherung ist im EStG nicht definiert. Er ist auslegungsfähig. Die vom FG vorgenommene Auslegung dieses Begriffes entsprechend der in § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG aufgestellten Legaldefinition entspricht der Intention des Gesetzgebers. Dieser ist davon ausgegangen, daß eine Unfallversicherung von § 40 b EStG gemäß der Definition in § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG nicht erfaßt wird. Denn er hat durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 (WoBauFG) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, 2414) in § 40 b EStG einen Absatz 3 eingefügt, durch den Beiträge für eine Unfallversicherung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber einer pauschalen Lohnsteuer unterworfen werden können. Dieser Ergänzung hätte es, entspräche die von der Klägerin erstrebte Auslegung des § 40 b Abs. 1 EStG der Vorstellung des Gesetzgebers, nicht bedurft. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß in der amtlichen Begründung (BTDrucks 11/5970, S. 41) zur Einfügung eines Absatzes 3 ausgeführt ist, nach Aufhebung des Zukunftssicherungsfreibetrags von 312 DM in § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung müßten künftig Arbeitgeberfreibeträge zur Gruppenunfallversicherung der Arbeitnehmer als Arbeitslohn versteuert werden. Demgegenüber könnten die bisher ebenfalls im Rahmen des Zukunftssicherungsfreibetrags steuerbefreiten Beiträge für die Direktversicherung und Zuwendungen an Pensionskassen nach § 40 b EStG pauschal versteuert werden. Um derart unterschiedliche Folgen auszuschließen, erscheine es geboten, die Möglichkeit der Lohnsteuer-Pauschalierung des § 40 b EStG auf Beiträge zu Gruppenunfallversicherungen auszudehnen. Die vorgesehene Ergänzung des § 40 b EStG enthalte eine eigenständige Pauschalierungsregelung, die auf eine durchschnittliche Beitragsleistung von 120 DM jährlich begrenzt sei. Diese Pauschalierungsgrenze werde den tatsächlichen Verhältnissen ausreichend gerecht.

Die Auslegung des Begriffs der Direktversicherung durch die Vorinstanz steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Dieser hat unter Hinweis auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG unter einer Direktversicherung i. S. des § 40 b EStG eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers verstanden, die für die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossen worden ist und aus der der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind (vgl. Urteil vom 9. November 1990 VI R 164/86, BFHE 163, 53, BStBl II 1991, 189, 191). Eine solche Versicherung ist die streitbefangene Gruppenunfallversicherung nicht.

Daß eine Gruppenunfallversicherung nicht unter § 40 b EStG fällt, entspricht schließlich auch der allgemeinen Meinung im Schrifttum (vgl. Trzaskalik in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 40 b Rdnr. B 5; Giloy in Kirchhof / Söhn, a. a. O., § 19 Rdnr. B 775; Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 40 b EStG Anm. II 1; Barein in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 40 b Rdnr. 10; Altehoefer in Lademann / Söffing / Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 40 b Anm. 26, 74 a; Fichtelmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 40 b Rdnr. 11; Ahrend / Förster / Rößler in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 40 b EStG Rz. 6).

b) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt die unterschiedliche Behandlung von Gruppenunfallversicherungen und den von § 40 b EStG erfaßten Direktversicherungen in der für die Streitjahre 1984 und 1985 maßgebenden Fassung des EStG auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die unterschiedliche gesetzliche Regelung für Versicherungen, die unterschiedliche Risiken absichern, lag vielmehr unter Berücksichtigung des in den Streitjahren zu gewährenden Zukunftssicherungsfreibetrages im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessensspielraums. Selbst wenn aber die Behauptung der Klägerin zutrifft, daß es Pensionskassen gibt, die - ebenso wie die streitige Gruppenunfallversicherung - ausschließlich ein Unfallrisiko absichern, handelt es sich dabei um einen Ausnahmesachverhalt von so untergeordneter Bedeutung, daß er vom Gesetzgeber vernachlässigt werden konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63608

BFH/NV 1992, 242

NWB 1993, 364

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