Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gewinnübertragung nach § 6b EStG bei Veräußerung aktiv baureif gemachter Grundstücke
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Grundstück des Anlagevermögens in Veräußerungsabsicht parzelliert und wirkt der Steuerpflichtige an der Aufbereitung zum Bauland aktiv mit oder nimmt er darauf Einfluss, wechselt das Grundstück auch bei zunächst unveränderter Nutzung zum Umlaufvermögen.
2. Eine Gewinnübertragung nach § 6b EStG setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut vor der Veräußerung noch nicht zum Umlaufvermögen geworden ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 6b Abs. 4 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (EFG 1999, 765) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, war im Streitjahr 1988 im Tief- und Straßenbau tätig. Bis zum Jahr 1978 war das Unternehmen auf dem Grundstück in A ansässig gewesen. Auf dem 5 276 qm großen Bauhofgelände hatten sich Werkstattgebäude, Bürogebäude sowie Lager- und Abstellplätze für Materialien, Geräte und Maschinen befunden. In den Jahren 1978 und 1979 verlagerte die Klägerin ihren Werkstatt- und Bauhofbetrieb sukzessive nach B. Das alte Werkstattgebäude wurde abgebrochen, weil es nach Darstellung der Klägerin wegen des schlechten baulichen Zustands nicht mehr sinnvoll genutzt werden konnte.
Im Jahr 1979 beantragte die Geschäftsleitung der Klägerin bei der Gemeinde A die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet, auf dem sich das Bauhofgelände befand. Ein entsprechender Bebauungsplan wurde auf Kosten der Klägerin aufgestellt und 1983 genehmigt.
Im Zuge der Durchführung des Bebauungsplans wurde das Bauhofgelände parzelliert, wodurch neun Grundstücke für eine Reihenhausbebauung entstanden. Als Erschließungsbeitrag hatte die Klägerin dafür 26 247 DM zu leisten. Im September 1986 begann die Klägerin für den Verkauf von zu errichtenden Reihenhäusern mit einem Prospekt und Zeitungsanzeigen zu werben. Für fünf Reihenhäuser erhielt sie im Dezember 1986 eine Baugenehmigung. Zwischen April und September 1987 wurden notarielle Verträge über den Verkauf der betreffenden Parzellen und die Bebauung mit Reihenhäusern durch die Klägerin als Bauträger geschlossen. Mit dem Bau wurde im Mai 1987 begonnen. Im Jahr 1988 (Streitjahr) erfolgte die Übergabe, im Jahr 1989 nach restloser Zahlung des Entgelts die Auflassung. Weitere vier Reihenhausgrundstücke wurden im März 1988 an eine Tochtergesellschaft der Klägerin verkauft, die diese Grundstücke als Bauträger in den Jahren 1989 und 1990 bebaute.
Die Klägerin errechnete aus den Grundstücksverkäufen zunächst einen Gewinn von 667 082 DM. Davon übertrug sie im Rahmen der Bilanzaufstellung auf den 31. Dezember 1988 einen Teilbetrag von 477 082 DM auf Herstellungskosten des im gleichen Jahr fertig gestellten Verwaltungsgebäudes in B. Für den Restbetrag von 190 000 DM bildete sie eine Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte zunächst den Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuererklärungen der Klägerin für das Streitjahr.
Im Rahmen einer Außenprüfung wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass der Veräußerungsgewinn aus Grundstücksverkäufen im Streitjahr nur 583 382 DM betrug. Der Prüfer ging jedoch davon aus, dass die Grundstücke im Zeitpunkt der Veräußerung kein Anlagevermögen mehr gewesen seien. Für das Streitjahr nahm er eine Gewinnerhöhung von 477 082 DM vor, beanstandete aber nicht die Bildung der Rücklage von 190 000 DM. Diese war nach seiner Auffassung 1990 gewinnerhöhend aufzulösen.
Das FA schloss sich zunächst der Auffassung des Prüfers an und erließ u.a. für das Streitjahr, gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid und einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid. Im anschließenden Einspruchsverfahren kam es nach entsprechender Ankündigung zu einer Verböserung, weil nun auch der in die Rücklage eingestellte Betrag von 190 000 DM abzüglich einer Korrektur der Gewerbesteuerrückstellung für das Streitjahr gewinnerhöhend und für das Jahr 1990 gewinnmindernd berücksichtigt wurde.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 765 veröffentlicht ist, führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, eine Übertragung des bei der Veräußerung der Grundstücke entstandenen Gewinns nach § 6b EStG komme nicht in Betracht. Die Grundstücke seien im Zeitpunkt der Veräußerung kein Anlagevermögen gewesen, wie es § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG fordere.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Auslegung von § 6b EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG, § 247 des Handelsgesetzbuchs (HGB).
Sie beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1988 und die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 1988 mit der Maßgabe herabzusetzen, dass ein Gewinn in Höhe von 393 382 DM auf Herstellungskosten des neuen Betriebsgebäudes übertragen und in Höhe von 190 000 DM in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG eingestellt wird.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat die Verfahren wegen Gewinnfeststellung (IV R 47/00) und Gewerbesteuermessbetrags (IV R 48/00) gemäß §§ 121, 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur einheitlichen Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind nicht begründet und waren daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von Anschaffungs- und Herstellungskosten bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG). Voraussetzung für den Gewinnabzug oder die Bildung der Rücklage ist nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG u.a., dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört haben.
2. Die Voraussetzungen des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG sind vorliegend weder in Bezug auf die Grundstücke des ersten noch in Bezug auf jene des zweiten Bauabschnitts erfüllt. Sie gehörten im Zeitpunkt der Veräußerung nicht mehr zum Anlagevermögen des Betriebs der Klägerin.
a) Veräußerung i.S. des § 6b EStG ist die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht. Diese ist nicht im Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts verschafft, sondern mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem übertragenen Wirtschaftsgut (Senatsbeschluss vom 29. Oktober 1996 IV B 144/95, BFH/NV 1997, 558 unter Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. November 1991 IV R 43/90, BFHE 166, 329, BStBl II 1992, 398; vom 13. November 1991 I R 58/90, BFHE 166, 530, BStBl II 1992, 517, und vom 7. Juli 1992 VIII R 24/91, BFH/NV 1993, 461). Die Grundstücke des sog. ersten Bauabschnitts wurden danach im Streitjahr 1988 veräußert, nämlich mit der Übergabe der bebauten Grundstücke an die Erwerber. Ebenfalls im Streitjahr erfolgte die Veräußerung der unbebauten Grundstücke des zweiten Bauabschnitts an die Tochtergesellschaft der Klägerin.
b) Im Zeitpunkt der Veräußerung gehörten sämtliche veräußerten Grundstücke nicht mehr zum Anlagevermögen der Klägerin.
aa) Als Anlagevermögen definiert der BFH in Anlehnung an das Handelsrecht (§ 247 Abs. 2 HGB) die Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen. Zum Umlaufvermögen gehören demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. etwa Urteile vom 31. Mai 2001 IV R 73/00, BFH/NV 2001, 1485; vom 28. Mai 1998 X R 80/94, BFH/NV 1999, 359, und vom 5. Februar 1987 IV R 105/84, BFHE 149, 255, BStBl II 1987, 448, jeweils m.w.N.). Die Zuordnung orientiert sich danach maßgeblich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts im Betrieb, die einerseits subjektiv vom Willen des Steuerpflichtigen abhängt, sich andererseits aber an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss (wie z.B. der Art des Wirtschaftsguts, der Art und Dauer der Verwendung im Betrieb, der Art des Betriebs, ggf. auch der Art der Bilanzierung; vgl. BFH-Urteile in BFHE 149, 255, BStBl II 1987, 448, und vom 30. April 1998 III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372). Wechselt die Zweckbestimmung eines Wirtschaftsguts während seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen, kann damit auch eine veränderte Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen einhergehen. Allerdings wird ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens bei unveränderter Nutzung im Betrieb nicht allein dadurch zum Umlaufvermögen, dass sich der Steuerpflichtige zu seiner Veräußerung entschließt (BFH in BFH/NV 2001, 1485, und vom 26. November 1974 VIII R 61-62/73, BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352).
bb) Bei einem seit langem zum Anlagevermögen gehörenden unbebauten Grundstück hat der BFH einen Wechsel der Zweckbestimmung noch nicht darin gesehen, dass dieses in Veräußerungsabsicht parzelliert wird (BFH in BFH/NV 2001, 1485; ebenso die Finanzverwaltung in R 32 Abs. 1 Satz 8 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR―). Beschränkt sich der Veräußerer indessen nicht auf die bloße Verkaufstätigkeit, sondern wirkt er an der Aufbereitung und Erschließung des Baulands aktiv mit oder nimmt er hierauf Einfluss, ändert sich auch bei zunächst unveränderter Nutzung des Grundstücks seine Zweckbestimmung und es wird zum Umlaufvermögen (BFH in BFH/NV 2001, 1485, m.w.N.).
cc) Im vorliegenden Fall hat die Klägerin sich in Bezug auf alle streitigen Grundstücke nicht auf die bloße Verkaufstätigkeit beschränkt. Denn sie hat nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und deshalb für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht nur beantragt, sondern auch finanziert. Dies hat der BFH in seinem Urteil vom 22. Oktober 1969 I R 61/68 (BFHE 97, 120, BStBl II 1970, 61) als gewerbliche Tätigkeit eines Landwirts angesehen. Ein solches Engagement hat zugleich die Folge, dass sich die Zweckbestimmung des betroffenen Grundstücks ändert, so dass es vom Anlagevermögen zum Umlaufvermögen wechselt. Davon sind sowohl die Grundstücke des sog. ersten Bauabschnitts, bei denen die Planung der konkreten Reihenhausbebauung und die Vermarktung einschließlich zu errichtender Gebäude durch die Klägerin noch hinzukommt, als auch die Grundstücke betroffen, die später erst von der Tochtergesellschaft bebaut und vermarktet worden sind. Dass die Klägerin die Absicht gehabt hätte, die bebauten Grundstücke durch langfristige Vermietung zu nutzen, hat das FG nach den ausdrücklichen und von der Revision in zulässiger Weise nicht beanstandeten Ausführungen in der Vorentscheidung nicht feststellen können.
dd) Die Grundstücke gehörten mithin "im Zeitpunkt der Veräußerung", wie es in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wörtlich heißt, zum Umlaufvermögen. Zwar ist ein Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Veräußerung nicht mehr zur dauernden Nutzung im Betrieb des Veräußerers bestimmt. Die Formulierung des Gesetzes ist aber bei teleologischer Auslegung dahin zu verstehen, dass das veräußerte Wirtschaftsgut vor der Übertragung noch nicht zum Umlaufvermögen geworden sein darf, weil anderenfalls § 6b EStG niemals angewendet werden könnte (Stobbe in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 EStG Anm. 259; Uelner in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6b EStG Rz. 118). Eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte des § 247 Abs. 2 HGB (vgl. Clemm/Scherer in Beck'scher Bilanzkommentar, 4. Aufl. 1999, § 247 HGB Rz. 20) bedarf es für dieses Verständnis des § 6b EStG danach nicht mehr.
Nicht zutreffend ist allerdings die weitergehende Auslegung der Klägerin, wonach es ausreichen soll, wenn das Wirtschaftsgut in der Hand des Veräußerers irgendwann während eines zusammenhängenden Zeitraums von sechs Jahren zum Anlagevermögen gehört hat. Vielmehr ergibt sich aus der Formulierung der Vorschrift "im Zeitpunkt" eindeutig, dass die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen bis zum Veräußerungsakt angedauert haben muss (gl.A. Jachmann in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kompaktkommentar, § 6b Rz. 15).
Damit dürfte auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu verneinen sein, ob es für die Anwendbarkeit des § 6b EStG ausreicht, dass das Wirtschaftsgut am letzten Bilanzstichtag vor der Veräußerung noch als Anlagevermögen zu behandeln war. Letztlich kommt es darauf im Streitfall nicht an, denn der Wechsel zum Umlaufvermögen hat sich vorliegend bereits vor dem Streitjahr 1988 vollzogen, nämlich mit Beginn der aktiven Einflussnahme auf die Erstellung des Bebauungsplans.
Fundstellen
Haufe-Index 664358 |
BFH/NV 2002, 266 |
BStBl II 2002, 289 |
BFHE 197, 109 |
BFHE 2002, 109 |
BB 2002, 670 |
BB 2002, 85 |
DB 2002, 72 |
DStR 2002, 22 |
DStZ 2002, 76 |
StE 2002, 2 |