Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die gesamten Aufwendungen, die der Erwerber eines Wohngrundstücks im Zusammenhang mit dem Erwerb Für die gründliche überholung, die Modernisierung oder den Umbau des Grundstücks macht, gehören wirtschaftlich zu den Anschaffungskosten. Diese Aufwendungen können nicht nach den allgemeinen Grundsätzen in alsbald abzugsfähige Reparaturkosten und nach § 7 EStG abzuschreibende Herstellungskosten zerlegt werden.
Normenkette
EStG §§ 7, 9/6, § 21/1
Tatbestand
Die Ehefrau des Beschwerdegegners (Bg.) erwarb am 1. Januar 1948 ein kriegsbeschädigtes Grundstück zum Preis von 107 895,50 RM. Der Bg. hatte damals in gemieteten Räumen dieses Hauses seinen Betrieb. Das Haus befand sich zur Zeit des Kaufs infolge Kriegsschadens und unterbliebener Instandsetzungen in schlechtem Zustand. Der Bg. machte folgende Beträge als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend:
II/1948 - - - 12.509 DM - 1949 - - - 10.125 DM - 1950 - - - 4.436 DM.Die Ausgaben sind vorwiegend für die Beseitigung des Grundwassers, die Verstärkung einer Grundmauer, die Wiederherstellung der Heizungsanlage und den Aufbau einer zerstörten Giebelwand entstanden. Die Baugruppe der Oberfinanzdirektion hat die gesamten Aufwendungen geprüft und wie folgt zerlegt:
Jahr Erhaltungsaufwand Herstellungsaufwand II/1948 - - 7.601 - - - - - - 4.908 - 1949 - - 4.491 - - - - - - 5.634 - 1950 - - 3.411 - - - - - - 1.025.Das Finanzamt rechnete unter Berufung auf Abschnitt 165 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 sowie die Urteile des Reichsfinanzhofs VI 241/43 vom 13. Oktober 1943 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1944 S. 58) und IV 21/43 vom 9. Dezember 1943 (RStBl. 1944 S. 163) die gesamten Ausgaben zum Herstellungsaufwand.
Das Finanzgericht erkannte die von der Baugruppe der Oberfinanzdirektion als Erhaltungsaufwand bezeichneten anteiligen Aufwendungen als Werbungskosten für die einzelnen Jahre an. Es führte aus, die vom Finanzamt angezogenen beiden Urteile des Reichsfinanzhofs seien offenbar durch die Kriegsverhältnisse beeinflußt gewesen; zur Vereinfachung hätte damals auf die schwierige Trennung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwand verzichtet werden sollen. Diese überlegung gelte aber heute nicht mehr. Das Finanzgericht folge dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 687/39 vom 17. April 1940 (RStBl. 1940 S. 675), wonach der Erwerber eines Miethauses, an dem längere Zeit keine Instandsetzungsarbeiten vorgenommen waren, die Reparaturkosten grundsätzlich als Werbungskosten abziehen könne. Die von der Baugruppe der Oberfinanzdirektion festgestellten Erhaltungsaufwendungen seien Reparaturkosten in diesem Sinne gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts, der unrichtige Anwendung der §§ 7, 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt, ist begründet.
Das Finanzgericht mißversteht die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wenn es annimmt, die Urteile VI 241/43 und IV 21/43 seien durch die Kriegsverhältnisse bedingt gewesen, während das Urteil VI 687/39 grundsätzlich den Abzug der Instandsetzungskosten bei neu erworbenen Grundstücken zugelassen habe.
Die Frage der Behandlung der Kosten für größere Instandsetzungen an neu erworbenen Grundstücken ist in der Rechtsprechung nicht immer einheitlich beurteilt worden. Ursprünglich ließ der Reichsfinanzhof zu, daß der Erwerber eines privaten Wohngrundstücks solche Reparaturkosten als Werbungskosten abzog, wenn der Veräußerer längere Zeit vorher keine Instandsetzungsarbeiten vorgenommen hatte. Das Urteil IV 342/39 vom 17. April 1940 (RStBl. 1940 S. 674) hielt grundsätzlich noch an dieser Auffassung fest. Bei neu erworbenen Grundstücken, die zu einem Betriebsvermögen gehörten, hatte die Rechtsprechung dagegen inzwischen die für die Herrichtung nach dem Erwerb aufgewandten Kosten im allgemeinen als aktivierungspflichtigen Aufwand bezeichnet, ohne zu unterscheiden, ob es sich um Herstellungsaufwand in engeren Sinn oder um nachgeholte Reparaturen aus der Zeit des Vorbesitzers handelte (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI 125/39 vom 1. März 1939, Slg. Bd. 46 S. 251, RStBl. 1939 S. 630, und VI 605/39 vom 25. Oktober 1939, RStBl. 1940 S. 354). Das vom Finanzgericht angezogene Urteil VI 687/39 führte in Anlehnung an diese Grundsätze aus, auch bei neu erworbenen privaten (außerbetrieblichen) Wohngrundstücken könnten u. U. Arbeiten, die für sich allein betrachtet Erhaltungsaufwand sein könnten, zum Herstellungsaufwand gerechnet werden. Man müsse jedenfalls hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der aus der Zeit des Vorbesitzers rückständigen Reparaturen einen engen Maßstab anlegen, wenn die Arbeiten gleichzeitig mit einer durchgreifenden Modernisierung oder einem Umbau des Wohnhauses verbunden würden. Im Urteil VI 241/43 entwickelte der VI. Senat des Reichsfinanzhofs seine im Urteil VI 687/39 niedergelegte Rechtsauffassung weiter, während der IV. Senat in dem kurz danach ergangenen Urteil IV 21/43 sich sachlich nunmehr der Rechtsprechung des VI. Senats anschloß und an der noch im Urteil IV 342/39 vertretenen abweichenden Rechtsauffassung offenbar nicht mehr festhielt. Es trifft also zu, daß die Urteile VI 241/43 und IV 21/43 auf kriegsbedingten überlegungen beruhten. Es läuft eine klare Entwicklungslinie durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. Die Rechtsprechung war für neu erworbene private Wohngrundstücke zu folgendem Grundsatz gekommen: Werden solche Grundstücke im Anschluß an den Erwerb durchgreifend modernisiert oder umgebaut, so rechnen die gesamten Aufwendungen zum Herstellungsaufwand, auch soweit sie für sich allein betrachtet vielleicht als Erhaltungsaufwand angesehen werden könnten. Für die Frage, ob Herstellungsaufwand in diesem Sinn vorliegt, kann insbesondere auch das Verhältnis der Erwerbskosten zu den Instandsetzungskosten bedeutsam sein.
Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat im Urteil IV 386/52 U vom 11. Dezember 1953 (Slg. Bd. 58 S. 424, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1954 III S. 74) grundsätzlich die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs übernommen, allerdings mit der Einschränkung, daß zwischen dem Erwerb und der Instandsetzung kein so langer Zeitraum (im damaligen Fall neun Jahre) liegen dürfe, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Erwerb und Instandsetzung nicht mehr einwandfrei feststellbar sei.
Der erkennende Senat tritt der bisherigen Rechtsprechung bei. Bei der Streitfrage geht es in erster Linie um die Abgrenzung des Begriffs der Anschaffungskosten. Wird ein Grundstück, das ein Steuerpflichtiger erwirbt, in Zusammenhang mit dem Erwerb gründlich überholt, modernisiert oder ausgebaut, so hängen die gesamten Aufwendungen, gleichviel ob sie bei dem bisherigen Besitzer als Reparatur- oder Herstellungsaufwand anzusehen gewesen wären, unmittelbar mit der Anschaffung zusammen und müssen deshalb bei wirtschaftlicher Betrachtung als Teil der Anschaffungskosten behandelt werden, die nur im Rahmen von § 7 EStG steuerlich zu berücksichtigen sind. Gewöhnlich sind in solchen Fällen die erworbenen Grundstücke in dem Zustand, in dem sie sich bei der übernahme befinden, für die Zwecke der Erwerber nicht oder nicht voll geeignet, so daß die Erwerber von vornherein beabsichtigen, sie für ihre Zwecke herzurichten. Werden vernachlässigte Grundstücke gekauft, so entrichten die Erwerber in der Regel einen entsprechend geringen Kaufpreis; der Kaufpreis (Anschaffungskosten) wäre höher gewesen, wenn sich das Grundstück in einem einwandfreien und für die Zwecke der Erwerber geeigneten Zustand befunden hätte. Es wäre wirtschaftlich ungerechtfertigt, dem Erwerber eines vernachlässigten Grundstücks den steuerlichen Vorteil zu geben, daß er die Reparaturkosten sofort absetzen kann, während er, wenn er ein nicht vernachlässigtes und darum teueres Grundstück erworben hätte, den vollen Kaufpreis nur nach § 7 EStG hätte abschreiben können. Die schwierige Abgrenzung zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand beim Grundbesitz (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S. 639, BStBl. III S. 245) spielt in den Fällen in denen im Zusammenhang mit dem Erwerb erhebliche Aufwendungen zu den erwähnten Zwecken gemacht werden, keine Rolle, weil diese Aufwendungen wirtschaftlich zu den Anschaffungskosten gerechnet werden müssen.
Im vorliegenden Fall befand sich das Wohnhaus zur Zeit des Erwerbs infolge Kriegsschadens und der Unterlassung von Reparaturen durch den Vorbesitzer in schlechtem Zustand. Dieser Umstand hat sich ohne Zweifel im Kaufpreis des Grundstückes ausgedrückt. Der Bg. hat die kostspieligen Herrichtungsarbeiten alsbald nach der Währungsreform begonnen. Sie haben sich über mehrere Jahre erstreckt, dienten aber offenbar alle dem Zweck, das Grundstück in einen für die Zwecke des Bg. geeigneten Zustand zu versetzen. Die Aufwendungen sind im Verhältnis zum Kaufpreis erheblich. Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, daß ein Teil der Aufwendungen seiner Natur nach auch beim Vorbesitzer als Herstellungsaufwand anzusehen gewesen wäre. Es ist aber nicht zulässig, in Fällen der vorliegenden Art, die gesamten erheblichen Aufwendungen nach dem Erwerb in sofort abzugsfähige Reparaturkosten und nach § 7 EStG abschreibbaren Herstellungsaufwand zu zerlegen. Es braucht deshalb im einzelnen nicht geprüft zu werden, ob die vom Finanzgericht als Reparaturaufwand anerkannten Beträge auch in vollem Umfang Reparaturaufwendungen sind, oder ob nicht ein erheblicher Teil schon nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung (vgl. das erwähnte Urteil IV 8/53 U) auch beim Vorbesitzer als Herstellungskosten hätte angesehen werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 408301 |
BStBl III 1955, 388 |
BFHE 1956, 489 |
BFHE 61, 489 |
BB 1956, 297 |
DB 1955, 1209 |