Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung an die Ehefrau als Betriebsausgabe; Pauschalversteuerung von nachentrichteten Sozialversicherungsleistungen; Anschlußrevision
Leitsatz (NV)
1. Eine (unselbständige) Anschlußrevision kann nur für die Jahre erklärt werden, die mit der Hauptrevision angefochten worden sind.
2. Für die Abfindung können zur Beurteilung der betrieblichen Veranlassung die Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung von Rückstellungen für Pensionszusagen an nahe Angehörige und für die Anerkennung von Direktversicherungsleistungen als Betriebsausgaben entwickelt hat.
3. Zahlungen an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Nachversicherung sind weder Beiträge für eine Direktversicherung noch Zuwendungen an eine Pensionskasse i. S. des § 40b EStG. Diese Zahlungen können - z. T. - gemäß § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG steuerfrei sein.
Normenkette
EStG § 3 Nrn. 62, 4 Abs. 4, § 40b; FGO § 155; ZPO § 556
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger, Revisionskläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betrieb ein Kultur- und Tiefbauunternehmen. Er gewährte seiner seit 1970 im Betrieb arbeitenden Ehefrau anläßlich ihres Ausscheidens durch Kündigung aufgrund schriftlicher Vereinbarung vom 10. Dezember 1975 eine Abfindung in Höhe von 24 000 DM und zahlte zusätzlich zu ihren Gunsten an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Betrag von 18 000 DM zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Sozialversicherung. Der Vereinbarung vom 10. Dezember 1975 lag § 7 des vom Beklagten, Revisionsbeklagten, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) steuerlich anerkannten Arbeitsvertrages von 1970 zugrunde, in dem der Kläger seiner Ehefrau - ebenso wie anderen Arbeitnehmern seines Betriebes - betriebliche Leistungen zur Zukunftssicherung in Aussicht gestellt hatte. Für die Versicherungsbeiträge führte der Kläger eine Pauschalversteuerung (§ 40b Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) durch. Alle Aufwendungen behandelte der Kläger als Betriebsausgaben im Jahre 1975.
Das FA sah in der Entschädigung und in der Versicherungsprämie private Aufwendungen bzw. für das Jahr 1976 vorausbezahlten Lohn und änderte entsprechend die Einkommensteuerbescheide 1975 und 1976.
Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Auf die Klage hin erkannte das Finanzgericht (FG) die nachentrichteten Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben des Jahres 1975 an und ließ sie bei der Klägerin steuerfrei. Im übrigen wies es die Klage ab.
Gegen das den Klägern am 22. März 1984 zugestellte Urteil legten sie am 24. April 1984 beim FG Revision ein.
Das FA erhob am 26. April 1984 Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG mit Beschluß vom 17. Mai 1984, zugestellt an die Beteiligten am 28. Mai 1984, abhalf. Mit Schreiben vom 7. Juni 1984 (Eingang beim FG 7. Juni 1984) legte das FA Revision ein, soweit es den Einkommensteuerbescheid 1975 betraf.
Die Kläger legten mit Schriftsatz vom 27. Juli 1984 (eingegangen beim Bundesfinanzhof - BFH - am 30. Juli 1984) Anschlußrevision ein.
Das FA trägt zur Begründung seiner Revision vor, die vom FG gebilligte Pauschalversteuerung nach § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG entspreche nicht dem geltenden Recht. § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG komme nur für Beiträge zu Direktversicherungen und für Zuwendungen an Pensionskassen in Betracht. Diese Voraussetzung sei bei Nachversicherungsbeiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung nicht erfüllt.
In weiteren Schreiben (Schriftsätze vom 18. September, 10. Oktober 1984 und 24. Mai 1985) trägt das FA vor, das FG habe zu Unrecht die Nachversicherungsbeiträge in voller Höhe steuerfrei gelassen. Gemäß § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG seien nur 7 252 DM als steuerfreie Zuwendungen an die Klägerin zu behandeln zuzüglich des Zukunftssicherungsfreibetrages von 312 DM (§ 3 Nr. 62 EStG i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1975). Das FG habe zu Unrecht die gesamten 18 000 DM nach § 40b EStG bei den Einkünften der Klägerin außer Ansatz gelassen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als das FG die Pauschalversteuerung nach § 40b Abs. 2 Satz 3 EStG i. V. m. Abs. 1 gebilligt habe, und die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 22. November 1988 schränkt das FA den Revisionsantrag hinsichtlich der steuerfrei zu belassenden Beträge in Höhe von 7 252 DM und 312 DM ein.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1975 und 1976 dahin zu ändern, daß die Abfindungszahlung von 24 000 DM neben der Zahlung von 18 000 DM zur Nachversicherung als Betriebsausgaben des Jahres 1975 anerkannt und für die Zahlung an die BfA die Pauschalversteuerung nach § 40b EStG zugelassen werde.
Sie führen aus, daß die Abfindungszahlung betrieblich veranlaßt sei. Der Kläger habe gezahlt, um einen Kündigungsschutzprozeß zu vermeiden. Außerdem bestünde ein Vergleichsfall aus dem Jahre 1980. Der Kläger habe damals ebenfalls eine Abfindung in vergleichbarer Höhe gezahlt.
Entscheidungsgründe
1. Die von den Klägern am 24. April 1984 eingelegte Revision ist unzulässig, weil sie nicht fristgemäß bis zum 24. Mai 1984 begründet wurde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); sie war daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
2. Die Revision des FA ist zulässig. Soweit der ursprüngliche Antrag des FA ziffernmäßig eingeschränkt worden ist, liegt keine Klageänderung vor, die im Revisionsverfahren gemäß § 123 FGO unzulässig wäre. Die Beschränkung des Antrages ist gemäß § 155 FGO, § 264 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) keine Klageänderung (BFH-Urteil vom 16. Juli 1969 I R 81/66, BFHE 96, 510, BStBl II 1970, 15).
3. Die Anschlußrevision der Kläger ist zulässig, jedoch unbegründet, soweit sie das Streitjahr 1975 betrifft. Im übrigen war sie als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
a) Der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Kläger vom 27. Juli 1984 genügt den an eine Anschlußrevision zu stellenden Anforderungen. Es handelt sich um eine nach § 155 FGO i. V. m. § 556 Abs. 2 ZPO statthafte unselbständige Anschlußrevision (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 16. Dezember 1970 2 RU 239/68, BSGE 32, 169; Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 25. März 1960 1 AZR 221/58, BAGE 9, 123). Die Anschlußrevision ist form- und fristgerecht eingelegt (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534).
b) Die Anschlußrevision der Kläger war unzulässig, soweit sie sich auf das Jahr 1976 bezog, da der Anschluß nur für die Jahre erklärt werden kann, die mit der Hauptrevision angefochten worden sind (BFH-Urteil vom 17. November 1964 VI 39/63 U, BFHE 81, 494, BStBl III 1965, 178). Das FA hat nur bezüglich des Jahres 1975 Revision eingelegt. Die Steuerbescheide 1976 sind daher bestandskräftig geworden.
c) Die das Streitjahr 1975 betreffende zulässige Anschlußrevision ist unbegründet, soweit der Kläger den Ansatz der Abfindung in Höhe von 24 000 DM als Betriebsausgabe begehrt. Das FG hat zu Recht diese Abfindung als nicht betrieblich veranlaßt gewertet (dazu unter 4a der Entscheidung).
Der weitere Antrag, die Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 18 000 DM der Pauschalversteuerung nach § 40b EStG zu unterwerfen, entspricht inhaltlich dem Antrag, die Revision des FA zurückzuweisen, und ist aus den unter 4c genannten Gründen erfolglos.
4. Die vom FA im eingeschränkten Umfange aufrechterhaltene Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
a) Das FG hat zu Recht die Abfindungszahlungen in Höhe von 24 000 DM nicht als Betriebsausgabe angesehen.
Für die Abfindung können zur Beurteilung der betrieblichen Veranlassung die Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung von Rückstellungen für Pensionszusagen an nahe Angehörige und für die Anerkennung von Direktversicherungsleistungen als Betriebsausgaben entwickelt hat (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1984 VIII R 95/84, BFHE 143, 127, BStBl II 1985, 327; vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173). Die Zusage einer Abfindungszahlung an einen ArbeitnehmerEhegatten ist demzufolge steuerlich anzuerkennen, wenn sie betrieblich veranlaßt ist. Dies liegt vor, wenn
aa) die Abfindungsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach angemessen ist,
bb) wenn insoweit eine Zahlungsverpflichtung eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt ist,
cc) wenn ein steuerlich anerkanntes Arbeitsverhältnis besteht,
dd) wenn auch familienfremde Arbeitnehmer unter vergleichbaren Verhältnissen eine entsprechende Abfindung erhalten hätten (vgl. Urteil in BFHE 143, 127, BStBl II 1985, 327).
Auf den Streitfall angewendet ergeben die vorstehenden Erwägungen, daß die Abfindungszusage des Klägers an seine Ehefrau nicht als betrieblich veranlaßt zu werten ist. Zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau bestand zwar ein steuerlich anerkanntes Arbeitsverhältnis. Auch wurde die Abfindung eindeutig vereinbart und durchgeführt. Gleichwohl ist das FG aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß die Abfindungszusage nicht betrieblich veranlaßt war. Das FG hat aus dem festgestellten Sachverhalt revisionsrechtlich unangreifbar gefolgert, daß die Kündigung der Klägerin wegen der ungünstigen Entwicklung des Betriebes sozial gerechtfertigt war. Bei dieser Rechtslage hätte der Kläger im Jahre der Abfindungszahlung einem familienfremden Arbeitnehmer eine vergleichbare Abfindung nicht gewährt.
Der vom Kläger vorgetragene Vergleichsfall aus dem Jahre 1980 führt zu keinem anderen Ergebnis, da es sich im Streitjahr nicht um vergleichbare Verhältnisse handelt (vgl. Urteil in BFHE 143, 127, BStBl II 1985, 327). Denn im Jahre 1980 wollte der Kläger an die freiwerdende Arbeitsstelle seine Tochter setzen. Die Geschäftslage war damals im Gegensatz zum Streitjahr gut. Die Kündigung der Angestellten St wäre damit weit eher anfechtbar gewesen als die seiner Frau im Jahre 1977. Zur Vermeidung eines Prozesses hatte der Kläger im Jahre 1980 die Abfindung daher an seine Angestellte gezahlt.
b) Das FG hat auch zu Recht die zugunsten der Klägerin geleisteten Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben gewertet. Die Zahlung beruhte auf einem Vertrag, den der Kläger auch mit familienfremden Arbeitnehmern abgeschlossen hätte und im Jahre 1980 in einer vergleichbaren Weise auch vereinbart hat (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 53/77, BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450). Im Jahre des Ausscheidens der Klägerin hätte der Kläger auch einem fremden Arbeitnehmer aufgrund des bestehenden Vertrages diese Beträge bezahlt. Die der Klägerin gewährte Versorgungsleistung war nicht unangemessen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1976 I R 124/73, BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112) und wurde, wie vertraglich zugesagt, auch gewährt.
c) Das angefochtene Urteil konnte jedoch keinen Bestand haben, da das FG zu Unrecht angenommen hat, daß die Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 40b EStG der Pauschalversteuerung unterliegen. Das FG hat zu klären, ob diese Beiträge teilweise nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei sind.
aa) Nach § 40b EStG 1975 kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer auf Beiträge für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und für Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 10 v. H. erheben, soweit diese nicht steuerfrei sind.
Die Zahlungen des Klägers an die BfA zugunsten der Klägerin waren weder Beiträge für eine Direktversicherung noch Zuwendungen an eine Pensionskasse.
Eine Direktversicherung ist eine vom Arbeitgeber (Versicherungsnehmer) auf das Leben des Arbeitnehmers (Versicherter) abgeschlossene Versicherung, bei der der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder zum Teil bezugsberechtigt sind (Legaldefinition in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung - BetrAVG - vom 19. Dezember 1974, BGBl I 1974, 3610, BStBl I 1975, 22).
Eine Pensionskasse ist gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen einen Rechtsanspruch auf ihre Leistung gewährt. Unter betrieblicher Altersversorgung versteht § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses.
Leistungen an die BfA zur Nachversicherung sind keine Beiträge für eine Direktversicherung i. S. des § 40b Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 EStG 1975. Den Zahlungen an die BfA liegt kein Lebensversicherungsvertrag zugrunde.
Die BfA fällt auch nicht unter den Begriff der Pensionskassen, denn die Leistungen der BfA stellen keine betriebliche zusätzliche Altersversorgung dar.
bb) Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die bisherigen Feststellungen des FG lassen eine Sachentscheidung nicht zu. Das FG hat noch festzustellen, in welcher Höhe die Beiträge, die der Kläger zur Nachversicherung an die BfA zugunsten der Klägerin bezahlt hat, der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 62 Satz 2 Buchst. b EStG unterliegen.
Gemäß § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG werden den Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet werden, ,,Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers gleichgestellt für . . . b) die freiwillige Weiterversicherung in einer gesetzlichen Rentenversicherung, . . . wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden ist". Die Zuschüsse sind gemäß § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG der Höhe nach beschränkt.
Weder das FA noch das FG haben geprüft und festgestellt, ob die Klägerin so, wie es § 3 Nr. 62 Satz 2 letzter Halbsatz EStG verlangt, ,,von der Versicherungspflicht befreit worden ist". Das FG hat lediglich festgestellt, daß die Klägerin ab 1970 beim Kläger beschäftigt war. Ob sie in dem Versicherungszeitraum (1963 bis 1969), für den die Zuschüsse gezahlt worden sind, von der Versicherungspflicht auf Antrag (vgl. Abschn. 11 IV der Lohnsteuer-Richtlinien 1975) befreit worden ist, ist den Feststellungen des FG nicht zu entnehmen.
Ferner hat das FG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - die Höhe der steuerbegünstigten Zuschüsse nicht festgestellt.
Sollten die Voraussetzungen des § 3 Nr. 62 Satz 2 Buchst. b EStG vorliegen, so hat das FG auch dies - unter Beachtung der Beschränkung des Rechtsmittels - noch zu ermitteln.
Aus diesen Gründen war das Urteil teilweise aufzuheben und zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416229 |
BFH/NV 1989, 577 |