Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Erträge, die eine Familienstiftung aus der Bewirtschaftung eines Landguts erzielt und an die bezugsberechtigten Familienmitglieder ausschüttet, sind bei diesen wiederkehrende Bezüge im Sinne von § 22 Ziff. 1 EStG 1961 und keine Renten. Die Besteuerung der Bezüge wird bei den Empfängern nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Gewinne bei der Stiftung der Körperschaftsteuer unterlegen haben.
Normenkette
EStG § 22 Ziff. 1
Tatbestand
Ein Vorfahre des steuerpflichtigen Ehemannes (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) hat in seinem Testament im Jahre 1763 bestimmt, daß sein Nachlaß veräußert und von dem Erlös ein Landgut angekauft werden solle, dessen Erträge an seine sämtlichen über sieben Jahre alten männlichen Nachkommen zu gleichen Teilen zu verteilen sei. Entsprechend dieser Anordnung wurden ein Landgut und mehrere Grundstücke gekauft, deren Erträge seit Generationen an die männlichen Nachkommen jährlich verteilt werden. Dabei hängt die Höhe der jährlichen Zuteilung von den jeweiligen Erträgen und der Zahl der Berechtigten ab. Das Finanzamt (FA), in dessen Bezirk das Gut liegt, behandelt die Vermögensmasse als Stiftung und zieht die im wesentlichen aus diesem Gut stammenden Einkünfte zur Körperschaftsteuer heran.
Das FA hat die Anteile des Stpfl. am Ertrag bis zum Jahre 1960 einschließlich als wiederkehrenden Bezug nach § 22 Ziff. 1 EStG besteuert. Im Jahre 1961 hat es den Anteil steuerfrei belassen, weil es eine Erfassung bei dem Stpfl. nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) VI 172/59 U vom 27. November 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 70 S. 174 - BFH 70, 174 -, BStBl III 1960, 65) nicht mehr für zulässig hielt. Die in den Jahren 1962 und 1963 an den Stpfl. ausgeschütteten Anteile von 1.960 DM bzw. 1.700 DM hat es jedoch - nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags von 200 DM - wiederum als wiederkehrende Bezüge im Sinn von § 22 Ziff. 1 EStG behandelt.
Der Einspruch und die Berufung des Stpfl. hiergegen hatten für 1962 keinen Erfolg, ebensowenig seine Sprungberufung für 1963. Das Finanzgericht (FG) sah die streitigen Einnahmen als wiederkehrende Bezüge im Sinn von § 22 Ziff. 1 EStG an. Es war der Auffassung, es handle sich dabei nicht um freiwillige Leistungen der Familienstiftung, da der Stpfl. sie auf Grund des Testaments vom Jahre 1763 erhalte und er auf die jährliche Ausschüttung einen klagbaren Anspruch habe. Daß die Einkünfte bei der Stiftung der Körperschaftsteuer unterworfen würden, stehe der Besteuerung bei dem Stpfl. nicht entgegen, da eine Doppelbesteuerung nicht verboten sei. Die Bezüge seien keine Leibrenten, da die einzelnen Leistungen zahlenmäßig nicht festlägen, sondern von den jeweiligen Jahreserträgen abhingen.
Der Stpfl. führt zur Begründung seiner Revision aus, das FG habe in seinem in den EFG 1966 S. 275 veröffentlichten Urteil zu Unrecht angenommen, daß er auf die streitigen Bezüge einen Rechtsanspruch habe. Die Erträge "sollten" zwar verteilt werden. Erforderlich sei dazu aber ein Beschluß aller männlichen bezugsberechtigten Mitglieder der Familie, die vor der Beschlußfassung zu prüfen hätten, was der Familienstiftung zum besten gereiche. Wenn ein Familienangehöriger an der Zusammenkunft nicht teilnehme, könne er von der Verteilung der Erträge ausgeschlossen werden. Aber selbst wenn man die Freiwilligkeit der Zuwendungen verneine, könnten nach dem Urteil des BFH VI 172/59 U (a. a. O.) wegen der sonst eintretenden Doppelbesteuerung seine Anteile am Ertrag der Stiftung nicht zum Einkommen gerechnet werden. In dem angeführten Urteil sei die Steuerpflicht beim Empfänger deshalb bejaht worden, weil die gleichen Beträge beim Geber als Betriebsausgaben abgezogen worden seien. Im Streitfall lägen die Verhältnisse anders. Die Stiftung sei unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Im übrigen lägen die Bezüge zahlen- und wertmäßig einigermaßen fest und wechselten in ihrer Höhe nur so unwesentlich, daß sie - entgegen der Auffassung des FG - Leibrenten seien.
Der Stpfl. beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die von der Familienstiftung erhaltenen Beträge bei der Besteuerung für 1962 und 1963 steuerfrei zu lassen,
hilfsweise, sie als Leibrenten zu besteuern und die von der Stiftung gezahlte Körperschaftsteuer anteilig auf seine Einkommensteuer anzurechnen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG ist der Auffassung, der Stpfl. habe auf die Beträge aus der Familienstiftung einen Rechtsanspruch gehabt. Der Senat tritt dieser Beurteilung bei. Nach dem Testament vom Jahre 1763 sollen den über sieben Jahre alten männlichen Mitgliedern der Familie die Erträge des aus dem Nachlaß erworbenen Gutes zufließen. Diese Zweckbestimmung ist verbindlich. Sie entfällt nicht dadurch, daß der Verteilung des Jahresertrags eine Beratung und Beschlußfassung der bezugsberechtigten Familienmitglieder vorauszugehen hat. Dies ist eine naheliegende Maßnahme, um sicherzustellen, daß die für die Erhaltung und Verbesserung des Gutes erforderlichen Beträge von der Verteilung ausgenommen werden. Daß dies durch einen Beschluß der Berechtigten geschehen muß, ist einleuchtend. Diese Regelung beweist aber nicht - wie der Stpfl. glaubt -, daß die Erträge des Gutes den nach dem Testament begünstigten Familienangehörigen entzogen und sie für andere Zwecke verwendet werden können. Für die steuerliche Beurteilung ist daher mit dem FG davon auszugehen, daß die streitigen Beträge dem Stpfl. auf Grund seines Anspruchs gegen die Familienstiftung zugeflossen sind und daß sie infolgedessen keine freiwilligen Leistungen der Stiftung sind.
Die Zuwendungen sind wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 Ziff. 1 EStG; denn die Erträge der Stiftung werden den berechtigten Familienmitgliedern seit Jahren fortlaufend jährlich zugewendet und es ist anzunehmen, daß es dabei bleibt.
Wiederkehrende Bezüge, die freiwillig oder einer unterhaltsberechtigten Person gewährt werden, sind zwar bei dem Empfänger nicht nach § 22 Ziff. 1 Satz 2 EStG steuerpflichtig, wenn der Geber unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hat der Empfänger aber einen Anspruch auf die Bezüge und ist dieser Anspruch kein Unterhaltsanspruch, so hat § 22 Ziff. 2 Satz 2 EStG keine Bedeutung. Auf die Abzugsfähigkeit beim Geber, mit der sich der Senat im Urteil VI 172/59 U (a. a. O.) auseinandersetzen mußte, kommt es dann nicht an. Ebenso wie bei der Gewinnausschüttung von Kapitalgesellschaften wird daher die Heranziehung des Stpfl. zur Einkommensteuer nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gewinn der Familienstiftung bereits der Körperschaftsteuer unterworfen worden ist. Ein allgemeines Verbot einer Doppelbesteuerung, wie es der Stpfl. annimmt, gibt es im deutschen Steuerrecht nicht. Das FG hat auch insoweit zutreffend entschieden.
Das FG hat es schließlich auch ohne Rechtsirrtum abgelehnt, die streitigen Bezüge als Leibrenten im Sinn von § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG zu behandeln. Bei Leibrenten ist nur der Ertragsanteil steuerpflichtig. Eine Leibrente setzt aber nach bürgerlichem Recht voraus, daß die wiederkehrenden Leistungen immer in etwa die gleiche Höhe haben und gleichmäßig und in gleichen Zeitabständen gewährt werden (z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 274/63 vom 16. Dezember 1965, Der Betrieb 1966 S. 419). Diese Begriffsbestimmung gilt auch für die Besteuerung, wie der Senat im Urteil VI 115/61 U vom 10. Oktober 1963 (BFH 77, 738, BStBl III 1963, 592) dargelegt hat. Diese Voraussetzung ist bei der Familienstiftung ebensowenig erfüllt wie in den Fällen, in denen als wiederkehrende Bezüge ein fester Vomhundertsatz des Jahresgewinns eines Gewerbebetriebs gezahlt wird. Bei schwankender Höhe der jährlichen Leistungen fehlt eine zuverlässige Grundlage für die Ermittlung des Ertragsanteils im Sinn von § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG, so daß die Anwendung dieser Vorschrift schon daran scheitert. Gegen den Ansatz der vollen Bezüge, die der Stpfl. von der Familienstiftung erhalten hat, bestehen daher keine Bedenken.
Für den Antrag des Stpfl., die von der Familienstiftung gezahlte Körperschaftsteuer anteilig auf seine Einkommensteuer anzurechnen, bietet das geltende Recht keine Handhabe. Die Rechtslage ist die gleiche wie für Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft. Die Empfänger der Kapitalerträge müssen ihre Einkommensteuer ohne Rücksicht auf die von der Gesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer bezahlen und können die von der Gesellschaft gezahlte Körperschaftsteuer nicht auf ihre Einkommensteuer anrechnen. Die von der Familienstiftung entrichtete Körperschaftsteuer kann auch nicht als Werbungskosten oder Sonderausgaben abgezogen werden, da die Voraussetzungen der §§ 9 und 10 EStG nicht vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 412370 |
BStBl III 1967, 178 |
BFHE 87, 476 |