Leitsatz (redaktionell)
1. Die Steuerfreiheit gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 1 der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie konnte Kreditvermittlern nicht vor der Umsetzung dieser Richtlinie durch das Umsatzsteuergesetz 1980 gewährt werden.
2. Der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist für die Umsatzsteuer durch das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht das Hoheitsrecht übertragen worden, Recht mit unmittelbarer Wirkung im Inland zu setzen.
3. Die Bindung an Vorabentscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften beruht auf der Hoheitsrechtsübertragung durch das Zustimmungsgesetz zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften. Sie ist daher nach dem Umfang der den Gemeinschaften übertragenen Hoheitsrechte zu bestimmen.
Orientierungssatz
1. Zu dem im Inland geltenden und gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verbindlichen Recht gehört auch das Zustimmungsgesetz zu dem Vertrag zur Gründung der EWG vom 27.7.1957 als der Hoheitsrechte der Bundesrepublik Deutschland übertragende Rechtsakt. Dementsprechend hat das Prozeßgericht (zur Zuständigkeit vgl. BVerfG-Rechtsprechung) im Rahmen der Auslegung des Zustimmungsgesetzes zu entscheiden, ob Rechtsakte der Organe der EWG im staatlichen Bereich wirken; dies gilt insbesondere für die Frage, ob Richtlinien "ähnliche Wirkungen"wie Verordnungen entfalten und ob Bürger der Gemeinschaft sich auf dafür geeignete Bestimmungen von Richtlinien berufen können (vgl. BVerfG-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung).
2. Der 5. Senat des BFH hält das Gesetz zu den Verträgen vom 25.3.1957 zur Gründung der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 27.7.1957 (Zustimmungsgesetz) für verfassungsgemäß.
3. Die Voraussetzungen für die Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes sind nicht erfüllt, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von einem Vorabentscheidungsersuchen eines anderen obersten Gerichtshofs an den EuGH abweichen will.
4. Durch die Ausübung des Rechts auf Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH kann der EWG nicht die Rechtsetzungskompetenz auf einem Gebiet, für das sie nur Richtlinien erlassen darf, zuwachsen. Demzufolge schließt die Auslegungskompetenz gemäß Art. 177 EWGVtr nicht die Sachkompetenz der EWG zur Schaffung im innerstaatlichen Bereich geltender Normen mit ein. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Bundesrepublik Deutschland die für sie geltende Frist zur Umsetzung einer Richtlinie (hier: Sechste Umsatzsteuer-Richtlinie) nicht eingehalten hat.
5. Parallelentscheidung: BFH, 25.4.1985, V R 64/83, NV. 6. Parallelentscheidung: BFH, 25.4.1985, V R 175/83, NV.
7. Parallelentscheidung: BFH, 25.4.1985, V R 5/84, NV.
8. Parallelentscheidung: BFH, 25.4.1985, V R 74/84, NV.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1; EWGVtr Art. 99, 177, 189 Abs. 3; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1; UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; UStG 1967 § 4; UStG 1973 § 4; UStG 1980 § 4 Nr. 8 Buchst. a; EWGVtrG; RsprEinhG §§ 2, 11
Nachgehend
Gründe
Parallelentscheidung (im Volltext): BFH, Urteil v. 25.04.1985 - V R 123/84 (V)
Fundstellen