Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Grundstück erworben, auf dem ein Gebäude vollkriegszerstört ist, ein anderes dagegen nicht, so kommt eine teilweise Steuerbefreiung auf Grund des § 1 Ziff. 5 der Niedersächsischen Verordnung über Grunderwerbsteuerbefreiungen beim Aufbau in den Gemeinden vom 25. 9. 1950 (GVBl. S. 60) in Frage.

 

Normenkette

GrEStWGND 1/5

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) übertrug am 27. April 1951 auf eine Stadt in Niedersachsen 3/4 Miteigentumsanteile an einem ihr gehörenden, im Aufbaugebiet der Stadt gelegenen Grundstück. Durch Kriegseinwirkung waren auf dem Grundstück die Villa unbestritten völlig zerstört und das Nebenhaus (Garagen mit Pförtnerwohnung) nach Angabe der Stadt zu unter 15 % beschädigt worden. Das Bewertungsfinanzamt hat im Jahre 1946 durch örtliche Besichtigung festgestellt, daß die Garagen mit ausgebauter Pförtnerwohnung noch ziemlich erhalten geblieben waren und durch Selbsthilfe der damaligen Mieter wieder instandgesetzt wurden. Die Bfin. spricht im Einspruch selbst nur von geringen Kriegsschäden.

Die Stadt übertrug die drei Miteigentumsanteile zu je 1/4 auf drei Gesellschaften, die zusammen mit der Bfin. auf dem Grundstück ein Verwaltungsgebäude errichten wollten.

Die für die übertragung auf die Stadt zur Grunderwerbsteuer herangezogene Bfin. nahm ohne Erfolg die Befreiung aus § 1 Ziff. 5 der Niedersächsischen Verordnung über Grunderwerbsteuerbefreiungen beim Aufbau in den Gemeinden (Dritte Durchführungsverordnung zum Aufbaugesetz vom 9. Mai 1949) vom 25. September 1950 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 60) in Anspruch.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung.

Nach der erwähnten Vorschrift ist von der Grunderwerbsteuer befreit der rechtsgeschäftliche Erwerb eines unbebauten oder vollkriegszerstörten Grundstücks durch eine Gemeinde in deren Aufbaugebiet.

Das Finanzgericht hat geprüft, ob diese Vorschrift auf den Erwerb von Miteigentumsanteilen überhaupt Anwendung finden kann. Es ist selbst der Auffassung, daß die Vorschrift auf reale Grundstücke und nicht auf ideelle Teile daran abstellt, indem dort die Eigenschaften "unbebaut" oder "vollkriegszerstört" als Voraussetzungen der Steuerbefreiung genannt werden. Außerdem würde beim Erwerb nur ideeller Anteile durch eine Gemeinde im allgemeinen der vom Aufbaugesetz und der Durchführungsverordnung verfolgte Aufbauzweck durch die Rechte der Miteigentümer derart in Frage gestellt sein, daß die Gewährung einer Steuervergünstigung nicht gerechtfertigt wäre. Das Finanzgericht hält jedoch mit Rücksicht auf die besondere Lage des Streitfalls eine Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift auf den Erwerb der Miteigentumsanteile für möglich, weil bei der Stadt keine begründeten Bedenken zu bestehen brauchten, der Aufbauzweck könne u. U. nicht erfüllt werden. Der Senat tritt dieser Auffassung bei.

Daß das nur teilweise beschädigte Nebengebäude nicht als vollkriegszerstört bezeichnet werden kann, unterliegt keinen Bedenken.

Der Senat vermag aber der Auffassung des Finanzgerichts nicht beizutreten, daß das Vorhandensein des nur teilweise beschädigten Nebengebäudes die Anwendung der Befreiungsvorschrift ganz ausschließt. In dieser Hinsicht hat der Senat folgendes erwogen:

Die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstabe a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) - Erwerb eines Grundstücks durch einen gemeinnützigen Bauträger zur Schaffung von Kleinwohnungen - wird in dem Falle, daß der gemeinnützige Bauträger auf dem erworbenen Grundstück ein Gebäude mit Kleinwohnungen und ein Gebäude mit anderen Wohnungen zu errichten beabsichtigt, dahin angewendet, daß nicht die Befreiung ganz versagt, sondern teilweise, nämlich hinsichtlich des Grundstücksteils, auf dem das Gebäude mit den Kleinwohnungen errichtet werden soll, gewährt wird (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 126/32 vom 5. August 1932, Reichssteuerblatt S. 858). Ebenso tritt teilweise Befreiung aus § 4 Abs. 1 Ziff. 4 Buchstabe a GrEStG ein, wenn ein Grundstück erworben wird, das nur teilweise der Schaffung einer öffentlichen Straße dienen soll (Urteil des Reichsfinanzhofs II 83/41 vom 12. November 1942, Slg. Bd. 52 S. 241). Dasselbe hat für § 1 Ziff. 1 des Gesetzes des Landes Niedersachsen vom 2. Juli 1952 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 53) zu gelten, wenn ein Grundstück zur Errichtung eines Gebäudes mit grundsteuerbegünstigten und eines Gebäudes mit nicht begünstigten Wohnungen erworben wird. In gleicher Weise, wie in allen diesen Fällen unter dem Gesichtspunkt der Verwendung des erworbenen Grundstücks eine teilweise Befreiung Platz greift, erscheint es dem Senat aus demselben Grundgedanken gerechtfertigt, eine teilweise Befreiung aus der Niedersächsischen Verordnung vom 25. September 1950 im Hinblick auf die Beschaffenheit des erworbenen Grundstücks eintreten zu lassen, wenn ein Gebäude darauf vollkriegszerstört und ein zweites Gebäude nur teilweise beschädigt ist.

Die Vorentscheidungen waren hiernach aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses wird zu ermitteln haben, welcher Teil des Kaufpreises auf das Nebengebäude mit dem anteiligen Boden und welcher Teil auf den dem Hauptgebäude zuzurechnenden Boden entfällt. Hieraus ergibt sich dann die erneute Steuerberechnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408007

BStBl III 1954, 332

BFHE 1955, 316

BFHE 59, 316

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