Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Verpachtung von Anlagevermögen an eine Handelsgesellschaft durch eine Molkereigenossenschaft ist ein Nebengeschäft im Sinne des Abschn. 71 Abs. 3 Ziff. 4 KStR 1951 auch dann, wenn die Genossenschaft die bei ihr angelieferte Milch an die Handelsgesellschaft weitergibt und an der Handelsgesellschaft als Gesellschafterin beteiligt ist.
überschüsse aus Nebengeschäften, die unter der Bezeichnung Warenrückvergütungen an die Genossen weitergegeben werden, sind keine Betriebsausgaben, sondern ausgeschüttete Gewinne.
Normenkette
KStG § 23; KStDV § 36
Tatbestand
Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist eine Molkereigenossenschaft. Streitig ist für den Veranlagungszeitraum 1952, ob die an die Genossen ausgezahlten Milchgeldnachzahlungen als abzugsfähige Warenrückvergütungen im Sinn des § 36 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1951 anzuerkennen sind.
Die Genossenschaften A (60 %), B (30 %) und die Bgin. (10 %) haben durch Gesellschaftsvertrag vom 10. Juni 1949 zur besseren Versorgung der Stadt X mit Trinkmilch und aus Gründen der Konkurrenz eine GmbH gegründet.
Die Betriebe der drei Genossenschaften wurden vereinigt, ohne daß dadurch die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Genossenschaften berührt wurde. Das Sachanlagevermögen verbleibt im Eigentum der Genossenschaften. Die Genossenschaften überlassen ihr Einzugs- und Absatzgebiet der GmbH. Jede Genossenschaft kann, ohne als Gesellschafter ausscheiden zu müssen, die Teilnahme am gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten kündigen und die Wiederherstellung des Zustandes vom 30. Juni 1949 in bezug auf das Einzugs- und Absatzgebiet fordern.
Gegenstand des Unternehmens der GmbH ist: I. Der Ankauf und die Verwertung der von den Gesellschaftern (Genossenschaften) aufgekauften Milch; 2. die Herstellung und der Absatz von Milch- und Molkereierzeugnissen sowie der Ankauf und Verkauf von allen Produkten, die in den Milchgeschäften geführt werden; 3. Versorgung der Gesellschafter (Genossenschaften) und der Genossenschaftsmitglieder mit allen Gegenständen, die insbesondere der Gewinnung, Behandlung und Beförderung der Milch dienen.
Vom Reingewinn sind mindestens 10 v. H. solange den Rücklagen zuzuweisen, bis diese die Höhe des Stammkapitals erreicht haben. Aus dem verbleibenden überschuß sind sodann die Geschäftsanteile mit höchstens 5 v. H. zu verzinsen. Der Rest des Reingewinns ist auf die Gesellschafter zu verteilen. Als Verteilerschlüssel dient die Milchanlieferung im Einzugsgebiet der einzelnen drei Genossenschaften. Nimmt ein Gesellschafter nicht mehr am gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb teil, ohne als Gesellschafter selbst auszuscheiden, dann steht ihm nur die Verzinsung des Geschäftsanteils zu.
Die wirtschaftliche Grundlage bilden die zu den drei Gesellschaftern gehörenden Milcheinzugsgebiete. Darüber hinaus sind 7 Pachtbetriebe, 3 selbständige Molkereien und 2 Milchsammelstellen angeschlossen. Die GmbH beschränkt sich also nicht nur auf die Verwertung der von den drei beteiligten Genossenschaften angelieferten Milch.
Die Genossenschaften erhalten eine Vergütung von 1,1 Pf je kg angelieferter Milch, die bei der Besteuerung der GmbH als eine abzugsfähige Betriebsausgabe anerkannt wurde. Die Vergütung ist als Pachtzins bezeichnet und wurde im Benehmen mit dem Finanzamt festgesetzt. Sie wurde auch umsatzsteuerrechtlich als Pachtzins behandelt.
Die Bgin. hatte im Jahre 1952 eine Milchanlieferung seitens ihrer Mitglieder von 2.457.210 kg = 644.526 DM. Sie gewährte ihren Mitgliedern für 1952 einen Betrag von 18.429 DM an Warenrückvergütungen (0,75 Pf pro kg angelieferter Milch), die in der Bilanz 1952 passiviert und den Genossen am 22. August 1953 ausbezahlt wurden.
Das Finanzamt hat den Abzug der Milchgeldnachzahlungen als Warenrückvergütungen, die im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet sind, abgelehnt. Die überschüsse der Bgin. seien nicht im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden, sondern rührten aus den Pachtentgelten her, die die Bgin., von der GmbH für die überlassung der Betriebsanlagegegenstände einschließlich des Betriebsgrundstücks in Höhe von 1,1 Pf pro kg angelieferter Milch erhalte. Diese Pachteinnahmen seien nicht im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet. Als Mitgliedergeschäfte seien nur solche Geschäfte anzuerkennen, die den Gegenstand des Unternehmens bildeten, Zweckgeschäfte und Gegengeschäfte. Gemäß § 36 Abs. 2 KStDV seien die Warenrückvergütungen nur insoweit als Betriebsausgaben anzuerkennen, als die dafür verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft (Zweckgeschäft mit Mitgliedern) erwirtschaftet seien. Der Gewinn aus dem Mitgliedergeschäft lasse sich nur schätzen. Das Schätzungsverfahren sei in § 36 Abs. 2 KStDV und in den Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1951 Abschn. 79 und in den Körperschaftsteuer-Ergänzungsrichtlinien (KStER) 1952 Abschn. 20 geregelt. Dieses Verfahren sei aber selbstverständlich nicht anwendbar, wenn es zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führe, wenn also z. B. Gewinne aus dem Mitgliedergeschäft gar nicht hätten erzielt werden können.
Gegenüber der Auffassung des Finanzamts machte die Steuerpflichtige u. a. folgendes geltend:
Die Verpachtung stelle ein genossenschaftsrechtliches Zweckgeschäft dar, da sie ein Teilgeschäft im Rahmen der Milchverwertung sei, das die Verwertung der Milch in jeder Weise garantiere. Die Verpachtung könne nur im Zusammenhang mit der Milchverwertung, also dem Milchverkauf gesehen werden. Die Milchverwertung in Verbindung mit der Verpachtung bilde gerade für die kleinen Molkereigenossenschaften die wirtschaftliche Grundlage, ohne die diese Genossenschaften das nicht zu unterschätzende Absatzrisiko nicht tragen könnten. Der Betrag von 1,1 Pf pro kg angelieferter Milch enthalte in Wirklichkeit nur etwa 0,3 bis 0,4 Pf Pachtentgelt für die überlassung der Betriebsanlagen, der Unterschiedsbetrag von 0,7 bis 0,8 Pf stelle eine nachträgliche Milchpreiskaufberichtigung dar.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies u. a. wie folgt.
Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 KStDV 1951 stellten Warenrückvergütungen an Mitglieder nur insoweit Betriebsausgaben dar, als die dafür verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden seien. Hierfür sei der überschuß vor Abzug aller Warenrückvergütungen bei den Verwertungsgenossenschaften im Verhältnis des Wareneinkaufes bei Mitgliedern zum gesamten Wareneinkauf aufzuteilen. Hierdurch erübrige sich die Prüfung der Frage, ob die zur Zahlung der Warenrückvergütungen verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet worden seien. Wäre die Bestimmung so, wie das Finanzamt es annehme, aufzufassen, so wäre die besondere Aufteilungsvorschrift in § 36 Abs. 2 Satz 3 der Durchführungsverordnung nicht erforderlich. Es sei in der Vorschrift nicht danach gefragt, ob eine Ersparnis gerade aus dem Mitgliedergeschäft ausgeschüttet werde. Kaufpreisrückzahlungen und Nachzahlungen an Lieferer seien Warenrückvergütungen ohne Rücksicht darauf, woher sie von der Genossenschaft genommen worden seien. Mitgliedergeschäft sei also nicht nur das Geschäft der Mitglieder, ausgeführt durch die Genossenschaft, sondern die Tätigkeit der Genossenschaft, sofern sie anteilig am Gesamtwareneinkauf auf den Wareneinkauf der Mitglieder entfalle.
Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts die Ansicht, daß der Begriff des Mitgliedergeschäftes enger aufzufassen sei. Es komme auf die Quelle an, aus der die Beträge stammten. § 36 KStDV 1951 habe seinen gesetzgeberischen Grund darin, daß der Genosse in Form von Warenrückvergütungen das Geld erhalten solle, das er beim Verkauf an die Genossenschaft zu wenig erhalten habe. Das Ergebnis, zu dem das Finanzgericht gelange, sei mit § 1 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) nicht vereinbar. Dies komme auch in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 85/53 U vom 2. Februar 1954, Slg. Bd. 58 S. 501, Bundessteuerblatt (BStBl) 1954 III S. 102, zum Ausdruck. Hier werde unter Ziff. 2 der Begründung ausgeführt, daß Ausschüttungen einer GmbH in Form eines erhöhten Milchpreises nicht als im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet angesehen werden könnten.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Er hat in seiner Stellungnahme im wesentlichen folgendes ausgeführt: (Auszug)
"Im vorliegenden Rechtsstreit ist die Frage streitig, in welchem Umfang der von der Molkereigenossenschaft (Beschwerdegegnerin) erzielte Gesamtüberschuß als Warenrückvergütung an die Mitglieder der Genossenschaft verteilt werden kann. Für die Entscheidung ist von Bedeutung, als welche Art von Geschäft die Verpachtung der Betriebsanlagen der Beschwerdegegnerin an die GmbH anzusehen ist. Die Beschwerdegegnerin vertritt die Auffassung, daß die Verpachtung ihrer Betriebsanlagen ein Gegengeschäft sei. Dieser Auffassung vermag ich nicht zuzustimmen. Das Zweckgeschäft der Beschwerdegegnerin ist der Einkauf der Milch. Das Gegengeschäft hierzu ist der Verkauf der Milch an die GmbH. Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, ist die Verpachtung der Betriebsanlagen weder ein Gegengeschäft noch ein Hilfsgeschäft, sondern ein Nebengeschäft. Die Verpachtung stellt ihrem Wesen nach eine getrennt zu beurteilende Organisationsmaßnahme dar. Durch diese Maßnahme hat die Beschwerdegegnerin die Milchverarbeitung aufgegeben und sie der GmbH überlassen. Sie hat damit ihren Geschäftsbetrieb wesentlich umgestellt. Die Verpachtung kann aber nicht an die Stelle der Verarbeitung der Milch durch die Beschwerdegegnerin, die bei ihr ein Gegengeschäft wäre, treten, da die Verpachtung als solche zur Durchführung des Zweckgeschäfts der Beschwerdegegnerin nicht erforderlich ist. Die Verpachtung kann demnach nur ein Nebengeschäft sein. Die Pachtzinsen sind Erträge aus dem Nebengeschäft. Dieses Nebengeschäft hat unabhängig von der Beteiligung der Beschwerdegegnerin an der GmbH die volle Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin zur Folge.
Die Charakterisierung der Verpachtung der Betriebsanlagen als ein Nebengeschäft ergibt die weitere Frage, welche Folgerungen daraus für die Ermittlung des im Mitgliedergeschäft erwirtschafteten überschusses nach § 36 Abs. 2 Satz 3 Buchstabe b KStDV 1951 zu ziehen sind. Das Finanzgericht vertritt den Standpunkt, daß es bei Anwendung dieser Vorschrift nur darauf ankomme, den Gesamtüberschuß im Verhältnis des Wareneinkaufs bei Mitgliedern zum gesamten Wareneinkauf aufzuteilen. Unerheblich sei, aus welchen Erträgen sich der überschuß im einzelnen zusammensetze. Diesem Standpunkt kann nicht beigetreten werden. Es ist zwar dem Finanzgericht darin beizupflichten, daß die Vorschrift des § 36 Abs. 2 KStDV 1951 eine Aufgliederung des von einer Genossenschaft erwirtschafteten Gesamtüberschusses nach der Art der Herkunft der im Gesamtüberschuß steckenden einzelnen Erträge nicht vorsieht. Das Finanzgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß Umsätze aus Nebengeschäften zu den Nichtmitgliedergeschäften gehören. Ich darf zu dieser Frage auf Abschn. 64 Absätze 6, 8 und 9 KStR 1953 (KStR 1951 Abschn. 79 Abs. 6, 7 und KStER 1952 Abschn. 20 Buchst. b) Bezug nehmen. Eine andere Behandlung der Nebengeschäfte ist nicht möglich, weil sie nach ihrer betriebswirtschaftlichen Bedeutung allein zu den Nichtmitgliedergeschäften gerechnet werden können. Sie stehen mit den Zweckgeschäften und den aus den Zweckgeschäften resultierenden Gegengeschäften in keinem Zusammenhang.
Aus der Tatsache, daß unter überschuß im Sinn des § 36 Abs. 2 Satz 3 KStDV 1951 der steuerliche Gewinn vor Abzug der Warenrückvergütungen zu verstehen ist, kann nicht geschlossen werden, daß er in vollem Umfang als Warenrückvergütungen an die Mitglieder verteilt werden kann. Sinn der Warenrückvergütungen ist, an die Mitglieder den im Mitgliedergeschäft erzielten Gewinn zu verteilen, weil die Genossenschaft im Geschäft mit ihren Mitgliedern gemäß dem ihr zugewiesenen Auftrag einen Gewinn nicht erzielen soll. Da im vorliegenden Fall als Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Wareneinkäufe in Betracht kommt, wären nach Abschnitt 64 Abs. 8 KStR 1953 (Abschnitt 79 Abs. 7 KStR 1951) die Einkäufe im Rahmen von Nebengeschäften dem gesamten Wareneinkauf hinzuzurechnen. Einkäufe im Rahmen von Nebengeschäften scheiden jedoch bei der Verpachtung der Betriebsanlagen aus; bei den Pachteinnahmen handelt es sich um Umsätze im Rahmen eines Nebengeschäfts. Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung halte ich es jedoch nicht für vertretbar, das Nebengeschäft (Verpachtung der Betriebsanlagen) lediglich deswegen außer Betracht zu lassen, weil kein Einkauf, sondern ein Umsatz anzusetzen ist. Im vorliegenden Fall muß deshalb der Umsatz aus dem Nebengeschäft dem Gesamtwareneinkauf zugerechnet werden".
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde ergibt folgendes:
Es ist in erster Linie zu entscheiden, ob zu den Warenrückvergütungen auch Beträge zählen können, die mit der Verwertung der von den Genossen angelieferten Milch (den Zweckgeschäften im Sinne des Abschn. 71 Abs. 3 Ziff. 1 KStR 1951) in keinem Zusammenhang stehen, die also zu den Nebengeschäften im Sinne der Ziff. 4 a. a. O. gehören. Die Frage wird in übereinstimmung mit den KStR 1951 Abschn. 79 Abs. 6 und 7 sowie der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen verneint. Der gegenteiligen Ansicht des Finanzgerichts wird nicht beigepflichtet.
Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Der Gewinn einer Genossenschaft ist somit nach den gleichen Grundsätzen wie bei einer Kapitalgesellschaft zu ermitteln. Er ergibt sich aus dem Aufwand und den Leistungen des Betriebes innerhalb eines bestimmten Wirtschaftsjahres, wobei die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben die Berechnungsgrundlage bilden. Ausgaben auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, insbesondere Gewinnausschüttungen sind keine betrieblichen Ausgaben und können das steuerliche Ergebnis einer Körperschaft nicht mindern.
Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß § 36 KStDV in Verbindung mit § 23 KStG 1934 den Begriff der Betriebsausgabe verändert habe.
Es mag zutreffen, daß § 23 KStG in seiner Fassung nicht eindeutig ist. Der Senat hat in der Entscheidung I 38/53 U vom 25. August 1953, Slg. Bd. 58 S. 320, BStBl 1954 III S. 36, die Ansicht vertreten, die Ermächtigung des § 23 KStG 1934 enthalte das Recht, gesetzesvertretende Verordnungen zu erlassen und sei deshalb mit der Gewaltenteilung des demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar. Zum Begriff der gesetzesvertretenden Verordnung im Gegensatz zur Durchführungsverordnung siehe Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvF 1/53 vom 10. Juni 1953, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2 S. 307, 328 ff., siehe auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 33/53 U vom 8. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 70, BStBl 1953 III S. 318.
§ 23 KStG 1934 gab die Ermächtigung, die Ermittlung des Einkommens der Genossenschaften besonders zu regeln. Die Ermächtigung ist weit und unbestimmt gefaßt. Der Reichsminister der Finanzen hat von ihr in der Verordnung vom 8. Dezember 1939 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 2391, Reichssteuerblatt - RStBl - S. 1189) Gebrauch gemacht. Siehe auch Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1939, RStBl S. 1198. Die KStDV 1949 hat diese Regelung in ihren Grundlagen übernommen. In § 36 enthält sie die Sonderregelung für Warenrückvergütungen. Bedeutsam ist hierbei Abs. 2 Satz 2. Hiernach gelten Warenrückvergütungen nur insoweit als Betriebsausgaben, als die dafür verwendeten Beträge im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet sind. Entscheidend ist die Begrenzung auf das Mitgliedergeschäft. Dies hat zur Folge, daß der Verordnungsgeber den Begriff der Betriebsausgabe im Sinne des Einkommensteuerrechts auch für Molkereigenossenschaften nicht verändert hat.
Als im Mitgliedergeschäft erwirtschaftet können nur überschüsse angesehen werden, die mit der Einziehung und Verwertung der Milch durch die Genossenschaft mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen. überschüsse, die auf Vorgänge zurückgehen, die sich außerhalb dieses Aufgabenkreises bewegen, z. B. Gewinne durch Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, scheiden somit aus. Auch Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern können im allgemeinen nicht als überschüsse aus dem Mitgliedergeschäft angesehen werden. Sie stellen deshalb keine Betriebsausgaben dar, auch wenn sie unter der Bezeichnung Warenrückvergütungen an die Genossen ausgeschüttet werden.
Der Begriff der Warenrückvergütung ist kein vom Verordnungsgeber neu geschaffener Begriff, sondern war bereits bisher in der Betriebswirtschaft und in der Rechtsprechung Gegenstand von Erörterungen. Im einzelnen siehe hierzu die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 38/53 U vom 25. August 1953 und das Gutachten I D 2/52 S vom 8. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 329, BStBl 1954 III S. 38. Nach den im Gutachten wiedergegebenen Ausführungen stellen bei Absatzgenossenschaften Warenrückvergütungen Beträge dar, die die Rückgewähr des mit Einverständnis und Zustimmung der Mitglieder zunächst zu niedrig kalkulierten Einkaufspreises bilden. Zweifelhaft war, ob und wieweit Warenrückvergütungen aus überschüssen im Mitgliedergeschäft als Betriebsausgaben oder Gewinnausschüttungen anzusehen sind. Die Rechtsprechung war, wie die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 38/53 U darstellt, in dieser Frage nicht einheitlich. Der Verordnungsgeber vom Jahr 1939 hat im Wege der gesetzlichen Auslegung sich für die Auffassung entschieden, daß es sich hierbei um Betriebsausgaben handelt. Er hat lediglich eine Auslegung des Gesetzes vorgenommen und sich damit im Rahmen einer Durchführungsverordnung gehalten. Für den demokratischen Rechtsstaat ist allerdings mit Rücksicht auf die Gewaltenteilung die Frage umstritten, ob es zulässig ist, das Gesetz im Wege der Durchführungsverordnung an Stelle der Rechtsprechung auszulegen. Es wird geltend gemacht, daß ein Primat der Gerichte bei Auslegung der Gesetze bestehe, das der Möglichkeit totalitärer Formen (Vereinigung der drei Gewalten in einer Gewalt) entgegenwirken solle. Die allgemeine Ermächtigung des Gesetzgebers zum Erlaß von Durchführungsverordnungen (im Gegensatz zu einer Sonderermächtigung) enthalte nicht die Befugnis zu einer die Gerichte bindenden Auslegung des Gesetzes. Die Frage braucht im Streitfall nicht endgültig entschieden zu werden, da die Verordnung vom 8. Dezember 1939 die rechtliche Grundlage für § 36 KStDV 1951 bildet. Hinsichtlich des Fortwirkens des in der Zeit des totalitären Staates geschaffenen Rechtes siehe im einzelnen die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 200/55 S vom 17. Juli 1956.
Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß § 36 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung auch für eine weitergehende Auffassung des Begriffes der Warenrückvergütungen sprechen könnte. Hiernach werden die zulässigen Warenrückvergütungen von Absatzgenossenschaften in der Weise berechnet, daß der überschuß im Verhältnis des Wareneinkaufs bei den Mitgliedern zum gesamten Wareneinkauf aufgeteilt wird. Man könnte zu der Ansicht gelangen, daß der überschuß aus Nebengeschäften in die Verteilung aufgenommen wird und auf diese Weise zum Teil in Form der Warenrückvergütungen als Betriebsausgaben abgezogen werden kann, insbesondere soweit dem Nebengeschäft ein Wareneinkauf bei Mitgliedern zugrunde liegt. Die KStR 1951 (Abschn. 79 Abs. 6 und 7) und der Bundesminister der Finanzen wollen dies dadurch verhindern, daß sie die Nebengeschäfte ganz allgemein den Nichtmitgliedergeschäften zurechnen. Nebengeschäften können aber auch Wareneinkäufe bei den Mitgliedern zugrunde liegen und wären dann nach dem Wortlaut der Verordnung im Rahmen des gesamten Wareneinkaufs bei Mitgliedern zu berücksichtigen. Hierzu kommt, daß bei Nebengeschäften das Verhältnis des Wareneinkaufs zu überschuß sehr häufig günstiger ist als im Mitgliedergeschäft.
Bei einer Auslegung im Sinne der Auffassung des Finanzgerichts besteht ein kaum überbrückbarer Gegensatz zu § 36 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung. Man wird davon ausgehen müssen, daß Satz 2 den Grundgedanken der Verordnung wiedergibt und die Regelung in Satz 3 die Fälle vor Augen hat, wo die überschüsse nur aus Zweckgeschäften mit Mitgliedern und Nichtmitgliedern stammen (Abschn. 71 Abs. 3 Ziff. 1 KStR 1951). Die gegenteilige Auslegung würde mit dem steuerlichen Begriff der Betriebsausgabe nicht vereinbar sein. Es sind keine wirtschaftlichen Gesichtspunkte zu erkennen, warum der Verordnungsgeber eine derartige Regelung beabsichtigt haben soll.
Gleichartige Auffassungen hat der Senat bereits in der Entscheidung I 2/55 vom 6. Dezember 1955, Deutsche Steuer - Zeitung (Eildienst) 1956 S. 70, ausgesprochen. Er hat hier im Nichtmitgliedergeschäft erzielte Gewinne, die in Form von Warenrückvergütungen an die Genossen weitergegeben worden sind, als verdeckte Gewinnausschüttungen angesehen.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß in Warenrückvergütungen enthaltene Gewinne aus Nebengeschäften keine Betriebsausgaben im Sinne des § 36 KStDV sind.
Der Bundesminister der Finanzen hat in seiner Stellungnahme die Auffassung vertreten, daß zur Erreichung des vom Verordnungsgeber erstrebten Zieles die Pachteinnahmen den Einkäufen aus dem Nichtmitgliedergeschäft zuzurechnen seien. Diese Berechnungsform führt zu einem fehlerhaften Ergebnis. Das Verhältnis des Wareneinkaufs zum überschuß ist im Milchgeschäft vollkommen anders als bei Pachteinnahmen geartet. Auch das vom Bundesminister der Finanzen unterstellte Verhältnis (1 : 1) wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Der überschuß aus dem Nebengeschäft muß gegebenenfalls im Wege der Schätzung aus dem Gesamtüberschuß vor Aufteilung nach den Wareneinkäufen ausgeschieden werden.
Die Genossenschaft ist der Ansicht, daß es sich bei der Verpachtung im Streitfalle um ein Hilfsgeschäft gehandelt habe. Sie stützt sich hierbei darauf, daß der Zweck ihrer Genossenschaft, nämlich die bestmögliche Verwertung der Milch, dazu geführt habe, die GmbH zu gründen. Eine zwangsläufige Folge der Gründung sei die Verpachtung des Anlagevermögens der drei Gesellschafter - Genossenschaften an die GmbH gewesen. Die Verpachtung sei also ein Ausfluß ihrer Aufgabe der bestmöglichen Verwertung der Milch ihrer Genossen.
Bei diesem Vorbringen stützt sich die Steuerpflichtige auf wirtschaftliche Erwägungen. Ihnen kann aber nicht gefolgt werden.
Die Verpachtung von Wirtschaftsgütern stellt, wie auch die Steuerpflichtige nicht bestreitet, im allgemeinen kein Zweckgeschäft einer Molkereigenossenschaft dar. Sie gehört zu den Nebengeschäften. Die Genossenschaft wendet nun ein, daß die Verpachtung an die GmbH ihrer genossenschaftlichen Zweckbestimmung diene, da die GmbH die von den Genossen angelieferte Milch verwerte. Dieses Vorbringen macht aber die Verpachtung nicht zum Hilfsgeschäft.
Nach der Rechtsprechung ist die Beteiligung einer Genossenschaft an einer Handelsgesellschaft (juristische Person, Kommanditgesellschaft) kein Zweckgeschäft, sondern ein Nebengeschäft, und zwar auch dann, wenn die Handelsgesellschaft Milch der Genossenschaft verwertet. Siehe Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 88/53 U vom 12. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 496, BStBl 1954 III S. 101, I 85/53 U vom 2. Februar 1954, Slg. Bd. 58 S. 501, BStBl 1954 III S. 102. Man kann die Verpachtung von Anlagevermögen an eine Handelsgesellschaft nicht anders beurteilen als die Beteiligung an der GmbH. Hierzu kommt im Streitfall noch, daß die GmbH nicht nur die Milch ihrer drei Gesellschafter - Genossenschaften, sondern auch von fremden Betrieben gelieferte Milch verwertet. Die verpachteten Anlagen dienen also nicht nur der Verarbeitung der von den Genossenschaften angelieferten Milch.
Die Verpachtung des Anlagevermögens bildet in gleicher Weise, wie die Beteiligung an der GmbH ein steuerschädliches Nebengeschäft. Der Ansicht des Bundesministers der Finanzen in dieser Frage wird beigepflichtet.
Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Würdigung im Einspruchsverfahren an das Finanzamt zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408569 |
BStBl III 1956, 367 |
BFHE 1957, 443 |
BFHE 63, 443 |
BB 1957, 102 |