Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigung ohne Rückgabe der Erstrechnung
Leitsatz (NV)
Hat ein Unternehmer in einer Rechnung für eine steuerfreie Leistung Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, kann er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980). Voraussetzung dafür ist, daß dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung zugeht. Die Rückgabe der ursprünglichen Rechnung durch den Leistungsempfänger ist nicht erforderlich. Die Wirksamkeit der Berichtigung hängt nicht davon ab, ob das FA die Ansprüche aus der gebotenen Vorsteuerberichtigung gegen den Leistungsempfänger durchsetzen kann.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 2-3, § 17; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin erteilte ihren Kunden aufgrund entsprechender Vereinbarungen in den Jahren 1976 bis 1979 zusätzlich zu den Kaufpreisrechnungen Wechselabrechnungen, in denen sie diese mit dem Diskont und einem hierauf berechneten und gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag belastete. Nachdem ihr das BMF-Schreiben vom 25. Februar 1982 (BStBl I 1982, 381) bekannt geworden war, ging sie von steuerfreien Kreditgewährungen aus und adressierte im Jahr 1982 an solche Abnehmer, die in Zahlungsrückstand waren, inzwischen aber nicht mehr existierten oder sich in Konkurs oder Liquidation befanden, Schreiben, in denen sie ausführte, sie berichtige die Inrechnungstellung von Mehrwertsteuer auf Finanzierungskosten, so daß bei gleichbleibendem Endbetrag sich das Nettoentgelt für die Finanzierung auf den bisherigen Bruttobetrag erhöhe und den Steuerbetrag auf 0 DM mindere. Bis auf den Fall H, bei dem das Berichtigungsschreiben an den Konkursverwalter gesandt wurde, wurden diese Schreiben ihren Adressaten nicht zugestellt, sei es, daß sie nicht abgesandt wurden, sei es, daß sie als unzustellbar zurückkamen.
Das FA lehnte die von der Klägerin begehrte Umsatzsteuererstattung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980) ab. Die Klage blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die auf den Fall H beschränkte Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung. Der BFH bestätigte seine Rechtsprechung, wonach § 14 Abs. 2 Satz 2 (und nicht Abs. 3) auch die Fälle erfaßt, in denen ein Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer für steuerfreie Umsätze gesondert ausweist, und wonach die Berichtigung des Steuerbetrags i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 nicht nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß der leistende Unternehmer die sog. Erstrechnung zurückerhält (Urteil vom 29. Oktober 1992 V R 48/90, BFHE 169, 559, BStBl II 1993, 251, HFR 1993, 263). Es sei Aufgabe der Finanzverwaltung zu prüfen - so führte der BFH aus -, ob der Leistungsempfänger die ihm obliegende Vorsteuerberichtigung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980) durchgeführt habe.
Die Berichtigung des Steuerbetrags müsse durch den Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen. Aus der Berichtigung müsse hervorgehen, daß der leistende Unternehmer über seine Leistung statt unter Ansatz des ursprünglich angesetzten Steuerbetrags nunmehr nur noch auf der Grundlage einer niedrigeren Umsatzsteuer abrechnen wolle.
Der BFH konnte nicht zur Sache entscheiden, weil das FG den Inhalt der dem Konkursverwalter im Fall H zugegangenen Berichtigungsmitteilung nicht im einzelnen festgestellt hatte. Der BFH gab hierzu folgende Hinweise:
Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980, die nach ihrem Wortlaut eine Berichtigung des ,Steuerbetrags fordert, setzt nicht voraus, daß für jede Rechnung, in der Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen war, eine eigene Berichtigungserklärung abgegeben wird. Vielmehr können mehrere Berichtigungen in einer einzigen Korrekturmitteilung zusammengefaßt werden. Diese Mitteilung muß aber erkennen lassen, auf welche Steuerbeträge im einzelnen sich die Berichtigung beziehen soll. Die Zusammenfassung mehrerer zu berichtigender Steuerbeträge in einer Summe ohne nachvollziehbare Angabe der betroffenen Rechnungen genügt den Anforderungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 nicht.
§ 14 Abs. 2 Satz2 UStG 1980 steht auch der Zusammenfassung der Berichtigungen gegenüber mehreren Rechnungsempfängern unter der Voraussetzung nicht entgegen, daß die Korrekturmitteilung allen Betroffenen zugeht und ersehen läßt, welche Steuerbeträge gegenüber den einzelnen Rechnungsempfängern berichtigt werden sollen; denn diese Unternehmer müssen der Mitteilung entnehmen können, inwieweit sie ihrerseits zu einer Korrektur des Vorsteuerabzugs verpflichtet sind.
Sollte die Berichtigungserklärung der Klägerin diesen Voraussetzungen entsprechen, steht der Wirksamkeit der Berichtigung der Steuerbeträge nicht entgegen, daß die Klägerin trotz der Stornierung der Steuerbeträge weiterhin das vorherige zivilrechtliche Entgelt forderte.
§ 14 Abs. 2 Satz2 UStG 1980 verlangt nur eine Berichtigung des Steuerbetrags, nicht aber die Erteilung einer zivilrechtlich richtigen Rechnung.
Aus § 42 AO 1977 ergibt sich für den Streitfall nichts anderes.
...
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt, auch wenn die Klägerin von ihren Kunden ein zu hohes zivilrechtliches Entgelt verlangt haben sollte. Es wird dadurch ggf. kein Steuergesetz umgangen.
Die Berichtigung des Steuerbetrags durch den leistenden Unternehmer gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 ist unabhängig davon, ob das FA die Ansprüche aus der gebotenen Vorsteuerberichtigung durch den Leistungsempfänger ... durchsetzen kann. Das Gesetz sieht für den Fall der Zahlungsunfähgikeit des Leistungsempfängers keine Einschränkung der Pflicht des leistenden Unternehmers zur Berichtigung des für den Umsatz geschuldeten Steuerbetrags vor. Dies zeigt deutlich ein Vergleich mit § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980. Nach dieser Vorschrift hat der leistende Unternehmer den Steuerbetrag auch und gerade dann zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. In einem solchen Fall ist zu erwarten, daß das FA die Ansprüche aus der Vorsteuerberichtigung des Leistungsempfängers (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980) nicht durchsetzen kann. Es handelt sich hierbei um eine vom Gesetzgeber gewollte Risikoverteilung.
Fundstellen
Haufe-Index 419055 |
BFH/NV 1993, 57 |
BFH/NV 1994, 63 |
BFHE 1994, 373 |