Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die übertragung lediglich immaterieller Werte als freiwillige Leistung eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft.
Normenkette
KVStG § 2/3/b, § 2/1/4/c, § 8/2
Tatbestand
Die beschwerdeführende GmbH wurde durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 18. Oktober 1948 mit einem bar einzuzahlenden Stammkapital von X DM gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb von Textilien jeder Art. Hauptgesellschafter ist eine OHG. Das Finanzamt erhob die Gesellschaftsteuer mit 3 v. H. von X DM.
Bei einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt folgenden Sachverhalt fest: Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdeführerin (Bfin.) sei der Vertrieb der in der OHG hergestellten Textilwaren. Die Bfin. sei eine reine Handelsgesellschaft. Sie ersetze die frühere Verkaufsabteilung der OHG und werde in deren Räumen betrieben. Ihr sei der Firmenname und der Vertreterstab der OHG ohne jede Einschränkung übertragen worden. Bei der OHG handele es sich um ein seit langem bestehendes bekanntes Textilunternehmen. Die Zahl ihrer Kunden habe bei der Gründung der Bfin. ... betragen. Das Absatzgebiet erstrecke sich über ganz Westdeutschland, weshalb die Bfin. auch die über dieses Gebiet verteilten Vertreter der OHG übernommen habe. Die übernahme dieser Einrichtungen habe es der Bfin. erst ermöglicht, ohne besondere Anlaufschwierigkeiten ihren Geschäftsbetrieb sofort ganz zu entfalten. Die bereits in den ersten Monaten erzielten hohen Umsätze und Gewinne bestätigten diese Auffassung.
Das Finanzamt schätzte den gemeinen Wert der übertragenen immateriellen Wirtschaftsgüter auf Y DM und forderte auf der Grundlage einer Gesamtgegenleistung von Z DM für den Erwerb der Gesellschaftsrechte eine weitere Gesellschaftsteuer von 3 v. H. von Y DM aus § 2 Ziffer 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KapVStG). Um diese Nachforderung geht der Steuerstreit.
Das Finanzgericht beurteilte die übertragung der immateriellen Werte als eine freiwillige Leistung im Sinne des § 2 Ziffer 3 KapVStG und bestätigte die Nachforderung.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat keinen Erfolg.
Nach § 2 Ziffer 3 Buchstabe b KapVStG unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistungen geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
Die hier genannten Leistungen können jedes irgendwie geartete Wirtschaftsgut zum Gegenstande haben. Daß die sogenannten immateriellen Werte als Teil der freiwilligen Leistungen zu betrachten sind, wenn sie zusammen mit dem Unternehmen, dem sie anhaften, übertragen werden, unterliegt keinem Zweifel. Dabei kann es sich um die übertragung eines ganzen Unternehmens oder eines Teiles, z. B. des der Produktion oder des dem Absatz dienenden Teiles, handeln. Bei der übertragung eines Unternehmensteiles wird nicht der ganze good will, sondern nur ein Teil der immateriellen Werte, gegebenenfalls der mit der Produktion oder der mit dem Vertrieb in Verbindung stehende, übertragen, z. B. die Beziehungen zu Lieferanten auf der einen, zu Abnehmern auf der anderen Seite. Immaterielle Wirtschaftsgüter können aber auch unabhängig von dem Unternehmen oder dem Unternehmensteil, d. h. ohne diesen oder jenes, übertragen werden. Die übertragung kann auf ein schon bestehendes oder, wie der Streitfall zeigt, auf ein neu zu errichtendes Unternehmen geschehen. Auch das Schrifttum (vgl. z. B. von Staudinger, BGB § 433 Bemerkung 29) sieht die alleinige (selbständige) Veräußerung immaterieller Werte als zulässig an.
Vorliegend besteht die Leistung nach den Ausführungen des Finanzgerichts darin, daß die OHG der GmbH seit Gründung der GmbH den Firmennamen mit dem Zusatz "GmbH" statt "OHG", das gesamte Absatzgebiet mit einem erheblichen Kundenstamm, einen eingearbeiteten Vertreterstab, der sich über ganz Westdeutschland erstreckt, kurz all die vielen unkörperlichen Werte, die ein alteingeführtes Unternehmen in der Regel in sich birgt und die unter anderem in den Handelsverbindungen, Kundschaft, Absatzgebiet, Vertreterstab, Kreditwürdigkeit und in dem Ruf und Erfolg der Stammfirma ihren Ausdruck finden, ohne besondere Gegenleistung überlassen hat. Weiterhin bestehe der immaterielle Wert in der dauernden und ausreichenden Belieferung der Bfin. mit den Erzeugnissen der OHG. Die Zurverfügungstellung dieser Werte stelle eine wirtschaftliche Leistung dar, die es der Bfin. ermöglichte, ohne besondere Anlaufschwierigkeiten und Unkosten ihren Geschäftsbetrieb sofort in vollem Umfange zu entfalten.
Die Bfin. verweist in der Rb. gegenüber der Annahme der Leistung eines Wirtschaftsgutes auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III A 84/28 vom 28. Februar 1930, Slg. Bd. 26 S. 285, 297, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1930 S. 287, 291, und auf die dortige Ausführung:
"Er (der Senat) trägt ... keine Bedenken, für das Reichsbewertungsgesetz grundsätzlich und für die Regel den immateriellen Rechten mit wenigen Ausnahmen (z. B. Apothekenkonzessionen) die Eigenschaft selbständiger Verkehrsgüter abzusprechen. Immaterielle Güter sind also nur unter besonderen Voraussetzungen im Ausnahmefall bewertungsfähig, insbesondere dann, wenn sich eine fest allgemeine Verkehrsauffassung gebildet hat oder wenn sie nach 1923 entgeltlich erworben oder durch Aufwendungen als Wirtschaftsgüter anerkannt sind und somit bezüglich dieser Ausgaben für die Einkommensteuer die Möglichkeit besteht, in den Bilanzen einen entsprechenden Gegenwert einzusetzen."
Dieses Urteil ist aber zu der insbesondere für die Vermögensteuer und die Realsteuern geltenden Einheitsbewertung ergangen. Hinsichtlich dieser Einheitsbewertung hat der Reichsfinanzhof in dem angezogenen Urteil für den Ansatz der immateriellen Werte als "Gegenstände" im Sinne des § 31 Absatz 2 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) 1925 gewisse Voraussetzungen, die in dem vorstehenden Zitat wiedergegeben sind, aufgestellt. Diese Voraussetzungen sind auch für ihre Erfassung als bewertbare Wirtschaftsgüter für die späteren Reichsbewertungsgesetze aufrechterhalten worden (vgl. z. B. Vermögensteuer-Richtlinien Abschnitt 3 Absatz 1, RStBl 1940 S. 203). Die Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes über die Einheitsbewertung gelten aber nicht für das Kapitalverkehrsteuergesetz. Die Bfin. kann sich deshalb nicht auf die zu diesen Vorschriften ergangene Rechtsprechung berufen, und es ist die Annahme, daß das, was bei der Einheitsbewertung nicht zu bewerten ist (dahingestellt, ob dies im Streitfall zutrifft), für die Gesellschaftsteuer mit 0 DM anzusetzen ist (vgl. Randebrock, Der Betrieb 1949 S. 366, auf den sich die Bfin. beruft), unbegründet. Es ist deshalb auch nicht Merkmal der freiwilligen Leistung, daß diese in den Bilanzen der empfangenden Gesellschaft zum Ausdruck kommen muß. Daß der Gewinn der Bfin. originär bei dieser entsteht, beeinflußt die vorstehende Beurteilung nicht.
Zu Unrecht vermißt die Bfin. außerdem ein Eingehen auf die Frage, ob die Kapitaleinlage von X DM als finanzielle Grundlage für ihre Bedürfnisse ausreichte oder ob eine weitere Stärkung durch Zuführung von Sachwerten wirtschaftlich geboten war. Diese Erfordernis ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 2 Ziffer 3 Buchstabe b KapVStG. Nur die Besteuerung der Gesellschafterdarlehen (ß 3 KapVStG) ist davon abhängig, daß die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Im Streitfall handelt es sich aber nicht um ein Darlehen.
Die Leistung der OHG war freiwillig, weil sie nicht auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis oder im Gesetz begründeten Verpflichtung bewirkt wurde. Sie war auch geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Hierzu hat das Finanzgericht mit Recht angenommen, daß dieser Wert vorliegend im Hinblick auf § 13 Absatz 2 Satz 2 RBewG unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Bfin. zu beurteilen war, daß die Ertragsaussichten infolge der überlassung der immateriellen Werte wesentlich günstiger lagen, als wenn die Bfin. erst mit eigenen Mitteln einen Verkaufsorganismus hätte aufbauen müssen und daß deshalb die freiwilligen Leistungen geeignet waren, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Wenn die Bfin. meint, der Wert der Gesellschaftsrechte müsse erhöht werden, so trifft dies nicht zu; es genügt, daß die Leistung des Gesellschafters dazu geeignet ist. Daran ändert auch das Vorbringen der Bfin. nichts, im Herbst 1948 seien Kundenstamm, Vertreterstab und Absatzgebiet im Textilsektor keine Notwendigkeit gewesen, weil nicht der Käufer, sondern die Ware gesucht gewesen sei. Eine eingespielte Verkaufsorganisation ist immer von Vorteil, außerdem konnten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern.
Was den Steuermeßstab betrifft, so ist die Steuer nach § 8 Ziffer 2 KapVStG vom Wert der Leistung zu berechnen. Als Wert ist nach § 1 und § 10 RBewG der gemeine Wert anzusetzen. Das Finanzgericht hat im Gegensatz zum Finanzamt angenommen, daß die streitigen immateriellen Werte der Bfin. nicht zu Eigentum, sondern nur zur Nutzung übertragen worden sind. Dies war aber für die Entscheidung bedeutungslos, weil das Finanzgericht die Steuer doch vom Substanzwert berechnet hat. Es ist damit dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 546/30 vom 17. Dezember 1930, Mrozek Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz (alt) § 6 c Abteilung IV Rechtsspruch 9, gefolgt, in dem der Reichsfinanzhof in einem Fall, in dem einer Gesellschaft ein Holzlager auf unbestimmte Zeit unentgeltlich überlassen worden war, den Wert der überlassenen Holzbestände selbst der Besteuerung zugrunde gelegt hat, weil es vom Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Nutzung keinen Unterschied gemacht habe, ob das Eigentum vorbehalten gewesen sei oder nicht. Auf die Frage, ob diese Auffassung gerechtfertigt ist, ist im Streitfall nicht einzugehen. Das Finanzamt hat seine eigene Ermittlung dahin beurteilt, daß die strittigen Werte selbst - nicht lediglich ihre Nutzung - auf die Bfin. übertragen worden sind. Anhaltspunkte für das Gegenteil sind weder vom Finanzgericht dargelegt noch von der Bfin. vorgebracht worden, auch aus den Akten nicht ersichtlich.
Was die Schätzung selbst betrifft, so liegt diese auf tatsächlichem Gebiet und ist angesichts der das Stammkapital um ein Vielfaches übersteigenden Monatsumsätze schon der ersten Zeit und vor allem des hohen Gewinns des ersten Geschäftsjahres durchaus gerechtfertigt. Die Bfin. wendet sich gegen die Bemerkung des Finanzgerichts, sie habe gegen die Schätzung Einwendungen nicht erhoben, und macht geltend, sie habe dies nur deshalb nicht getan, weil sie eine Steuerpflicht überhaupt verneint habe. Die gerügte Bemerkung war aber für die Entscheidung des Finanzgerichts nicht ursächlich, weil das Finanzgericht unabhängig von ihr zu seiner Entscheidung gekommen ist, sogar selbst noch zum Ausdruck gebracht hat, die Schätzung sei eher zu niedrig als zu hoch.
Nach allem erwies sich die Rb. als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 407390 |
BStBl III 1952, 139 |
BFHE 1953, 356 |
BFHE 56, 356 |