Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Gestellung durch den Arbeitgeber für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Ausnahmefällen kein Arbeitslohn
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Kfz für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung, so ist der darin liegende Vorteil in aller Regel als Arbeitslohn zu erfassen.
2. Erweist sich die Kfz-Gestellung jedoch unter objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen des Arbeitgebers, so wird der Vorteil nicht "für" die Beschäftigung gewährt und stellt deshalb keinen Arbeitslohn dar.
3. Die Überlassung eines Werkstattwagens zur Durchführung von Reparaturen an Energieversorgungseinrichtungen im Rahmen einer Wohnungsrufbereitschaft führt auch dann nicht zu Arbeitslohn, wenn das Fahrzeug in dieser Zeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung steht.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 383; LEXinform-Nr. 0550532) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die lohnsteuerrechtliche Behandlung der Überlassung von Firmenfahrzeugen an Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte während der Dauer einer Wohnungsrufbereitschaft.
Bei der X-Energie AG (Klägerin und Revisionsbeklagte ―Klägerin―), der Rechtsnachfolgerin der Z-Energieversorgung AG, fand im September 1995 eine Außenprüfung auf dem Gebiet der Lohnsteuer statt, die sich auf den Zeitraum 1. Oktober 1991 bis 31. Juli 1995 erstreckte. Dabei stellte der Außenprüfer fest, dass Arbeitnehmern der Klägerin während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaften speziell ausgestattete Dienstfahrzeuge auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung standen. Alle diese Einsatzfahrzeuge (Transporter, Kombifahrzeuge oder PKW mit Heckklappe) waren für die Behebung von Schäden und Störungen an Anlagen der Stromversorgung mit Materialien und Werkzeugen ausgerüstet; bei den PKW war in der Regel die hintere Sitzbank entweder ausgebaut oder aber mit Einsatzmaterialien belegt. Während der Dauer der jeweils einwöchigen Wohnungsrufbereitschaften mussten die dazu eingeteilten Arbeitnehmer im Anschluss an den regulären Dienst zu Hause erreichbar sein, um im Störungsfall sofort eingesetzt werden zu können. Der Außenprüfer vertrat die Rechtsauffassung, dass die Gestellung eines Dienstfahrzeuges für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu steuerpflichtigem Arbeitslohn führe. Die Gesamtfahrstrecke, die die Arbeitnehmer während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaften auf den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit den Einsatzfahrzeugen zurückgelegt hatten, bezifferten die Beteiligten mit 140 418 km. Auf den einzelnen Mitarbeiter entfielen während der Dauer der durchschnittlich je sechs jeweils einwöchigen Wohnungsrufbereitschaften pro Jahr durchschnittlich 538 km pro Jahr für Fahrten mit den Einsatzfahrzeugen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die nachzuversteuernden Beträge wurden, soweit möglich, nach § 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), der Restbetrag nach § 40 Abs. 1 EStG versteuert.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen von der Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 383 veröffentlichten Gründen statt. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die Überlassung der Einsatzfahrzeuge an die Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaften sei im ausschließlich eigenbetrieblichen Interesse der Rechtsvorgängerin der Klägerin erfolgt und habe damit nicht zu einer Lohnzuwendung geführt.
Dagegen wendet sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) mit der vom FG zugelassenen Revision. Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das FG bejahe zu Unrecht ein ausschließlich eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Nutzung der Einsatzfahrzeuge durch die Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaften. Die PKW-Nutzung begründe einen als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 EStG und § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) zu beurteilenden geldwerten Vorteil. Dies ergebe sich aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. Dezember 1991 VI R 116/89 (BFHE 166, 292, BStBl II 1992, 308) und vom 27. September 1996 VI R 84/95 (BFHE 181, 181, BStBl II 1997, 147). Die Arbeitnehmer benötigten die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Einsatzfahrzeuge nicht für die Fahrten von der Wohnung zur regelmäßigen Arbeitsstätte und zurück. Statt dessen könnten die Arbeitnehmer während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaft die Einsatzfahrzeuge im Betrieb der Klägerin abholen und lediglich die Strecke zwischen dem Betrieb und der jeweiligen Einsatzstelle mit dem Einsatzfahrzeug zurücklegen.
Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 29. September 1998 12 K 272/97 als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass den Arbeitnehmern durch die Überlassung der Einsatzfahrzeuge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte während der Zeiträume der jeweils eine Woche andauernden Wohnungsrufbereitschaften kein als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 EStG zu bewertender geldwerter Vorteil erwachsen ist.
2. Ob der in der Kfz-Gestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte liegende Vorteil Arbeitslohn ist, richtet sich allein nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats gehören zum Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG u.a. Vorteile, die "für" eine Beschäftigung gewährt werden. Dem in § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG benutzten Tatbestandsmerkmal "für" eine Beschäftigung ist zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter haben muss. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen (ständige Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687, 689, m.w.N.). Das Ergebnis einer solchen, den Arbeitslohncharakter verneinenden Würdigung hat der Senat damit beschrieben, dass der Vorteil im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt sein muss. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlungen zugrunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Das Erfordernis des eindeutigen Vorrangs anderer als Entlohnungszwecke kommt bei der Verwendung des Begriffs "eigenbetriebliches Interesse" durch die hinzugefügten Worte "ganz überwiegend" zum Ausdruck (vgl. BFH-Urteil in BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687, 689).
3. Nach diesen Kriterien stellt die Kfz-Gestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in aller Regel Arbeitslohn dar. Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, wie § 8 Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG sowie § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG zeigen. Die Kfz-Gestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist jedoch nicht ausnahmslos als Arbeitslohn zu erfassen. Auch bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten PKW kann ausnahmsweise die Überlassung im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgen. Insoweit gilt nichts anderes als bei anderen aus betrieblichen Gründen beim Arbeitnehmer zwangsläufig entstehenden Vorteilen, die sich nicht als Entlohnung, sondern als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Dementsprechend vertritt auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom 28. Mai 1996 IV B 6 -S 2334- 173/96 (BStBl I 1996, 654) unter I. 4. die Rechtsauffassung, dass ab dem 1. Januar 1996 ein geldwerter Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht zu erfassen sei, wenn ein Arbeitnehmer ein Firmenfahrzeug für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Tage erhalte, an denen es erforderlich werden könne, dass er dienstliche Fahrten von der Wohnung aus antrete, z.B. beim Bereitschaftsdienst in Versorgungswerken.
4. Im Streitfall stellt die Kfz-Gestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte keinen Arbeitslohn dar. Bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erweist sich die fragliche Kfz-Gestellung nicht als Entlohnung "für" die Beschäftigung, sondern als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen (vgl. dazu Goydke, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1995, 738, 742; Korn, Kölner Steuerdialog ―KÖSDI― 2/96, S. 10556, 10564).
a) Nach den vom FG getroffenen und den Senat bindenden Feststellungen überließ die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihren Arbeitnehmern während der Dauer der jeweils einwöchigen Wohnungsrufbereitschaften die Einsatzfahrzeuge für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausschließlich aus betrieblichen Gründen. Mit der Kfz-Gestellung während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaft verfolgte die Rechtsvorgängerin der Klägerin allein das Ziel, dass ihre Arbeitnehmer beim Auftreten von Störungen an der Elektrizitätsversorgung schnellstmöglich mit der Schadensbeseitigung beginnen konnten. Es liegt auf der Hand, dass der Arbeitnehmer von seiner Wohnung aus den Schadensort mit dem Einsatzfahrzeug schneller erreichen kann, als wenn er zunächst mit dem privaten Kfz den Betriebssitz der Klägerin aufsuchen müsste, um dort das Einsatzfahrzeug zu übernehmen und erst anschließend zum Schadensort zu gelangen. Deshalb ist die Überlassung der Einsatzfahrzeuge auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für den von der Klägerin verfolgten Zweck besonders geeignet. Aufgrund der bestehenden Versorgungsverträge war die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Schadensfall verpflichtet, Störungen der Energieversorgung schnellstmöglich zu beseitigen. Im Übrigen mussten die für die Wohnungsrufbereitschaft eingeteilten Mitarbeiter auch während deren Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte über die mit Funk ausgestatteten Einsatzfahrzeuge erreichbar sein. Die Auswahl der durch die Kfz-Gestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaft "begünstigten" Arbeitnehmer erfolgte aufgrund der bereits im Arbeitsvertrag eingegangenen Verpflichtung zur Übernahme der Wohnungsrufbereitschaft, also nach objektiven Kriterien je nach der Art der Tätigkeit, für die der betreffende Arbeitnehmer (z.B. als Bezirksmonteur) eingestellt worden ist. Die Einteilung der Arbeitnehmer zu den Wohnungsrufbereitschaften geschah nicht zu dem Zweck, den betroffenen Arbeitnehmern durch die Überlassung der Einsatzfahrzeuge auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Vergünstigung zu gewähren. Dies folgt auch aus der Art der Einsatzfahrzeuge (Transporter, Kombifahrzeuge, PKW mit Heckklappe) und dem in ihnen zur Schadensbeseitigung mitgeführten Material. Hinzu kommt, dass die Arbeitnehmer die Einsatzfahrzeuge während der Dauer der jeweiligen Wohnungsrufbereitschaften nur für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für die jeweiligen Reparatureinsätze, nicht aber für Privatfahrten nutzen durften. Die Darlegungen des FA, den Arbeitnehmern habe es während der Dauer der Wohnungsrufbereitschaft freigestanden, mit ihren Privat-PKW's von der Wohnung zur Arbeitsstätte zu fahren, stehen im Widerspruch zu den vom FG getroffenen Feststellungen, wonach eine Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Benutzung der Einsatzfahrzeuge für diese Fahrten bestand.
b) Das eigene Interesse des einzelnen Arbeitnehmers kann dagegen vernachlässigt werden.
Art und Höhe des Vorteils sind für den einzelnen Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Klägerin vergleichsweise gering. Die Einsatzfahrzeuge sind nach den bei der Lohnsteuer-Außenprüfung getroffenen Feststellungen nur auf einer Strecke von durchschnittlich 538 km im Jahr je Arbeitnehmer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingesetzt worden. Nach Abschn. 31 Abs. 7 der für die streitigen Jahre anzuwendenden Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) wäre der sich daraus ergebende Vorteil mit 0,52 DM/km zu berechnen, was einen durchschnittlichen geldwerten Vorteil je betroffenen Arbeitnehmer von 279,76 DM (538 km x 0,52 DM) pro Jahr ergäbe. Dieser finanzielle Vorteil stellt sich im Verhältnis zu den durch die Kfz-Gestellung von der Klägerin verfolgten gewichtigen betriebsfunktionalen Zielen und der besonderen Geeignetheit des dazu eingesetzten Mittels als notwendige Begleiterscheinung dar.
Fundstellen
Haufe-Index 425972 |
BFH/NV 2000, 1394 |
BStBl II 2000, 690 |
BFHE 192, 299 |
BFHE 2001, 299 |
BB 2000, 2029 |
DB 2000, 1941 |
DStR 2000, 1641 |
DStRE 2000, 1077 |
DStZ 2000, 867 |
HFR 2000, 878 |
StE 2000, 602 |