Leitsatz (amtlich)
Nach Ablösung der öffentlichen Mittel für den Wohnungsbau ist der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Mietwohnhaus auch dann anhand der erzielbaren Miete für eine Vergleichswohnung zu ermitteln, wenn die Inhaber der eigenen Wohnung eine Sozialwohnung beanspruchen könnten.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Mietwohnhaus.
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Steuerpflichtige) sind Miterben des Mietwohngrundstücks X. Beide haben dort je eine Wohnung inne. Das im Kriege zerstörte Gebäude wurde im Jahre 1952 unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel wieder errichtet. Im Jahre 1965 lösten die Steuerpflichtigen die öffentlichen Baudarlehen ab und erreichten damit die Freistellung von der sozialen Mietbindung bei Abschluß neuer Mietverhältnisse. Infolgedessen wurde im Streitjahr 1965 ein gegenüber dem Vorjahr um 27 v. H. erhöhtes Mietaufkommen erzielt. Dementsprechend erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) mit dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für 1965 den Mietwert für die eigengenutzten Wohnungen gegenüber dem erklärten Betrag um 27 v. H. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus, der nach § 21 Abs. 2 EStG steuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus sei gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit den üblichen mittleren Mietpreisen am Wohnort anzusetzen. Im vorliegenden Fall sei der Nutzungswert zutreffend nach den vergleichbaren Mieten im selben Haus bemessen worden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision machen die Steuerpflichtigen Verletzung des Gleichheitssatzes geltend, vor allem weil sie als Angehörige des Kreises von Personen, die eine Sozialwohnung beanspruchen könnten, nicht schlechtergestellt werden dürften als die Mieter in den bisher bezuschußten Sozialwohnungen.
Die Steuerpflichtigen beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Mietwert der eigengenutzten Wohnungen anderweit festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Besteuerung der Wohnung im eigenen Hause ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BFH mit dem GG vereinbar (vgl. Entscheidungen des BVerfG 1 BvR 488/57 vom 3. Dezember 1958, BVerfGE 9, 3, BStBl I 1959, 68, und 1 BvR 587/70 vom 2. Oktober 1970, HFR 1970, 607, DB 1971, 121; sowie BFH-Urteil VI R 17/67 vom 17. Oktober 1969, BFH 97, 117, BStBl II 1970, 60). Der Gleichheitssatz wird auch nicht durch die vom FA vorgenommene Erhöhung des Nutzungswerts der eigengenutzten Wohnungen verletzt. Denn diese Erhöhung ist nicht willkürlich; sie entspricht vielmehr dem geltenden Einkommensteuerrecht.
Das FA hatte den Nutzungswert im Wege der Schätzung nach § 217 AO zu ermitteln. Hierfür ist nach der ständigen BFH-Rechtsprechung von der für andere Wohnungen im Hause erzielten Miete auszugehen (vgl. noch BFH-Entscheidung VI R 250/68 vom 10. April 1970, BFH 99, 359, BStBl II 1970, 680). Auch dieser Rechtsprechung tritt der erkennende Senat bei. Wie das FG mit Recht bemerkt, kommt es für die Bemessung des Nutzungswerts allein auf die für eine erzielbare Miete maßgeblichen Umstände an. Unterliegt die Wohnung keiner Mietpreisbindung, so ist es für die Höhe des Mietzinses im allgemeinen unerheblich, ob der Wohnungsinteressent eine Sozialwohnung beanspruchen könnte. Für die Errechnung des fiktiven Nutzungswerts kann nichts anderes gelten. Die eigengenutzten Wohnungen sind im Streitfall nicht mehr mietpreisgebunden. Die Steuerpflichtigen haben nicht dargetan, daß sie diese Wohnungen einem fremden Mieter verbilligt überlassen hätten. Im übrigen ist die Schätzung für die Steuerpflichtigen insofern günstig, als das FA seiner Berechnung einen Durchschnittswert aus den teils frei vereinbarten, teils noch mietvertraglich gebundenen Mietpreisen zugrunde gelegt hat. Der Senat läßt dahingestellt, ob er dieser Berechnungsweise allgemein folgen würde. Es bedarf hier keiner näheren Erörterung dieser Frage, weil die Besteuerungsgrundlage im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren wegen des Verbots der Änderung zum Nachteil der Steuerpflichtigen nicht höher festgesetzt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 413118 |
BStBl II 1972, 419 |
BFHE 1972, 538 |