Leitsatz (amtlich)
Ein von einem Bleichereibetrieb geleisteter Kanalanschlußkostenbeitrag ist als immaterielles Wirtschaftsgut im gewerblichen Betriebsvermögen zu erfassen.
Normenkette
BewG 1965 § 95 Abs. 1, § 68 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der inzwischen verstorbene Steuerpflichtige war Inhaber eines Bleichereibetriebes, der von den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) als Rechtsnachfolger fortgeführt wird. Streitig ist, ob ein vom Steuerpflichtigen im Jahre 1967 für den Anschluß des Bleichereibetriebes an die gemeindliche Kläranlage gezahlter Betrag von 106 000 DM bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1968 als immaterielles Wirtschaftsgut "Einleitungsrecht" zu erfassen ist.
Der Steuerpflichtige hatte sich zur Mitfinanzierung der gemeindlichen Kläranlage entschlossen, nachdem die Gemeinde ihn aufgefordert hatte, für die betrieblichen Abwässer entweder eine eigene Kläranlage zu errichten oder sich am Bau der gemeindlichen Kläranlage zu beteiligen. Nach § 1 des mit der Gemeinde geschlossenen Anschlußvertrages vom 7. Februar 1967 baut, betreibt, unterhält und wartet die Gemeinde die Kläranlage in eigener Zuständigkeit und Verantwortung. Sie erlaubt der Firma, ihre Bleichereiabwässer in die Kläranlage einzuleiten. Dabei ist die Zuleitung von Abwasser auf eine bestimmte Menge beschränkt. Wird diese Menge überschritten, ist die Firma verpflichtet, die für die Erweiterung der Kläranlage notwendigen Kosten zu tragen. Nach § 7 des Vertrages mußte der Steuerpflichtige ein Drittel der Baukosten als einmalige Anschlußgebühr bezahlen. Die Kläranlage ist in Größe und Konzeption den Bedürfnissen der Firma angepaßt. Neben der einmaligen Anschlußgebühr zahlt die Firma wie alle Kanalbenutzer eine laufende Benutzungsgebühr.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1968 ein Nutzungsrecht als immaterielles Wirtschaftsgut an, das entsprechend der Nutzungsdauer der Kläranlage auf 20 Jahre abzuschreiben sei (Ansatz zum 1. Januar 1968 106 000 DM % 5 300 DM = 100 700 DM). Der Einspruch war erfolglos.
Mit der Klage wandten sich die Kläger gegen den Ansatz dieses Wirtschaftsguts. Die Kläranlage sei nicht mit Rücksicht auf die Abwässer des Bleichereibetriebes gebaut worden, sondern stehe allen Gemeindemitgliedern zur Verfügung. Es seien mindestens 500 weitere Benutzer angeschlossen, die ebenso wie seinerzeit der Steuerpflichtige eine einmalige Anschlußgebühr gezahlt hätten. Außerdem wandten sich die Kläger gegen die angenommene Nutzungsdauer von 20 Jahren. Die maschinelle Ausrüstung der Kläranlage habe nur eine Nutzungsdauer von 10 Jahren.
Auf Ersuchen des Finanzgerichts (FG) hat sich das Staatliche Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft beim Regierungspräsidenten in M. dahin geäußert, daß bei Kläranlagen die maximale Lebensdauer der maschinellen Ausrüstung mit 10 Jahren und der langlebigen Teile mit 25 Jahren angenommen werden könne.
Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG sah in dem Anschlußbeitrag als einem einmaligen und eindeutig und klar abgrenzbaren Aufwand ein immaterielles Wirtschaftsgut, das im Betriebsvermögen der Kläger zu erfassen sei. Das FG hat auch die Höhe des Wertansatzes gebilligt.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger, daß das FG über die selbständige Bewertbarkeit des Einleitungsrechts die Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise nicht durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens festgestellt habe. Hinsichtlich der Abnutzbarkeit der Kläranlage beanstanden die Kläger, daß das FG als Gutachter eine Behörde statt ein Unternehmen der Wirtschaft gehört habe, das sich mit der Errichtung von Kläranlagen befaßt.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Verfahren beigetreten. Er ist der Auffassung, daß der vom Steuerpflichtigen geleistete finanzielle Beitrag zum Bau der Kläranlage als immaterielles Einzelwirtschaftsgut beim Betriebsvermögen zu erfassen sei, hilfsweise sei der dadurch geschaffene Vorteil beim (originären) Geschäftswert zu erfassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der vom Steuerpflichtigen geleistete einmalige Kanalanschlußkostenbeitrag ist als immaterielles Wirtschaftsgut im gewerblichen Betriebsvermögen zu erfassen (§ 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG 1965 -). Anders wäre es, wenn der Beitrag sich nicht auf den sich auf dem Grundstück befindlichen Bleichereibetrieb, sondern auf das Grundstück selbst beziehen würde. Dann würde sich der Beitrag unter Umständen bei der Grundstücksbewertung auswirken. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Steuerpflichtige ist von der Gemeinde nicht wie die anderen Anlieger als Grundstückseigentümer, sondern durch besonderen Vertrag vom 7. Februar 1967 als Inhaber seines in besonderem Maße schmutzwasserintensiven Bleichereibetriebes zu den Kanalbaukosten herangezogen worden. Der Beitrag steht also mit einer besonderen Nutzung des Grundstücks durch einen Gewerbebetrieb in Zusammenhang und ist deshalb beim Betriebsvermögen dieses Betriebes zu erfassen (ebenso Urteile des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 1980 VIII R 80/77, BFHE 130, 155, BStBl II 1980, 687, und vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl II 1983, 38).
Durch den Kanalanschlußkostenbeitrag in beträchtlicher Höhe ist dem Steuerpflichtigen ein Nutzungsvorteil entstanden, der sich für sein Unternehmen auf viele Jahre vorteilhaft auswirkt. Dieser Nutzungsvorteil besteht darin, daß das Unternehmen seine Abwässer in die öffentliche Kläranlage einleiten kann und selbst keine Kläranlage bauen und unterhalten muß. Ein solcher durch eigene Aufwendungen des Unternehmens konkretisierter Nutzungsvorteil ist als immaterielles Wirtschaftsgut nach § 95 Abs. 1 BewG 1965 zu erfassen (vgl. das Urteil des Senats vom 25. Mai 1984 III R 103/81, BStBl II 1984, 617). Gegenstandseigenschaft hat das "Einleitungsrecht" erlangt durch die eigenen Aufwendungen des Unternehmers und nicht, wie das FG angenommen hat, durch einen entgeltlichen Erwerb oder unter Heranziehung der Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise. Fehl geht deshalb die Revisionsrüge der Kläger, das FG habe diese Verkehrsauffassung nicht festgestellt.
Unzulässig ist die Verfahrensrüge der Kläger gegen die auf tatsächlichem Gebiet liegende Schätzung der Nutzungsdauer der Kläranlage durch das FG. Denn die Kläger haben sich mit der vom FG eingeholten Auskunft des Staatlichen Amtes für Wasser- und Abfallwirtschaft in M. im finanzgerichtlichen Verfahren inhaltlich auseinandergesetzt, ohne aber die Sachkenntnis dieser Behörde in Zweifel zu ziehen. Sie haben damit auf ihr Rügerecht in der Revision verzichtet (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 15, mit weiteren Nachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 75042 |
BStBl II 1984, 616 |
BFHE 1985, 297 |