Leitsatz (amtlich)
Die erhöhten Absetzungen nach § 54 EStG sind für eine Kaufeigentumswohnung auch dann zu gewähren, wenn diese dem Eigentümer und seinen Angehörigen vorwiegend zum Ferien- und Wochenendaufenthalt dient.
Normenkette
EStG 1965 §§ 7b, 54; EStDV § 83a; II. WoBauG §§ 9-10, 12, 100
Tatbestand
Streitig ist, ob für eine Ferienwohnung (Kaufeigentumswohnung) die erhöhte AfA nach § 54 EStG in Anspruch genommen werden kann.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) sind Eheleute. Der Ehemann erwarb am 20. Juli 1965 eine Kaufeigentumswohnung in L zum Preise von 48 000 DM. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung 1966 machten die Steuerpflichtigen einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4 530 DM geltend, den sie unter Ansatz eines Mietwerts von 1 800 DM abzüglich Werbungskosten und einer Sonderabschreibung nach § 54 EStG in Höhe von 7,5 v. H. der Anschaffungskosten (3 600 DM) errechneten. Dagegen setzte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Anwendung der EinfHaus-VO mit 0 DM an. Die Sonderabschreibungen versagte es, weil die Wohnung nicht zum ständigen Bewohnen durch die Eheleute bestimmt sei.
Die Sprungklage hatte im wesentlichen Erfolg. Das FG hielt die Voraussetzungen des § 54 EStG hinsichtlich der auf die Wohnung entfallenden Kosten für gegeben. Dagegen gehörten die mit 4 000 DM zu schätzenden Aufwendungen für den Grund und Boden nicht zu den begünstigten Anschaffungskosten (§ 16 Abs. 4 EStDV).
Mit der Revision bringt das FA wiederum vor, § 54 EStG habe nur die Eigentumswohnungen begünstigen wollen, die zur Befriedigung eines echten Wohnbedürfnisses vorwiegend von Personen kleinen oder mittleren Einkommens errichtet worden seien. Das sei bei der Wohnung der Steuerpflichtigen nicht der Fall.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Steuerpflichtigen beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt aus anderen Gründen, als vom FA geltend gemacht, zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Senat tritt der Auslegung des § 54 EStG durch die Vorinstanz im wesentlichen bei. Die Inanspruchnahme der in dieser Vorschrift vorgesehenen AfA setzt gemäß § 83a EStDV in Verbindung mit § 12 Abs. 2 des II. WoBauG das Vorliegen einer eigengenutzten Eigentumswohnung voraus. Nach § 12 Abs. 1 des II. WoBauG ist eine Eigentumswohnung dann eigengenutzt, wenn sie zum Bewohnen durch den Wohnungseigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. Eine Wohnung ist zum Bewohnen bestimmt, wenn sie zum dauernden ganzjährigen Aufenthalt geeignet erscheint, die Führung eines Haushalts ermöglicht und regelmäßig über längere Zeiträume hinweg tatsächlich benutzt wird. Die ununterbrochene Benutzung zu Wohnzwecken ist nicht erforderlich. Es genügt auch, daß die Wohnung vom Eigentümer und seinen Angehörigen überwiegend zum Ferien- und Wochenendaufenthalt dient. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 7b EStG (Entscheidungen IV 575/55 U vom 18. Oktober 1956, BFH 63, 492, BStBl III 1956, 385; IV 32/57 U vom 14. Mai 1958, BFH 67, 105, BStBl III 1958, 312) und der herrschenden Meinung im Schrifttum (Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 54, Anm. 1, Nr. 3; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7b EStG a. F., Anm. 12a; § 54, Anm. 7 am Ende; Rosenau, DB 1966, 1584). Sie stimmt überein mit der Auffassung des BVerwG (Entscheidungen VII C 75/58 vom 30. Oktober 1959, BVerwGE 9, 277, und VIII C 42/70 vom 26. August 1971, HFR 1972, 200) zum II. WoBauG, soweit es sich nicht um Häuser in ausgewiesenen Wochenendhausgebieten handelt. Die letztere Fallgestaltung scheidet hier aus.
Entgegen der Ansicht des FA ist der Vorschrift des § 54 EStG weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck zu entnehmen, daß die Inanspruchnahme der Sonder-AfA die ständige Benutzung der Wohnung erfordern sollte.
Ebensowenig läßt § 54 EStG erkennen, daß allein zur Befriedigung eines "echten Wohnbedürfnisses" geschaffener oder erworbener Wohnraum begünstigt sein soll. Dies ergibt sich auch nicht, worauf die Vorinstanz zutreffend hinweist, aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Mit ihr hat der Gesetzgeber aus konjunkturpolitischen Gründen lediglich die Möglichkeit erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG für den Mietwohnungsbau sowie Zu-, Aus- und Umbauten für den dort bezeichneten Zeitraum ausgeschlossen. Bisher nach § 7b EStG begünstigte eigengenutzte Eigenheime, Eigensiedlungen und Eigentumswohnungen wurden von der Suspendierung des § 7b EStG ausgenommen. Insoweit sollte nach wie vor die Bildung von Grundeigentum in privater Hand gefördert werden. Zugleich diente § 54 EStG zur Vorbereitung der Neuregelung der erhöhten Gebäude-AfA, die durch das StÄndG 1965 erfolgt ist (vgl. den Bericht des Finanzausschusses - zu Bundestags-Drucksache IV/1006 S. 2 - sowie die amtliche Begründung zum Gesetzesentwurf - Teil A Ziff. 1 und 3c - Bundestags-Drucksache IV/2008 S. 4 und 7). § 7b EStG 1965 begünstigt aber allgemein Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen. Die Einschränkung durch § 7b Abs. 3 EStG 1965, daß jeder Steuerpflichtige die erhöhte AfA nur für ein Objekt in Anspruch nehmen kann, ist für zusammenveranlagte Ehegatten auf zwei Objekte erhöht. Ferner kann dem Erwerb von Ferienwohnraum auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht schlechthin die Abschreibungsbegünstigung versagt werden (BFH-Entscheidung IV 575/55 U vom 8. Oktober 1956, a. a. O.).
Im Streitfall läßt sich jedoch anhand des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts die Anwendbarkeit des § 54 EStG noch nicht abschließend beurteilen, weil nicht feststeht, ob und in welchem Umfang die Wohnung tatsächlich zu Wohnzwecken benutzt wurde. Das FG wird hierzu noch weitere Feststellungen zu treffen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 413225 |
BStBl II 1972, 671 |
BFHE 1972, 55 |